Wenn einer stirbt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rita

Beitragvon Rita » 28.09.2013, 10:40

Wenn einer stirbt

Da stirbt der arme Mann ganz unverhofft.
Als ob man hoffen müsste auf sein Sterben,
bloß Illusionen, sonst gibts nichts zu erben.
Passiert bei kleinen Leuten reichlich oft.

Der gute Mensch, dass er schon gehen musste!
Die Hinterbliebnen fangen an zu greinen.
Mit Mienen, die am Grabe fast versteinen,
verwimmert man den Tod mit viel Gehuste.

Nur der Kanarienvogel piept ganz heiter,
auch keine Uhr im Hause bleibt jetzt stehen.
Kaum jemand fragt: Wie soll es weitergehen?
Denn irgendwie geht es doch immer weiter.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 28.09.2013, 14:40

Rita, ganz ehrlich: Das finde ich nicht lustig. Am schlimmsten finde ich das greinen und das verwimmert.

Da kommt ein ganz biederer "Humor" rüber für mich, dem ich mich nicht anschließen kann.

Rita

Beitragvon Rita » 28.09.2013, 16:12

Hallo Amanita,

ich wusste nicht, dass dich der Tod eines Menschen, vom dem ich hier schreibe, so erheitern kann, dass du diesen Text als "biederen Humor" verstehst. Mir fällt das nicht zum erstenmal auf, dass du einen Text nicht wirklich begreifst. Auch das Lesen von Gedichten will gelernt sein. Ich mache dir keine Vorwürfe, aber etwas erstaunt bin ich denn doch.

Lieben Gruß, Rita

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 28.09.2013, 16:23

Waaas? Das meinst Du ernst?




"Mir fällt das nicht zum erstenmal auf, dass du einen Text nicht wirklich begreifst." - Schade, da krieg' ich wohl nur 'ne Vier.

"Auch das Lesen von Gedichten will gelernt sein." J-j-ja, ich bin bloß Autodidaktin.

pjesma

Beitragvon pjesma » 28.09.2013, 16:48

hallo rita,
ich finde das unbehagen im berührung mit dem tot gut gefangen (hüsteln), verstellen, falsche betroffenheit, nicht wissen wie sich benehmen usw . nur die erste strofe will mir gar nicht gefallen, sinngemäß stimmt da was nicht...bzw. nach sterben in zweiter zeile könnte ich mir einen punkt vorstellen und dann "Bloß..." als neuer satz. ", dann wäre es sinnvoller, bzw. verständlicher.
"sonst" stößt mir falsch auf...und die vierte zeile ist...naja.
lg, pjesma

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birke
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Beitragvon birke » 28.09.2013, 23:09

hallo rita, gestatte mir nur eine frage:
was eigentlich willst du mit diesem text aussagen?

gruß,
birke
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 29.09.2013, 08:28

"Passiert bei kleinen Leuten reichlich oft" und "Der gute Mensch, dass er schon gehen musste" und "Nur der Kanarienvogel piept ganz heiter" sind *nicht* humorvoll gemeint? Was denn dann?

Nifl
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Beitragvon Nifl » 29.09.2013, 09:44

Für mich beschreibt der Text das "kleine" Sterben. Otto Normal verlässt die Bühne, nein, er war nie auf der Bühne. Es ist, als hätte die Erde kurz ihren Schlund geöffnet und einen Menschen verschwinden lassen und schon ist wieder Gras drüber gewachsen. Es fehlt die große Aufregung, der Bundespräsident war nicht Gast wie bei RR. Der Text zeigt gemein, wie es bei den meisten von uns ablaufen wird und das schmeckt bitter, das ist geradezu unverschämt, weil der eigene Tod für fast jeden doch die größte Katastrophe ist, die man sich vorstellen kann, da müsste doch wenigstens die Uhr stehenbleiben und der Kanarienvogel -das Lebewesen, mit dem man die meisten Stunden des Restlebens verbrachte- trauern. So lese ich den Text.

Der gute Mensch, dass er schon gehen musste!
gefällt mir nicht so, auch wenn es hier wohl als Trauerphrase/Plattitüde gesetzt ist, da es sich für mein Lesen um einen alten Menschen handelt.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 29.09.2013, 14:18

Also ich find das ganz gelungen, der Reim passt hier, der nonchalanten Ton zum Inhalt. So dramatisch schwarz scheint mir der Humor auch gar nicht, die zynische Note ist ja Thema des Textes. Hier wird routiniert gereimt wie getrauert, eher selbstmitleidig von den Hinterbliebenen gewimmert und zur Tagesordnung übergegangen. Keine große Sache, aber auch von der Form her klein gehalten.
Würde für mich eher in der Satire-Ecke passen.
Grüße
Räuber

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 29.09.2013, 18:02

Hallo,

mir scheinen Sinn und Intention recht klar - wie Nifl schrieb, das "kleine" Sterben. Keine Katastrophe, nur einfach weg, nichts bleibt, nicht mal was zu erben. Aber was die Form angeht geht es mir wie Amanita. Es will nicht passen. Die Reime scheinen mir gezwungen, Worte gewrungen um sie zu erreichen, der Rythmus ein wenig holprig. Es erinnert mich zu sehr an die Gedichte, die zu Geburtstagen, Hochzeiten und Jubiläen gern verzapft werden. Und die sollen lustig sein, meist jedenfalls. So liegt für mich auch diese Assoziation nahe. Mir persönlich würde eine nüchterne Herangehensweise eher zusagen.

