Einmal noch

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 31.10.2014, 08:23

Einmal noch
dem Kind Märchen erzählen
seinen Blick ablenken
von den Vögeln
die auf der Straße herumlaufen
als würden sie
sich von meinen falschen Worten
ernähren








Ursprungsversion:

Einmal noch
dem Kind Märchen erzählen
den Worten vertrauen
dass sie sich aneinander reihen
zu einer Geschichte
die alles aufhebt
für diesen einen
schwebenden Moment.
Zuletzt geändert von Xanthippe am 01.11.2014, 09:39, insgesamt 1-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 31.10.2014, 08:54

Hallo Xanthippe,

ein Text, der mit einer spannenden Widersprüchlichkeit aufwartet. "auf Märchen vertrauen", man möchte fast das Kind vor diesem Erzähler schützen, bis es selbst sagen kann: erzähl doch keine Märchen!
Leider wird diese Spannung so gar nicht märchenhaft dann gleich in ein banales, behauptetes, schwaches Ende getrieben, als sei der Autorin die Luft ausgegangen.

Gruß
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 31.10.2014, 15:20

Hallo xanthi,
Mir geht es ganz und gar nicht so. Ich finde den anfang und den schluss stark. Jedes auf eine andere weise. Was mir auffällt, ist, dass es nicht so recht fließen will. Dem vertrauen würde ich beispielsweise das "ver..." nehmen. Das machts an der stelle geschmeidig und sinnunverändernd.
" dass sie sich aneinanderreihen" die mitte des textes. ....sie bremst. Da würd ich etwas anderes versuchen.

Beste grüße-niko
Zuletzt geändert von Niko am 31.10.2014, 15:32, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 31.10.2014, 15:21

Doppelposting.....sorry

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 31.10.2014, 20:41

Hallo Xanthippe!

Die beiden letzten Zeilen sind schwach, wirken wie schon gehört; wie von der Stange, wo man als Leser etwas maßgeschneidertes erwartet. Fast scheint es mir, der Text wirkte stärker, fehlten sie einfach?!

Die drittletzte ... Hm. Könnte man da nicht die Vieldeutigkeit von "aufheben" stärker umsetzen? "Aufsammeln", "aufbewahren", "außer Kraft setzen" - da steckt ja viel drin, was in diesem Zusammenhang passen könnte.

Gruß,

Ferdi
Zuletzt geändert von ferdi am 01.11.2014, 00:50, insgesamt 2-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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birke
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Beitragvon birke » 01.11.2014, 00:47

hallo xanthippe,

für mich ein gelungener text, der mir sagt: für einen moment noch mal alles böse/ verletzende ausblenden. wie wäre das schön!

denke ich jedoch weiter, wird er für mich komplex/ zwiespältig;
denn an sich transportiert ja ein märchen keine "heile welt".
allerdings eine "fiktionale welt".

(seltsamerweise dachte ich als kleines kind, dass es "böse menschen" nur in märchen/ geschichten gäbe, aber nicht in der realität. !) insofern hatten märchen für mich etwas tröstliches. wenn auch auf etwas seltsame art ;-)

die letzten beiden zeilen würde ich glaub ich auch streichen, da das an sich schon im text, schon im titel! steckt.

lg
birke
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

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nera
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Beitragvon nera » 01.11.2014, 01:45

ich lese das "kind" als kind in sich selbst, also den wunsch, selbst nochmal wie ein kind die märchen zu hören,zu glauben. und damit auch der sprache, den worten vertrauen, trauen. die letzten zeilen sind aber schon deshalb so erwachsen, weil sie diesen wunsch schon zeitlich zu einem minimum begrenzt. ich denke mal, hier liegt der spannungsmoment?

