Kein Kranichtanz

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wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 27.10.2013, 09:25

Kein Kranichtanz

Das Einkehren im Herbst war ganz anders
die Menschen begrüßten sich leiser
wie Trauernde verwachsen und weiser
Entlaubte begriffen einander

verfolgten spannenden Auges das Treiben
wie Flammen im Wasser verzischten
flackernd und kläglich an halbrunden Tischen
den Mond lang wollt niemand bleiben

Am Morgen verteilten die Frauen ganz frische
Kastanien und sangen die uralten Lieder
ein Blick in den Himmel die Kinder entwischten

kehrten erdigen Schweigens im Frühling wieder
(kein Kranichtanz nur graue Nacht dazwischen)
tauchten ein in den gemeinem Flieder

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 27.10.2013, 16:42

Hallo, Wolf,

ein starker Text, der eine Herbstatmosphäre entstehen lässt, die so ganz anders ist, als viele Gedichte zu dieser Jahreszeit. Da sind ein paar surreale Wendungen, die mir besonders gefallen:

"Entlaubte begriffen einander"
"erdigen Schweigens"

Dass dieses Sonnett metrisch nicht ganz glatt ist, hast du sicher beabsichtigt und dadurch wird der Lesefluss tastend, was ich sehr passend zum Inhalt finde. Gleiches gilt für die unreinen Reime. Dennoch könnten die erste und die letzte Strophe für mein Empfinden kleine Änderungen vertragen, damit sich doch noch ein Rhythmus einstellen kann:

Das Einkehrn im Herbst war ganz anders
die Menschen begrüßten sich leiser
wie trauernd verwachsen und weiser
Entlaubte begriffen einander

kehrn erdigen Schweigens im Frühling wieder
(kein Kranichtanz nur graue Nacht dazwischen)
zum Eintauchen in den gemeinem Flieder

Viele Grüße
fenestra

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 27.10.2013, 17:06

Hallo fenestra,
danke sehr.
zu Deinem Vorschlag: dann wäre es aber Präsens, was es nicht sein soll.
Aber vielleicht "kamen", weil dann die Silben nicht so stark betont werden wie bei "kehrten".
Vor dem letzten Vers könnte ich vielleicht "und" setzen.
Und "trauernd" ist besser, da hast Du recht.

Grüße
Wolf

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.10.2013, 19:41

Hallo Wolf,

dieses Bildhafte in deinem Gedicht finde ich klasse. Die unsauberen Reime und diese isch-Laute haben eine faszinierende Wirkung auf mich.

Saludos
Gabriella
P.S: Sehr einladender Titel!

wolpertinger

Beitragvon wolpertinger » 28.10.2013, 19:58

Danke, Gabriella, das freut mich sehr.
Grüße
Wolf


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