holundernacht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 18.06.2012, 08:20

wir pflücken die stille
vom saum der dunkelheit

wächst uns entgegen
elfenbeinlicht

verzweigt sich
duft aus tagwarmen dolden

steht *atemnackt
in unseren händen
die zeit




* originalversion: stockt

/c/ monika kafka, 06/12
Zuletzt geändert von scarlett am 02.07.2012, 19:04, insgesamt 4-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 18.06.2012, 22:50

atemnackt hat was, monika!

ansonsten ist es wie viele deiner gedichte: gut. auf einem level.

liebe grüße: niko

Mucki
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Beitragvon Mucki » 18.06.2012, 23:10

Für mich ist dein Gedicht eine einzige Perle :stern: , Monika,

Chapeau!
Gabi

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birke
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Beitragvon birke » 19.06.2012, 08:01

Oh ja, eine lyrische Perle, meine Liebe!
Wunderschön, Kompliment.

Und ja - atemnackt hat es mir auch angetan, toll!

Liebste Grüße
deine di
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Eule
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Beitragvon Eule » 19.06.2012, 08:12

Liebe scarlett, der Schluss Deines Juninachtgedichtes steht mit seinem bestimmten Artikel, den kurzen zwei Worten, mit dem "großen" Hauptwortthema und seiner inversiven Satzstellung für mich etwas zu isoliert, zu exponiert und damit zu betont da. Vielleicht könntest Du den "Zeit"-Begriff mehr mit dem Text verknüpfen.

Ohne Inversion, also z.B. atemnackt/stockt die zeit/in unseren Händen, läse sich die letzte Strophe fließender.
Zuletzt geändert von Eule am 19.06.2012, 15:49, insgesamt 2-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.06.2012, 10:28

ihr lieben, froi froi froi!
und dank für lob und kritische anmerkung.

wobei ich immer noch ein wenig bauchgrummeln habe, was dieses atemnackt anbelangt ... weil ich nicht sicher bin, ob das tatsächlich MIR eingefallen ist oder ob es sich aus einer meiner zahllosen gedicht-lektüren bei mir eingeschlichen und festgesetzt hat ... na ja.

was den schluss betrifft, eule, würde ich ihn so setzen, wie von dir vorgeschlagen, würde das die intendierte aussage verschieben, die betonung auf die hände legen und das gerade will ich eigentlich nicht.

es ging mir tatsächlich um diesen einen augenblick, in dem die zeit aufgehoben zu sein scheint, still steht ...
und daher meine ich, dass es auch irgendwie passt, dass das gedicht an dieser stelle sich nicht so flüssig liest, es stockt :-) eben.

es ist natürlich für das gedicht unerheblich, aber ich habe solch einen augenblick erlebt und mich daraufhin ständig gefragt, wie kann man das sprachlich festhalten, ausdrücken- ohne kitschig zu werden /wobei ich sicher bin, dass es der eine oder andere dennoch als solches empfinden mag/ und ohne das berühmte "es war, als hätt der himmel die erde sanft geküsst" - zu wiederholen, weil dieser augenlbick tatsächlich so war: kein einziger laut war zu vernehmen, es ging kein lüftchen, das ständige leise rauschen der mich umgebenden bäume war plötzlich verstummt, es lag nur dieser unglaubliche duft von holunder über der wiese und ein sichelmond hing genau zwischen zwei tannen ...
es dauerte nur kurz, aber es war der pure wahnsinn.

liebe grüße,
scarlett/monika

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.06.2012, 13:02

Hallo scarlett,

wobei ich immer noch ein wenig bauchgrummeln habe, was dieses atemnackt anbelangt ... weil ich nicht sicher bin, ob das tatsächlich MIR eingefallen ist oder ob es sich aus einer meiner zahllosen gedicht-lektüren bei mir eingeschlichen und festgesetzt hat ... na ja.
Wenn mich das Netz nicht täuscht, müsste es von Rose Ausländer sein aus Trauer II. Für mich in beiden Gedichten ein schwieriges Wort, das in mir nichts auslöst, mit dem ich nichts "verbinden" kann, und das ich so nur über den Kopf erschließen kann.
ohne kitschig zu werden /wobei ich sicher bin, dass es der eine oder andere dennoch als solches empfinden mag
Ja .-) ... für mich hängt das aber einzig am Wort "Elfenbeinlicht".

Das "stockt" hat mich überrascht, weil es für mich eher ein negativ besetzes Wort ist, das die Stimmung hier für mich verändert. Gerade auch in Verbindung mit dem "atemnackt", bekomme ich das zumindest nicht mit deinem erzählten Augenblick zusammen. Es bekommt eher etwas Bedrohliches für mich.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

scarlett

Beitragvon scarlett » 19.06.2012, 13:14

oh oh oh ... hat mich mein bauchgefüh also nicht ganz getäuscht ....

danke flora, ich werde das wort jatzt sofort kursiv setzen und als zitat kenntlich machen ...

eijeijei ...

seltsam, was du über die stimmung schreibst, die dir gegen ende durch dieses stockt bedrohlich erscheint ...
ich empfinde das überhaupt nicht so.

als alternative hatte ich "ruht", aber das ist irgendwie erwartbar ... und deshalb schloss ich es wieder aus.
sollte ich vielleicht doch noch mal in mich gehen ...

das elfenbeinlicht ... ja ja, genau daran dachte ich, als ich kitschig schrieb ...
eh klar, dass ich dabei an die farbe der hounderdolden dachte ...
ich fürchte, ich fürchte ... damit werd ich leben/müssen.

hab dank und liebe grüße,
scarlett

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.06.2012, 13:22

Liebe Monika,

für mich strahlt deine Gedicht eine unglaubliche Ruhe aus.
Das "Elfenbeinlicht" empfinde ich nicht als kitschig, sondern als sehr schön bildhaft. Das kann ich mir so richtig vorstellen.
Schriebest du "ruht", wäre es für mich zu "festgehalten", so aber lese ich das "stockt" wirklich als plötzliches Anhalten der Zeit, die nach diesem Moment wieder weiterläuft.

Liebe Grüße
Gabi

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.06.2012, 14:07

Hallo scarlett,

"holunderlicht" wäre doch ein schönes, weiches Wort, das für mich viel näher dran wäre, als das Elfenbein? Im Titel kombinierst du den Holunder mit der Nacht, was mich schon die schwarzen Früchte sehen ließ. Ich war vom Doldenduft ganz überrascht und hatte das Elfenbeinlicht nur dem Mond zugeordnet.

Beim "stockt" muss ich auch an geronnene Milch und durch diesen Hell/Dunkelkontrast in deinem Gedicht dann an Celans schwarze Milch denken ... hm ... vielleicht eine seltsame Assoziation :o) ... aber auch das "Verstocktsein" schwingt da für mich mit. Wie wäre es denn mit "atemnackt steht" ... ?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.06.2012, 14:30

Das Elfenbeinlicht ist für mich überhaupt nicht kitschig, eher im Gegenteil: Für mich ist es (zu) stumpf, das Knöchern-Kompakte überwiegt in meiner Vorstellung und geht so gar nicht zusammen mit den filigranen Holunderblüten.
Überhaupt finde ich die zweite Strophe nicht so ganz glücklich - auch die Wortstellung nicht; m. E. hält sie nicht die Qualität der ersten und dritten Strophe.

Meine Lieblingsstelle ist duft aus tagwarmen dolden!

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 19.06.2012, 14:37

Hallo Flora, "Holunderlicht" wäre für mich dunkelviolett(rot), hätte also nicht die Farbe der Blüten.
Ich empfände es auch als Doppelung, nicht als Verstärkung der Überschrift.

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birke
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Beitragvon birke » 19.06.2012, 16:04

Also, das "elfenbeinlicht" finde ich wunderbar hier, sehr passend.

Allerdings ... das "stockt" stockt doch auch bei mir ... irgendwie.
Obwohl es durchaus was hat.
Aber es klingt in Verbindung mit "nackt" zu hart aus meiner Sicht - und ja, "einem stockt der Atem" ist ja in der Tat eher negativ belegt.
Es ist doch auch vielleicht eher weniger ein "Stocken" als eher ein "anhalten" oder "innehalten"?

Aber - es ist und bleibt dein Text, für dich muss es natürlich passen! :-)

Liebe Grüße
deine di
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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scarlett

Beitragvon scarlett » 20.06.2012, 07:42

ihr lieben,

ich halte also fest<.

das "stockt" ist wohl doch für einige von euch hier ein problem und irgendwie kann ich eure argumentation schon auch nachvollziehen. auch wenn ich nun so gar nicht an gestockte milch oder verstockt oder stockenden atem denken muss dabei, weil ich dieses wort woh positiver verstehe als ihr. der atem stockt ja auch vor überraschung, einer nicht erwarteten freude .... aber gut.
die alternative, die einzige, die ich hier sehe, ist - da ruht nun wirklich nicht geht für mich - das "steht", das flora angeregt hat und das auch diana im vorfeld hinter den kulissen angesprochen hatte ...
deshalb werde ich das jetzt mal ändern und dann sacken lassen ...

das elfenbeilicht wird bleiben.

ich gebe dir zwar recht, amanita, dass elfenbein die von dir genannten konnotationen hat, darber hinaus aber doch auch die farbe ...
und wenn das wort kombinert wird mit licht, schließen sich für mich diese anderen konnotationen aus, da klar wird, dass durch das licht die farbe angesprochen wird.
außerdem wurde und wird aus elfenbein ja eine menge fiigraner gebilde geschnitten/geschnitzt ... so dass auch diese komponente zu den filigranen dolden passt.

sehr interessante diskussion hier, ich danke euch, vielleicht geht es ja auch noch weiter ... nur ich muss jetzt weg, bin erst am nachmittag wieder online.

liebe grüße an alle,
monika


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