und dann erst reden wir von liebe

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 17.06.2012, 12:58

.

und dann erst reden wir von liebe

lass mich sein einfach sein
wie ich geworden bin
~ mit den narben, die du
beim tiefer schürfen findest ~


streichle die roten ränder
sieh mich in meiner schwäche
lächle leise und sag: merkwürdig
ich mag genau das an dir

dann reden wir von liebe



.

1. Str. korr. vorher:
biografische angelegenheiten
die auch als narben durchgehen
beim tiefer schürfen

Vielen Dank an Rosebud!
Zuletzt geändert von Elsa am 31.07.2012, 21:15, insgesamt 1-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 17.06.2012, 20:19

Liebe Elsie,

das ist ein feines Gedicht.
Das LI empfinde ich einerseits als starke und fordernde Persönlichkeit, aber auch als zart und verwundbar.
Diese Ambivalenz macht die Stärke deiner Zeilen aus.

Liebe Grüße
Gabi

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9468
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 18.06.2012, 09:44

Hallo Elsa,

die erste Strophe finde ich rundum gelungen. Von der Wellenbewegung des "sein einfach sein" bis zum Tonwechsel des Welleneinschub, den ich ganz wichtig finde.

Bei der zweiten Strophe gibt es jedoch zwei Stellen, an denen ich hängenbleibe. Das ist die Benennung der Schwäche, (gäbe es da nicht etwas, was das bildhafter und damit auch spürbarer zeigen könnte? Vielleicht ein Zittern?) aber vor allem das "genau", das mich stutzig macht. Warum kein "auch"?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 18.06.2012, 22:50

Danke, liebe Gabi, freut mich!

Liebe Flora, danke für die Überlegungen, ich werde da überlegen, könnte sein, für die Schwäche fällt mir was Besseres ein. Aber genau ist schon richtig, denn es geht nicht darum, auch zu lieben, weil jemand verletzt ist, sondern genau deswegen. Also die Schwäche nicht "auch" mit- und anzunehmen, sondern sie als wichtigen Teil der Persönlichkeit zu schätzen.

Liebe Grüße
ELsa
Schreiben ist atmen

jondoy
Beiträge: 1581
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 22.06.2012, 00:59

Hallo Elsa,

...hab einen Satz in Erinnerung, den vor längerer Zeit eine Salondame hier drin geschrieben hat, sinngemäß hieß er meiner Erinnerung nach, so dumm kann gar kein Kommentar sein, richtig dumm ist, überhaupt keinen Kommentar zu schreiben...in gewisser Weise eine extreme ansicht, es klang damals für mich fast wie ein Hilferuf...

so wie die titelzeile auf den Laufsteg tritt, schwungvoll und bestimmend, ´sprechend´ im Tonfall, so überraschend nimmt der Text auf mich als Leser schon kurz danach eine Wendung, der Einschub, der kurz darauf (zwei Zeilen tiefer im Text) folgt, wirkt auf mich beim ersten Lesen wie eine Wand, gegen die ich beim Lesen voll ancrashe, eine Verstandwand, da will dir einer was erklären, denk ich mir, Emotionalität und Verstand sehen sich mit großen Augen an, optisch als Einschub (´Gedankenblase´) zwar klar angezeigt, doch sprachmelodisch macht er den Text als Konstrukt für mich zum Zwitter, will sich der Text erklären oder will er sich beobachten,

hab mit dem Sprachrythmus des Textes meine Probleme, den Einschub, den Flora Tonwechsel nennt, sprachmelodisch wirkt dieser Übergang auf mich - nicht nur beim gedanklichen Nachsprechen, selbst schon beim bloßen Lesen) zu "hart", mit dem kann ich mich überhaupt nicht anfreunden, er wirkte auf mich beim erstmaligen Lesen irgendwie "besserwisserisch", nicht weich, wie der Text von seiner Grundstimmung her doch eigentlich sein will, wenn ich einen konstruktiven Vorschlag dazu machen sollte, würde ich diesen Übergang ein wenig abfedern, vielleicht mit einem Bindewort...~es sind biografische Angelegenheiten, die auch als narben durchgehen beim tiefer schürfen ~

Namaste, Stefan

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 22.06.2012, 09:10

Lieber Stefan, hallo!

Freut mich, wie sorgfältig du dich mit dem Text befasst, mir ist jeder Kommentar sehr willkommen, und du zeigst
mir wie auch Flora zweifellos die Textschwächen auf, daher habe ich nun ausprobiert, die fraglichen Stellen neu auszuprobieren und freu mich über Meinungen dazu:

---

und dann erst reden wir von liebe

lass mich sein einfach sein
wie ich geworden bin

~ biografische angelegenheiten sind das
die auch als narben durchgehen
beim tiefer schürfen ~


streichle die roten ränder
sieh mich in dem erbeben an
lächle leise und sag: merkwürdig
ich mag genau das an dir

dann reden wir von liebe

---

Liebe Dankesgrüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
Eule
Beiträge: 2055
Registriert: 16.04.2010

Beitragvon Eule » 22.06.2012, 10:25

Hallo Elsa, mir gefällt die (für mich) flüssiger lesbare, erste Version besser.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9468
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 22.06.2012, 12:00

Hallo Elsa,

die erste Strophe war für mich in der ersten Fassung wie gesagt rundum gelungen, für mich verliert es durch die Änderung, das "Aufweichen".

streichle die roten ränder
sieh mich in dem erbeben an
lächle leise und sag: merkwürdig
ich mag genau das an dir
Das "erbeben" verschiebt es für mich noch mehr in die Richtung, die auch beim "genau" schon für mich mitschwingt. Es klingt für mich, als wäre da ein Genuß dabei, ein Auskosten des Leidens, der Schwäche, ein "den anderen so sehen wollen". Was ist mit den starken Seiten des LIch, die für mich gerade in der ersten Strophe und durch den selbst-bewussten Ton des Gedichtes sehr präsent und spürbar sind?
Also die Schwäche nicht "auch" mit- und anzunehmen, sondern sie als wichtigen Teil der Persönlichkeit zu schätzen.
Ja, aber doch eben als Teil der Persönlichkeit? Diese alleinige Ausrichtung auf die Schwäche, die Narben, durch das sehr ausschließende "genau", (für mich ergänzt sich da zwischen den Zeilen wahrscheinlich auch das "und sonst nichts", weil das umgangssprachlich oft so verknüpft ist) hat für mich einen sehr seltsamen Beigeschmack, von beiden Seiten aus gesehen. Aber natürlich kann das dann trotzdem im Sinne des Gedichtes eine für LIch stimmige Definition von Liebe sein.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 22.06.2012, 15:12

Lieber Eule, oh, danke!

Liebe Flora, ah, ich verstehe, was du meinst, ok, das hab ich zuerst nicht richtig kapiert. Darüber muss ich nun nachdenken, denn es soll keine sado/maso Tendenz entstehen.

Liebe Dankesgrüße
Elsa
Schreiben ist atmen

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 22.06.2012, 16:27

Liebe Elsie,

die erste von dir eingestellte Fassung ist für mich genau richtig.
Ich kann beim besten Willen keine sado/maso-Tendenz daraus lesen, sondern lese es so, wie von dir intendiert:
die Schwäche(n)/Narben machen die Persönlichkeit des LI aus und diese soll das LyrDu lieben, erst dann kann das LyrDu wirklich von Liebe sprechen. Im Umkehrschluss: akzeptiert das LyrDu die Schwächen als primäres Charakteristikum des LI nicht, ist keine Liebe möglich.

Liebe Grüße
Gabi

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 22.06.2012, 19:25

Liebe Gabi, ich danke dir! Dann möchte ich mich jetzt gern an deine Lesart halten, die auch die meine ist *hüpf*

Euch allen lieben Dank, ich lass es, wie es ist.

Erleichterte Grüße
Elsa
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.06.2012, 09:06

Elsa hat geschrieben: ich lass es, wie es ist.


gute entscheidung!
/auch wenn ich mit dem gedicht inhaltlich nicht mitgehe, die darin versprachlichte ansicht so nicht teile/

liebe grüße,
mo

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 23.06.2012, 09:40

Danke, liebe Mo!

Klar hat jede/ persönliche Ansichten zu dem Thema Liebe.

Herzlich,
ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 23.06.2012, 15:29

Liebe Elsa,

ich überlege die ganze Zeit, ob es für mich den kursiv gesetzten überhaupt braucht.

Ich denke, Du willst doch hier vermutlich keine allgemeingültige Definiton von "Liebe" geben, sondern ein lyrIch beschreiben, dass mit den davon getragenen Blessuren wahrgenommen und geliebt werden will.

Für mich greift das schon, denn natürlich ist es leicht, die Stärken eines Menschen zu "lieben", das, was makellos ist, die Schönheit, etc.
Vielleicht ist das lyrIch in einer Lage der Verwundung, in der es die Stärken nicht (mehr) so vorzeigen kann, wo die Narben gefühlt dominieren und trotzdem die Sehnsucht bleibt, geliebt zu werden.

Für mich heißt das überhaupt nicht, dass nur das geliebt werden soll, sondern eher, dass sich daran erweist, was eine Liebe ist, die "überdauern" kann.

So lese ich Deinen Text.

Liebe Grüße

leonie


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 83 Gäste