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 01.11.2014, 09:37

vielen Dank für eure zahlreichen Rückmeldungen. Die letzten Zeilen sind tatsächlich übererklärend und damit überflüssig. Das sehe ich vollkommen ein. Und insgesamt ist es ein eher schwacher Text, weil er so entsetzlich deutlich ist. Das passiert mir neuerdings ständig. Ich habe mal versucht das ein wenig zu ändern. In der zweiten Version. Vielleicht hat der eine oder die andere von euch Zeit und Lust, sich auch diese einmal anzusehen.
Spannend übrigens, Nera, dass Du diesen Aspekt hineinliest, vom eigenen, inneren Kind, das geht leider mit der zweiten Version verloren.

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birke
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Beitragvon birke » 01.11.2014, 10:21

ja!
gut an der neuen version finde ich, dass du jetzt mit den vögeln ein märchenhaftes element mit hereinbringst.
außerdem klingt ein "herumlaufen wie falschgeld" an.
insgesamt eben metaphorischer als die erste version.
(dennoch finde ich auch diese immer noch gelungen, ohne die letzten beiden zeilen.)
lg,
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pjesma

Beitragvon pjesma » 08.11.2014, 18:03

das ist mir glatt entgangen ;-)
liebe xanty, das sind für mich zwei ganz andere gedichte ;-), verbunden zwar mit dem selben, gedachten satz "alles wird gut// und sie lebten fortan"...in dem ersten gedicht (neufassung) ist weniger hoffnung drin, ein schlechtes gewissen gen lügen/verschönern, mehr angst und ungewissheit, düsterheit, schlechte erwartungen an die zukunft. die ursprungsversion gefällt mir besser...bzw. die botschaft ist mir lieber, weil da dieser moment aufgefangen ist "des aufhebens", glücksmoment...und hoffnung für die zukunft, die wenn auch düster, auch solche schwebende momente in sich trägt die man in einer sekunde erkennt und durchfühlt...
lg

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 15.11.2014, 19:13

liebe pjesma, sehr interessant, wie du die hoffnungslosigkeit in den zwei fassungen empfindest. ich hatte tatsächlich das gefühl "nur" etwas bildhafter zu werden mit der neuen version. dieser schwebende moment ist es, der den unterschied macht für dich, nicht wahr? ja, das leuchtet mir ein... tja, was fange ich nun an, mit zwei gedichten, bei denen jedes mal nur eine sache wirklich gut funktioniert? :rolleyes:
dir jedenfalls herzlichen dank für die rückmeldung
xanthi

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 24.11.2014, 11:21

Hallo Xanthi,
Und insgesamt ist es ein eher schwacher Text, weil er so entsetzlich deutlich ist.

Einmal noch
dem Kind Märchen erzählen
den Worten vertrauen
dass sie sich aneinander reihen
zu einer Geschichte
die alles aufhebt


In dieser Fassung, ohne die beiden letzten Zeilen, verliert es für mich diese Deutlichkeit, die zu sehr einengt. Ohne es benannt zu haben, entsteht dieser schwebende Moment, eben weil die Dinge „aufgehoben“ werden. Auch die Fragen um das Märchen, das Vertrauen, das Aufheben, was für eine Hoffnung, Sehnsucht das eigentlich ist, sind für mich nicht so eindeutig.

Für mich ist die zweite Version auch eine ganz andere. Sie ist zwar bildhafter, aber das gibt mir hier nichts dazu, sondern verschiebt nur das Bild. Durch das „falsche“ und das „ablenken“ wird das Märchen festgelegt. Es bleibt kein Raum mehr auch das Schöne daran zu sehen, das Erzählen selbst, die Aufmerksamkeit des Kindes. Der schwebende Moment, die Zugewandtheit der ersten Version wird hier für mich durch eine Bitterkeit ersetzt, der Fokus verschiebt sich auf das LIch und seine negative Sicht. Auch die Stimme geht bei der neuen Version am Ende nach unten. Insofern ist das schon auch stimmig.

Aber mir ist die gekürzte erste Version lieber. :)

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)


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