Das ...
Mir fällt das nicht zum erstenmal auf, dass du einen Text nicht wirklich begreifst. Auch das Lesen von Gedichten will gelernt sein. Ich mache dir keine Vorwürfe, aber etwas erstaunt bin ich denn doch.

... find ich unnötig als Reaktion.

Grüße
Henkki

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 05.04.2014, 10:55

Einen "biederen Humor" kann ich hier nicht erkennen, eher eine Spur Zynismus.

Ich habe aber ein Problem mit der Aneinanderreihung verschiedener Motive.

Da wird bedauert, daß es nichts zu erben gibt,
da ist die Verlegenheit, dieses Unvermögen am Grab die richtigen Worte zu finden,
das greinen,

Da vermischen sich für mich echte und aufgesetzte Trauer. Du beschreibst dort verschiedene Haltungen zum Tod / dem Toten die m. E. nicht ins selbe Gedicht gehören, bzw. deutlich getrennt beschrieben werden sollten.


Sprachlich bringe ich die ersten beiden Zeilen nicht zusammen.
"unverhofft" bedeutet doch plötzlich, unerwartet. Warum hätte man es also hoffen sollen? Das macht eigentlich nur bei schweren Krankheiten Sinn, aber dann ist es nicht mehr unerwartet. Aufs Erbe wurde sicher auch nicht gehofft, wenn er schon als arm bezeichnet wird. Ich glaube da bist du zu schnell dem Reiz eines Wortspiels erlegen.

Etwas verwundert bin ich über die Kommentare, die dort Selbstmitleid und Anteilslosigkeit unterstellen.
Ja, beim "kleinen Mann" kommt nicht der Bundespräsident zur Trauerfeier. Aber ich denke auch, daß bei den großen Staatsbegräbnissen oft mehr Heuchelei im Spiel ist als auf kleinen privaten Beerdigungen. An der Zahl der Besucher wurde ich die vorherrschende Haltung jedenfalls nicht festmachen.


Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 20.09.2014, 16:11

Lieber Zaunkönig und alle,

nein, das ist ein bitterernster Text. Mit Zynismus oder Komik hat er auch nichts zu tun, sondern eher mit Mitleid, mit Trauer darüber, was der Mensch wert zu sein scheint. Arm muss nicht immer heißen, dass der Mensch kein Vermögen hat, er kann auch arm im Geiste sein, und wenn ich von kleinen Leuten rede, dann meine ich die, denen man das Sagen in der Gesellschaft abspricht. Außer Illusionen nichts zu erben: Und wer schon mal Auseinandersetzungen zwischen Erben erlebt hat, weiß, wovon ich hier spreche. Das Gedicht hat einen traurig-ironischen Grundton, der von einigen hier mit Zynismus verwechselt wird. Wie traurig ist allein der Vers: "Nur der Kanarienvogel piepte heiter". Hat das niemand bemerkt?

Noch ein Wort ganz allgemein:
Das ist ein gereimtes Gedicht, wofür es meiner Ansicht nach hier in diesem Forum wenig Verständnis gibt, als wäre das Reimgedicht etwas, was man nicht schreiben sollte, weil es ein Gedicht zweiter Klasse ist. Aber gerade das gereimte Gedicht verlangt vom Autor etwas, nämlich die Kenntnis des Handwerks. Für mich ist das Beherrschen des Handwerks geradezu Grundlage gewesen, die Möglichkeiten der freien Rhythmen ausschöpfen zu können.

Sorry, dass ich jetzt erst darauf zurückkomme.

Lieben Gruß, Cora

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 20.09.2014, 20:27

Tja, da ist wieder alte Frage nach dem Primat von Gemeintem und Gelesenem. Hat der Autor immer recht? Ich stecke bei meinen Sachen im Autor-Blick relativ fest, es kostet mich sehr viel Mühe und gelingt eigentlich immer nur unvollkommen, die Leser-Perspektive einzunehmen.
Hier ist schon der erste Vers, mehr noch der vierte von einer recht distanzierten Sprechhaltung getragen, quasi von 'weit oben', sehr auktorial auf das Geschehen blickend, einordnend, deshalb wirkt das 'arme Mann' eben nicht herzlich-mitfühlend, sondern humorig-flappsig. Auch deine Interpretation von der Kanarienvogel-Zeile - ich fürchte, das ist eine typische Autoren-Engsicht, du wirst kaum Leser finden, die das als traurig empfinden, vor allem weil es über den Reim an das saloppe 'geht immer weiter' gekoppelt ist, einer der endlos langen Liste von Fallstricken, die Reime nun mal über Gedichte werfen. Ein bitteren (verstecken) Unterton hat das Gedicht, ja, aber ein "bitterernster Text" ist es, glaube ich, in seiner aktuellen Form nur für dich.
Meine Vorbehalte richten sich nicht gegen den Reim als solchen, sondern gegen die traditionellen Reimschemata für ganze Gedichte, alles im Kreuzreim, Paarreim etc, diese Dinge. Das ist sicherlich ein nichttriviales Handwerk, aber es ist für mich ein bisschen wie z.B. das Blues-Schema in der Musik: gut zu können, gute Grundlage für weite Bereiche aktueller Musik, aber die Forderung, das Blues-Schema harmonisch exakt einzuhalten und gleichzeitig aktuelle Musik zu schreiben wäre in sich widersprüchlich.


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