oktober

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 20.10.2013, 13:21

seelenschlacke, jahralt

jahralte schlacke
durch die scharniere der zeit gepresst
mäandert ins knochenland

diesmal zwischen tibia und femur
sich verkapselnd, resonanzlos
auf metallische klopfzeichen

versteifender schmerz und nur
dein gelenkiges wort
das /gelegentlich/ lindert



/c/ mk, 20/10/13
Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2013, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 20.10.2013, 20:55

Das mag ich sehr, auch die Fremdworte passen gut in die Struktur. Könnte mir nur das erste Wort reduziert vorstellen, Schlacke allein evoziert die andere Lesart für mein Gefühl bereits genug.
Grüße
Räuber

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 20.10.2013, 21:36

ich bin froh, dass das "durchschmerzt" gegangen ist. die worte "tibia" und "femur" üben einen eigenartigen reiz aus. dem klang nach sind sie für mich ferne, fremde länder, keine schnöden knochenbezeichnungen.

wenn strophe zwei einen engeren bezug zu strophe eins hat, müsste sie auf die frage WOHIN? antworten. dann fehlt nach meinem dafürhalten ein satzteil. ("diesmal AN EINEN ORT, zwischen tibia und femur...")
wenn ein neuer gedanke aufgenommen wird, kann ich der vorliegenden fassung folgen, die denkkette scheint mir dann allerdings unterbrochen.

"gelenkiges wort" - interessanter neologismus.

lg
a

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 21.10.2013, 10:22

Ein Herbstgedicht, ein Liebesgedicht ...
Die Dichterin empfindet in dieser Jahreszeit Schmerzen an der Articulatio Genus.
Der Vers "auf metallische Klopfzeichen" könnte ein Hinweis auf eine vorangegangene Operation sein.
Sehr plausibel die zwei Kommentare zu dem Gedicht, ich bin trotzdem anderer Meinung.
Ich persönlich finde ein hinweisendes Wort zu dem Ort des Schmerzes nicht notwendig, nicht bei einem Lyrischen Stück.

Und Beim Wort "Seelenschlacke" die Seele zu streichen wäre das Gedicht ihres Sinns berauben. Die Autorin sagt ja klar und deutlich, dass es die Seelenleiden des Lebens es sind, die sich einen Weg sogar zu den Knochen gebahnt haben. Es gibt ja auch "psychosomatische" Schmerzen. Psyche=Seele, Soma=Körper. Körper und Seele sind im Grunde untrennbar.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.10.2013, 18:46

Hallo Monika,

auch ich bin froh, dass du das "durchschmerzt" aus dem Titel gestrichen hast.
Ein gelungenes Gedicht, in dem du Begriffe aus der Orthopädie geschickt verwebst. Einzig das "mäandert" kann ich nicht mehr hören bzw. lesen. Das wird mittlerweile m.E. einfach zu oft verwendet. Vllt. findest du dafür ein anderes Wort?

Liebe Grüße
Gabi

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birke
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Beitragvon birke » 21.10.2013, 20:27

hui, das ist stark, meine liebe.

„ungelenk“ im positiven sinne - also doch "gelenk"! lenkst du den leser durch den text.

(ich neige dazu, dem räuber recht zu geben – die „seele“ am anfang scheint auch mir tatsächlich überflüssig, zum einen öffnet es den text noch mehr, und zum anderen ist es auch so völlig klar, was mit „schlacke“ hier gemeint ist.
aber das mäandert ... das passt so gut - ich finde das wort ja toll (und es kommt doch immer auf den kontext an, in dem man bestimmte wörter verwendet) - und selbst wenn ich es oft läse, würde es mich nicht stören!)

alles liebe,
deine di
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

scarlett

Beitragvon scarlett » 22.10.2013, 10:04

ich danke euch allen für die rückmeldungen, anmerkungen und die anerkennung.

räuber, ich denke auch schon FAST, dass du mit der seelen_schlacke recht hast, bin aber noch nicht ganz fertig mit denken :-)

ich meine, carlos, dass der zusammenhang seelisches als körperlicher schmerz dennoch klar bliebe, wenn ich die seele vor der schlacke streichen würde.
die metallischen klopfzeichen könnten schon so gelesen werden, ich dachte allerdings im zusammenhang mit resonanz eher an eine ganz bestimmte untersuchungsmethode ...

ferner meine ich auch, liebe a., dass das "zwischen" als ort/sbezeichnung dient- dass es da nichts zusätzliches braucht. schön, dass sich die fachwörter wie bezeichnungen lesen, dass es nach flüssen, ländern o. ä. klingt. ich empfinde die beiden auch als sehr klingende wörter, in ihrem kontrast dem inhalt förderlich.

natürlich könnte ich z. b. "sickern" nehmen, gabi, aber ich versuche mich seit jahren immer wieder mal am mäandernd, da ich das wort mag, verstehe aber deinen einwand sehr gut. es wird wohl bleiben.

und ja, liebe di, das ungelenkige gelenk- genau, zwischen tibia und femur das knie.
hab vor allem dank dafür, dass du mich zum überdenken des "durchschmerzt" gebracht hast und letztlich für dessen tilgung verantwortlich bist.

liebe grüße euch allen aus einem völlig durchschmerzten :-) oktober,
eure scarlett/mo

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 25.10.2013, 09:37

Hallo Scarlett,

wie ich sehe, du hast die "Seele" noch nicht gestrichen ...

Mittlerweile neige ich dazu, sogar das Wort Schlacke zu streichen, es durch ein anderes Wort wie "-leiden" zu ersetzen.

Wie dem Auch sei, wenn man "Schlacke" alleine stehen lässt, reduziert sich das ganze auf ein rein physikalisches Phänomen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich dieses Wort "Schlacke" nicht mag, aber das ist natürlich eine ganz subjektive Sache, vielleicht liegt es an meinem ursprünglichen, immer noch tief verwurzelten Ausländerdasein.

I hope your articulatio genus is doing better,

Carlos

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.10.2013, 19:59

salut carlos,

nein, ich bin immer noch nicht fertig mit denken, genauer gesagt, fang ich jetzt gerade erst wieder damit an, nachdem der schmerz seine pole-position verloren hat :mrgreen:

das problem ist, dass ich schlacke als wort mag, das wird auf jeden fall bleiben. das klingt so richtig nach dem, was es beschreibt, finde ich ...

quant à l´articulatio genus - ca va mieux, hélas!

scarlett

scarlett

Beitragvon scarlett » 27.10.2013, 15:04

so, nun steht oben eine vorläufige neue variante ...

ich glaube, damit könnte ich mich tatsächlich anfreunden.

scarlett

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.10.2013, 23:03

Liebe Scarlett, warum nicht

schlacke, jahralt?

scarlett

Beitragvon scarlett » 27.10.2013, 23:12

gefiel mir irgendwie nicht sooo ... liebe amanita, is auch eine silbe kürzer ...
aber im grunde ginge das natürlich wohl genauso ... *kopfkratz*

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 27.10.2013, 23:15

diese Wortstellung gefällt mir besser und kommt doch Deiner ursprünglichen näher...

scarlett

Beitragvon scarlett » 28.10.2013, 07:48

das stimmt schon, aber die betonung ist jetzt eine andere durch den wegfall der "seele" ...

schlacke, jahralt - betont/unbetont, betont/unbetont - das ist bissi hart, abgehackt

jahralte schlacke - betont/unbetont/unbetont, betont/unbetont - der daktylus macht es weicher, finde ich

however, ich lass es mal so, wie es jetzt ist.

merci!


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