an der see

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 29.12.2011, 16:56

an der see

eisig der sand
an den füßen am arm
die jacke mit aufgeblasenem ärmel

wie eine tür ins schloss fällt

und jetzt salzschaum
löcher von wattwürmern


wie oft man die haare aus dem gesicht streicht
widerspenstig

genau bläst der wind

Benutzeravatar
allerleirauh
Beiträge: 766
Registriert: 26.06.2010
Geschlecht:

Beitragvon allerleirauh » 29.12.2011, 18:39

hallo herr räuberhauptmann,

das ist eine wunderbar hintersinnige miniatur. ich kann nicht umhin, diese meeresimpression mit weihnachten und mit dem vergehen der zeit ("wie eine tür ins schloss fällt") in verbindung zu bringen.

einzig das zweimalige WIE (vers vier und vers sieben) und das vom anlaut her ähnliche WIDERspenstig stören mich minimal.

lga

Jelena

Beitragvon Jelena » 30.12.2011, 08:45

Hallo Räuber,

ich habe ein Problemchen mit dem letzten Vers. Ich vermisse ein "So". War das deine Absicht? Widerspenstigkeit?

Ich weiß nicht. Der Schluss ist natürlich so widerspenstiger, aber mir fehlt irgendwas.

Xanthippe
Beiträge: 1312
Registriert: 27.06.2008
Geschlecht:

Beitragvon Xanthippe » 30.12.2011, 11:43

Jelena: ich lese es als widerspenstig genau bläst der Wind. Ein "so" würde alles verändern.
Sonst möchte ich Allerleirauh einfach nur zustimmen, mit dem Lob ebenso wie damit, dass das zweimalige WIE nicht so ganz schön ist.
Xanthi

Klara
Beiträge: 4525
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 30.12.2011, 14:08

das ist toll!

Benutzeravatar
annette
Beiträge: 465
Registriert: 24.11.2006
Geschlecht:

Beitragvon annette » 30.12.2011, 14:47

Gerade die Alliteration vom zweifachen "wie" zusammen mit dem "widerspenstig" gefällt mir klanglich sehr.
Die unterschiedliche Funktion des "wie" irritiert mich allerdings. In Vers 4 ist das wie vergleichend, etwas wird verglichen mit der ins Schloss fallenden Tür. In Zeile 7 leitet es eine indirekte Frage oder einen Ausruf ein. Dabei fällt mir auf, das Vers 4 auch ein Ausruf sein könnte. Hmmm ...

Mit dem genau ging es mir zunächst wie Jelena. Wenn Xanthippe dort "widerspenstig genau" liest, würde mir das schon gefallen, aber dafür ist mir der Abstand zwischen beiden Versen zu groß.

Ich mag die Atmosphäre der ungemütlichen Kälte, die doch so innig empfunden und schlicht beschrieben wird.

Gruß - annette

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 30.12.2011, 17:53

Hallo,
danke für die Rückmeldungen. Die Dopplung des 'wie' und auch genau die von Dir, Annette, angeführte Irritation war schon beabsichtigt, an ihr liegt mir auch was.
Ein 'so' war nicht intendiert in der letzten Zeile, gemeint ist 'genau' im Sinn von präzise.
Das 'widerspenstig' ist das Wanderwort des Gedichts, es stand die letzten Tage schon fast überall; ganz ohne fehlt den wenigen Zeilen etwas, fand ich. Die Variante abgetrennt für sich lädt es aber zu sehr auf:
wie oft man die haare aus dem gesicht streicht

widerspenstig

genau bläst der wind;

die Variante 'widerspenstig genau' wollte ich nicht stark haben, sondern schwach, deshalb hatte ich es auseinandergerückt. Das dritte wi störte mich ebenso leicht wie dich, allerleirauh, aber was besseres hatte ich bisher nicht zur Hand.

Grüße
Franz

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 31.12.2011, 09:00

Klasse! Sehr stimmig und für mich die richtige Prise Irritation für diesen Text. Widerspenstig genau.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste