Vom Träumen

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 04.10.2012, 22:46

Vom Träumen
und Erinnern.

Nur dass,
nicht was.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.10.2012, 00:08

Hallo Henkki,

ich wollte eben schreiben
Hm, "nur dass, nicht was" kenne ich vom Träumen. Aber nicht vom Erinnern. Oder meinst Du das Erinnern an Träume?


Aber noch während ich schrieb, merkte ich, dass das nicht stimmt. Ich kenne es von beidem.

Die vier Zeilen sind so schlank, dass sie eigentlich nichts erzählen, nur auslösen. Bei mir hat es geklappt. Gefällt mir.

Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 05.10.2012, 12:33

Danke Zefira,
stimmt, viel kürzer ging nicht. Das mit dem Erinnnern kann so offen bleiben, finde ich.
Grüße
Henkki

Sam

Beitragvon Sam » 05.10.2012, 17:20

Zefi, Henkki,

mir gelingt gedanklich die Anwendung des "dass" auf die Erinnerung als solche nicht. Rein auf Traumerinnerung bezogen passt es natürlich. Aber auch da gibt es ein "was", nur dass wir es nicht zu fassen bekommen. Eine hunderprozentige Anwendung findet die Aussage des Gedichts nur, wenn man die Tatsache berücksicht, dass wir jede Nacht träumen, ob wir uns nun daran erinnern oder nicht.

Generell braucht Erinnerung aber immer einen Bezugspunkt. Niemand sagt ohne irgendeinen Anstoß: "Ich erinnere mich, aber ich weiß nicht an was." Wird man z.B. nach der Einschulung gefragt, dann könnte die Antwort lauten: "Ich kann mich daran erinnern, aber nur sehr vage." Da verdrängt dann das "dass" das "was", wobei ohne ein Quentchen "was" überhaupt keine Erinnerung möglich wäre.

Zum Gedicht: Auf das Traumerinnern bezogen finde ich es in seiner Kürze gelungen. Die Erweiterung auf das Erinnern generell gelingt mir aus oben genannten Gründen aber nicht. Es bleibt für mich "eindimensional", dementsprechend ist das Lesen und Beschäftigen damit eher ein "kurzes" Vergnügen.

Gruß

Sam

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.10.2012, 17:51

Ich sehe es vielleicht ein bisschen großzügiger als Sam. Das "nur dass" ist ein Fetzen Erinnerung, nicht viel mehr als ein Gefühl, dass da etwas war. Gerade in bezug auf Träume geht es mir oft so. Beim Aufwachen ist ein Rest des Traums im Bewusstsein, ähnlich wie der Zipfel eines Stoffstücks. Ich versuche daran zu ziehen, aber der Zug am anderen Ende ist stärker. Zurück bleibt nur das vage Gefühl, dass da etwas war - es kann sehr wohlig sein, oder auch beunruhigt, je nachdem.

Ähnlich geht es mir auch manchmal mit Erinnerungen.

Grüße von Zefira
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Beitragvon Zakkinen » 05.10.2012, 23:37

Hallo Sam,
Freut mich, dass es in dem für mich wichtigsten Teil auch für Dich aufgeht. Der Ursprung ist der Traum und die Unfähigkeit, ihn zu halten. Zunehmend. In der Erweiterung gilt das, wenn auch nicht ganz so stark, inzwischen auch für Erinnerungen, auch zunehmend. Ich weiß, da war was, ich wollte mich erinnern, ich habe mal erinnert, nun ist noch die Erinnerung an die Erinnerung übrig, aber nicht mehr die Erinnerung selber. Das alles ist mir aber auch erst zu der hier stehenden zweiten Fassung eingefallen. Vorher hieß die Zeile: 'ich erinnere'.
Ist nur eine kleine Momentaufnahme, keine tiefgründene Überlegung. Und darf daher auch mit kurzer Wirkung so stehen bleiben.
Die Tatsache, dass es mit mit Erinnerungen inzwischen manchmal so geht wie mit Träumen, dass das 'was', an das ich mich erinnere nur noch das 'dass' ist, dass also quasi eine Sekundärerinnerung bleibt, finde ich faszinierend. Und wie Zefira, manchmal beunruhigend.
Liebe Grüße
Henkki

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Beitragvon birke » 06.10.2012, 10:35

einfach nur: JA.
da hast du ein phänomen sehr schön auf den punkt gebracht. :daumen:

Die Tatsache, dass es mit mit Erinnerungen inzwischen manchmal so geht wie mit Träumen, dass das 'was', an das ich mich erinnere nur noch das 'dass' ist, dass also quasi eine Sekundärerinnerung bleibt, finde ich faszinierend. Und wie Zefira, manchmal beunruhigend.


ja, faszinierend und beunruhigend ... und es geht mit den erinnerungen definitiv manchmal so wie mit den träumen. ganz bestimmt gibt es zb kindheitserinnerungen, die so verschüttet sind, dass da ein vages "dass" ist - aber wohl kein "was" mehr.

gern gelesen!

lg, diana
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 06.10.2012, 10:44

Das Problem ist dann halt auch oft, dass man eine Erinnerung erfindet, um der Beunruhigung Herr zu werden ... und sie (auch vor sich selbst) als echt ausgibt.

Grüße von Zefira
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Gerda

Beitragvon Gerda » 27.05.2013, 13:20

Ich hatte mir zeitnah ein Lesezeichen gesetzt. Heute nun erst finde ich diese Lesezeichen ... auch mangelndes Erinnerungsvermögen. Beim neuerlichen Lesen dieses kurzen Verses war ich dann wieder "ganz" da ... ;-)

Ja und Ja und Ja, selbst, wenn die Erinnerung erfunden werden sollte (ich denke u. a. auch an Demenzkranke) stimmt dein kurzes aber umso einprägsameres Resümee.

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon Zakkinen » 31.05.2013, 23:14

Danke, Gerda,
das mit den erfundenen Erinnerungen sollte man sich noch mal vornehmen. Ist ein Aspekt, der interessante Fragen aufwirft. Neulich, als dieser Film über den Krieg und die Elterngeneration lief und diskutiert wurde, musste ich auch oft an erfundene Erinnerung denken. Hat aber nicht viel mit dem hier zu tun, gebe ich zu.
Grüße
Henkki

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 02.06.2013, 12:17

Ja,

ich selbst konnte nach viel Angstrengung nichts damit anfangen, obwohl ich ahnte, ich ahne, dass dahinter sich ein Leckerbissen für Denker wie Ortega y Gasset oder Adorno verbirgt.

Das Lesen der Kommentare hat mir weiter geholfen

Ich selbst möchte auf das Phänomen aufmerksam machen, dass man sich an etwas erinnern will, von dem man weiß, dass es in unserem Gedächtnis existiert, aber das Gesuchte, wie ein störrisches Kind, verschanzt sich in seiner Zelle und weigert sich, herauszukommen. Gerade wenn wir aufgeregt sind und dringend einen Namen suchen, fällt uns dieser nicht ein. Oder warum man sich an Witze nicht erinern kann ... Hier habe ich die Vermutung, dass wir uns selbst nicht wirklich daran erinnern wollen, um ums nicht beim schlecht Erzählen zu blamieren.

Das eigentliche Thema aber ist nicht das, sondern der Unterschied zwischen "dass" und "was" ...

Der Witz und der Traum hängen eng zusammen, darüber hat Freud geschrieben.

In diesem Zusammenhang kann ich das Buch "Auf der Suche nach dem Gedächtnis", von Eric Kandel, empfehlen. Dieser Wissenschaftler hat sich sein Leben lang mit diesem Phänomen beschäftigt.


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