Aus der Heimat

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 14.06.2012, 20:41

Aus der Heimat


Manchmal war ich schnell satt.
Aufgetischt war ein Klumpen
aus Worten, Düsternis, Mahnen.
Ich kaute und kaute.

Am Ende ging ich, hungrig
nach Fremdem, nach Fragen,
nach Leben und Licht.

Dort, wo ich hinkomme,
fülle ich Teller und Tasse
mit meinen Gedanken.

Manchmal klingen sie fein,
nach dem, was ich suche.
Manchmal schmecken sie
nur nach mir selbst.

Dann fehlt mir dieser
Sommerstaub auf der Zunge,
plapperndes Himbeerlachen
auf dem Weg heim.

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.06.2012, 12:25

Liebe Amanita,

ich schleiche schon eine Weile um diesen Text herum, prinzipiell finde ich ihn sehr schön, es entstehen Bilder vor meinen Augen, eine Entwicklungsgeschichte zeichnet sich ab.

Aber ich bleibe in der dritten Strophe immer ein wenig hängen. Woher kommen Tasse und Teller? Wenn ein anderer sie gedeckt hat, warum füllt das lyrIch sie dann selbst?

Ein wenig irritiert mich auch, dass es plötzlich in dem Schmecken "klingt", Speisen und Getränke klingen ja eigentlich nciht. Vielleicht würde "duften" mich weniger irritieren.

Liebe Grüße

leonie

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.06.2012, 12:30

Hach ja, leonie, das ist wieder meine Wahrnehmung: Für mich schmeckt und klingt alles.

Tasse und Teller muss sich das Ich selbst hinstellen, es war ja fortgegangen. Hat sämtliche Freiheiten.

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.06.2012, 12:31

Aber es würde vielleicht helfen, wenn Du erwähnst, dass das lyrIch Tasse und Teller mitnimmt...

Mit dem Klang: Ich dachte mir schon so etwas, dass die Synästhesie da mitschwingt....

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.06.2012, 12:35

Ich denke nicht, leonie, dass man Teller und Tasse mitnehmen muss - ich sehe das als dermaßen elementar an ... es könnte auch in einem Hotel, einer Pension, einer WG sein, ruhig etwas unpersönlich-unwirtlich, ein Übergangszustand. Essen und trinken muss man überall!

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.06.2012, 12:44

Ja, aber das irritiert mich gerade, wenn es eine Pension oder ein Hotel wäre, würde man sich Teller und Tasse ja nicht selber füllen...
Vielleicht geht es anderen ja ganz anders, ich habe nur gemerkt, dass für mich da so ein kleiner Haken ist, an dem ich hängen bleibe....

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.06.2012, 12:49

Da sehe ich keinen Widerspruch, denn auch im Hotel füllt man sich vieles selbst auf (Frühstücksbuffet, "Kännchen" usw.).

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.06.2012, 13:04

Hallo Amanita,

mit Teller und Tasse habe ich überhaupt kein Problem. Ich stolpere über etwas anderes:
in der ersten Strophe beschreibst du die Heimat des LIs ziemlich düster. Ich stelle mir da jemanden vor, der kaum einen Bissen runterbekommt, weil die Umgebung (die Familie evtl.) das LI erdrückt. Deshalb geht das LI fort.
Doch in der letzten Strophe kommt da plötzlich dieses Himbeerlachen auf dem Weg heim. Der Kontrast ist mir hier ein bisschen zu stark, da fehlt für mich ein Mittelteil. Es wirkt deshalb widersprüchlich auf mich.

Liebe Grüße
Gabi

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 15.06.2012, 13:07

Es war ja nur manchmal ...

Und gibt es ein Elternhaus/ eine Jugend ohne Schattenseiten?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.06.2012, 13:13

Sicher gibt es keine Jugend ohne Schattenseiten. Doch hier wird m.E. die Schattenseite sehr stark fokussiert, so dass ich z.B. das "manchmal" überlese, da dein Bild des Kauens sehr stark und bildhaft ist. Vllt. eine kleine Abmilderung oder Ergänzung, so dass das "manchmal" stärker in den Vordergrund tritt?

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.06.2012, 13:23

Jan, man füllt sich selber auf, aber man füllt nicht mit Eigenem, es wirkt auf mich so, als ob das lyrIch den Kaffee und die Brötchen selber mitbringt...

Aber Gabriella liest es ja anders, vielleicht bin ich da ein Einzelfall...

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 17.06.2012, 14:19

liebe marlies,

das ist ganz nach meinem gusto!
das thema sowieso, die ausführung größtenteils auch.

was ich dir zu bedenken geben möchte, sind jetzt allerdings nicht kleinigkeiten /wie z. b. ob das "fein" denn sein muss ... oder das zweimalige war zu beginn, so dicht aufeinander folgend/, sondern etwas, was meiner meinung nach nicht funktioniert: die zeitebene.

du hast das ganze als rückschau konzipiert, im präteritum, das du dann aber für mich nicht nachvollziehbar verlässt ...
ich glaube zwar zu ahnen, worauf du hinaus wolltest, aber so geht das, glaub ich, nicht.

ansonsten chapeau!

lg
monika

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 17.06.2012, 20:48

Hallo scarlett!

Hm, fein, ja - ist vermutlich Geschmackssache. Ich finde es rhythmisch so besser; ausgeprägter auch. (Ein anderes Wort für fein... vielleicht; ohne eher nicht).

Welche Zeit(en) sollte ich denn besser benutzen? Ich dachte eigentlich, dass ich mich "logisch verhalten" :) hätte: Der erste Teil ist eine Rückschau, dann kommt die Gegenwart, und die letzte Strophe verbindet die Zeiten.

eve
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Beitragvon eve » 18.06.2012, 06:03

ich finde es wunderschön und es passt für mich alles. es ist doch so - ein jüngeres ich kaut eben an so manchem brocken schwer und vielleicht auch zu schwer, sobald es dann seine eigenen tassen und teller füllen, seine eigenen gedanken haben durfte, hat es auch wieder die freiheit, das schöne in der vergangenheit zu sehen. und sich auch wieder nach manchem zurückzusehnen, so wie es eben am beginn manches schwer fand und somit den impuls bekam, hinauszugehen und seinen hunger auf eigene weise zu stillen. ich sehe da keine widersprüche - im gegenteil.


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