wo ist ihr mann

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 20.07.2016, 10:27

fragte ich die bäckersfrau
sie murmelte ein wort
sah meine fragenden augen
wiederholte es
moschee
fügte beten erklärend hinzu
ich zahlte
bestellte grüße
taumelte
beim weggehen
in der unerträglichen hitze
Zuletzt geändert von Klimperer am 21.07.2016, 19:40, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
nera
Beiträge: 2216
Registriert: 19.01.2010

Beitragvon nera » 21.07.2016, 15:21

tja, ich kenne auch einige sehr aufgeklärte menschen, die beten....aber die krankenschwester in mir fragt natürlich sofort: haste genug getrunken bei der hitze....?

Niko

Beitragvon Niko » 21.07.2016, 16:56

Klugscheißerischer Einwurf
"fügte hinzu" statt "fügte dazu"

....Bin schon weg......Niko

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 21.07.2016, 19:16

Ich hatte schon beim ersten Lesen den Verdacht, dass es hier um die Gemütslage der Bäckerin geht: Sie murmelt die Antwort "Moschee" in sich hinein, muss das Wort wiederholen, weil der Sprecher des Gedichts es nicht verstanden hat, und fügt gleich "erklärend" hinzu, der Mann will bloß beten - irgendwie hört es sich für mich an, als ob die gute Frau sich kaum traut zuzugeben, dass ihr Gatte seinen Pflichten als frommer Muslim nachkommt. Gründe zum Taumeln gibt es derzeit vielerlei, nicht nur die Hitze.


Ja, natürlich, das habe ich auch von Anfang an so gelesen, nichtsdestotrotz íst das aus der Perspektive des Bäckereibesuchers geschildert und das Ganze erzeugt dann doch, was der Leser wiederum denkt, was der Text erzählen möchte. Und da genau entsteht für mich das ungute Gefühl in mir, dass das komisch ist, wie der Text das macht.

So, dann hatte ich beides in der Hand, wusste nicht, was ich zuerst essen sollte, das, und die herrschende Hitze verursachten bei mir eine Art Unbehagen, das mich zum Taumeln brachte.


Also sind alle bisher geäußerten Annahmen, worauf der Text hinauswill, falsch?

Ich verstehe nicht genau, warum du das jetzt so erzählst. Das "taumeln" gehört doch zum Titel und zum "murmeln, das soll doch was mitliefern - wenn es das nicht soll, läuft der Text offensichtlich schief? Wenn es nur darum geht, eine kleine, nette Begebenheit zwischen verschiedenen Kulturen zu schildern, in der vielleicht nicht alles verstanden wird, man sich aber versteht, dann schafft der Text das so, wie er jetzt dasteht, nicht.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 21.07.2016, 20:36

Mir ist bewusst, dass nicht die Verse an sich, sondern das behandelte Thema die aufmerksamkeit erregen.

Es ist eine Gratwanderung. Ich versuche, so zu schreiben, dass der Leser selbst das liest, was ich eigentlich sagen will.

Nicht die Hitze sondern Ratlosigkeit, Ohnmacht lösten in mir dieses Taumelgefühl aus.

Vielleicht kann man eine Sprache erfinden, womit man sich ausdrücken kann, ohne sich selbst und Andere zu gefährden?

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6756
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 21.07.2016, 20:59

Klimperer, ich finde, Du änderst Deine Erläuterungen zu oft, wie das Fähnchen im Wind. Ist mir jetzt schon ein paar Mal aufgefallen. Welche Deiner Erläuterungen kann man da noch ernst nehmen? Warum machst Du da so einen Eiertanz? Weil Du niemandem zunahe treten willst? Oder weil Du die Kommentatoren veräppeln willst?

Benutzeravatar
Zefira
Beiträge: 5722
Registriert: 24.08.2006

Beitragvon Zefira » 21.07.2016, 22:07

Ich verstehe Dein letztes Post auch nicht, Klimperer. Weiter oben hast Du geschrieben, Du konntest Dich nicht entscheiden, was Du als erstes essen solltest (wie der berühmte Esel zwischen den beiden Heuhaufen) und das löste, zusammen mit der Hitze, das Schwindelgefühl aus. Jetzt schreibst Du, es sei Ratlosigkeit und Ohnmacht gewesen. Das sind m.E. zu große Worte für die bloße Frage, wo man zuerst hineinbeißt. Warum genau hast Du Dich denn ratlos und ohnmächtig gefühlt?

Und keine Angst, ich denke nicht, dass Du bis jetzt jemanden gefährdet hast.


@ Lisa, ich lasse jetzt mal experimentehalber die Bäckersfrau sprechen:


wo ist denn ihr mann heute -
fragte der kunde
der zwei brezeln kaufte

ich sagte - moschee
ganz leise
und noch leiser:
beten

achso
dann viele grüße
er nahm die tüte
und ging hinaus


Würde das Gedicht, so formuliert (abgesehen davon, dass es kein gutes Gedicht ist, eben so als Mittel zum Zweck rausgehauen) kein ungutes Gefühl in Dir auslösen?
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 21.07.2016, 22:32

Liebe Zefi,

ja, so wäre das ungute Gefühl verschwunden - für mich tatsächlich.

Klimperer,
ich würde wirklich gern wissen, was du mit dem Text beabsichtigt hast - rechtfertigen musst du dich nicht. Falls das manchmal dazu führst, dass du lieber etwas unklar bzw. schwankend ("klimpernd" .-)) reagierst.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
nera
Beiträge: 2216
Registriert: 19.01.2010

Beitragvon nera » 21.07.2016, 23:19

gibt es einen unterschied zwischen vers und inhalt? ich finde diesen text und die diskussion spannend!

Benutzeravatar
nera
Beiträge: 2216
Registriert: 19.01.2010

Beitragvon nera » 21.07.2016, 23:20

und weswegen sollte sich der protagonist ohnmächtig fühlen? und dann taumeln?

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6756
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 21.07.2016, 23:35

Vielleicht sollten wir das weniger medizinisch betrachten. Er fiel nicht in Ohnmacht, sondern er fühlt sich machtlos und nennt diesen Umstand Ohnmacht.

Hier können wir ansetzen und uns fragen, worüber er keine Macht hat. Die Antwort steht nirgendwo, weder im Gedicht noch in den Kommentaren.

Er weiß auch keinen Rat gegen die Machtlosigkeit. Wenn wir herausfinden, worüber er keine Macht hat, dann können vielleicht wir ihm einen Rat geben, sofern das in unserer Macht liegt.

Benutzeravatar
nera
Beiträge: 2216
Registriert: 19.01.2010

Beitragvon nera » 22.07.2016, 00:01

merci, fürs genaue auseinander dröseln. ich habe dieses "ohnmächtig" nicht medizinisch gesehen.

Benutzeravatar
nera
Beiträge: 2216
Registriert: 19.01.2010

Beitragvon nera » 22.07.2016, 00:08

vielleicht macht die angst der bäckerin das lyrische ich so ohnmächtig? seine hilflosigkeit angesichts des "flüstern-müssen" was eine religion angeht? dann könnte man die hitze oder sollte man die hitze auch als metapher nehmen?

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6756
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 22.07.2016, 00:39

Guter Ansatz!

pjesma

Beitragvon pjesma » 22.07.2016, 00:53

ich weiß nicht. (es wird nicht neu sich unbeliebt zu machen), aber poetisch ist das nicht, lieber klimperer. es mag sein dass dein gefühl poetisch war, derin dem erlebnss steckt, aber die worte erreichte der gefühl nicht. oder sie haben mich nicht erreicht. es ist, zur unterschied zu manchen deinen, gewöhnlich.
sorry, pjesma


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste