Die Schneemannswitwe (Sonett)

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 23.02.2017, 10:32

Er floss dahin in diesen warmen Tagen
ganz ohne Ton und ohne einfühlsames Wort.
Am Abend hörte man sein Weib laut klagen:

„Warum ist mir solch Weh gescheh‘n an diesem Ort?
Wen soll ich jetzt nach Mond und Sternen fragen,
wem Eistee reichen, Ohren streicheln? Er ist fort.

Ich liebte seine fahlen Schmelzschneehände,
die meinen kühlen, weißen Leib umfassten.
Aus seinen sanften Kohlenaugen las ich Bände,
entdeckte dunkle Sehnsucht, raue Liebesmacht.

An seiner kalten Schulter fand ein Ende
die Furcht vorm Hitzeschwall, den wir so hassten!
Mir fehlt sein Frostgesicht, sein Hut! Er ist Legende.“
Am Morgen war als zarter Nebel sie erwacht.

__________________________________________
Ergänzung in Strophe 3 Zeile 3: "sanften" Kohlenaugen
Zuletzt geändert von tulpenrot am 12.03.2017, 12:04, insgesamt 1-mal geändert.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.03.2017, 14:14

Hallo tulpenrot,

dein Sonett gefällt mir ausgesprochen gut. Es liest sich wunderbar. Und die Idee finde ich klasse!
Ganz fein, wie die letzte Zeile nachhallt.

Saludos
Mucki

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 08.03.2017, 16:45

Freut mich, dass mein Textlein bei dir Anklang gefunden hat. Danke für deine Rückmeldung. Es ist mein einziges und erstes Sonett.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Niko

Beitragvon Niko » 08.03.2017, 22:39

Hallo tulpenrot,

Inhaltlich mag ich den Text. Welche sonett- Form ist das hier?
Die Metrik Gerät immer mal zwischendurch aus dem Ruder. Du schreibst überwiegend fünfhebig, dann aber auch in fast jeder Strophe sechshebige Zeilen. Mich bringt das dann immer beim Lesen etwas raus. Zum verdeutlichen, was ich meine, hab ich die erste Strophen in den hebungen markiert.
Herzlichst - Niko


Er floss dahin in diesen warmen Tagen
ganz ohne Ton und ohne einfühlsames Wort.
Am Abend hörte man sein Weib laut klagen:

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 08.03.2017, 23:15

Hallo Niko,
Danke für deine Sorge um meine Sonettform.
Das Ganze ist ja ein Spaß - mehr nicht. Und da darf es auch mal ungenau zugehen bzw. einen Wechsel geben zwischen italienisch und französisch. Ich hab ja auch die Reihenfolge Terzett/Quartett umgedreht.
Wenn ich wollte, könnte ich es noch mal bearbeiten - aber ist es wirklich nötig?
LG
tulpenrot
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Niko

Beitragvon Niko » 08.03.2017, 23:42

Es kommt auf die Ansprüche an. Des Autors ans schreiben, des Lesers an den Text usw....Man kann nicht allem gerecht werden. Und spielen ist sicher gut, aber ein als solches deklariertes sonett sollte dann auch die grundsätzlichen formalen Gegebenheiten erfüllen. Ich wollte lediglich formale Defizite aufzeigen und nicht dein spielen verurteilen oder missbilligen. Ok?

Herzlichst - Niko

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 09.03.2017, 00:01

Ohh, formale Defizite mag ich überhaupt nicht. Und literarische Ansprüche sind mir auch nicht fremd. Und ja - dem allen will ich sehr wohl gerecht werden! Welche formalen Gegebenheiten würdest du mir nun vorschlagen?
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

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Beitragvon tulpenrot » 09.03.2017, 22:37

Zur Erläuterung:
Hier hab ich mal die Anzahl der Hebungen eingetragen, um sichtbar zu machen, dass dem Ganzen keine Willkür zugrunde liegt, sondern ein Schema, das nur in der 4. Strophe in der vorletzten Zeile durchbrochen wird. (6 Hebungen statt 5).
Ich sehe für eine zukünftige Version die Möglichkeit, die vorletzte Zeile der 3. Strophe ebenfalls auf 6 Hebungen zu verändern.

Er floss dahin in diesen warmen Tagen (5)
ganz ohne Ton und ohne einfühlsames Wort. (6)
Am Abend hörte man sein Weib laut klagen: (5)

„Warum ist mir solch Weh gescheh‘n an diesem Ort? (6)
Wen soll ich jetzt nach Mond und Sternen fragen, (5)
wem Eistee reichen, Ohren streicheln? Er ist fort. (6)

Ich liebte seine fahlen Schmelzschneehände, (5)
die meinen kühlen, weißen Leib umfassten. (5)
Aus seinen Kohlenaugen las ich Bände, (5)
entdeckte dunkle Sehnsucht, raue Liebesmacht. (6)

An seiner kalten Schulter fand ein Ende (5)
die Furcht vorm Hitzeschwall, den wir so hassten! (5)
Mir fehlt sein Frostgesicht, sein Hut! Er ist Legende.“ (6)
Am Morgen war als zarter Nebel sie erwacht. (6)


und noch etwas: Bei modernen Sonetten werden vielfach althergebrachte Schemata durchbrochen.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Niko

Beitragvon Niko » 09.03.2017, 22:55

Du musst doch nichts verändern! Du spielst doch nur, tulpenrot! :guckguck:
Allerdings weißt du ja, dass es verschiedene sonett-typen gibt. Die auch gerade durch die Form ihre Unterschiedlichkeit bezeugen. Zu welcher Gattung sonett wäre demnach deines zu zählen? Und....Falls zu keinem - wovon ich nicht ausgehe - sei die grundsätzliche frage erlaubt: wann ist ein gedicht ein sonett ? :eeks:
Was sind " moderne Sonette, tulpenrot? Ich scheine ne menge verpasst zu haben......

Interessierte grüße - niko

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.03.2017, 07:30

So nett ein Gedicht auch ist, Sonett ist es dann auch, und nett des Gegedeil.

Niko

Beitragvon Niko » 10.03.2017, 13:02

isch des ßischääää, pjoddääääää?

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 10.03.2017, 15:28

... hab Dich jetzt akustisch nicht verstanden. Sag nochmal?

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 10.03.2017, 17:01

Ich denke, man sollte die Diskussion hier abschließen - es geht offensichtlich nicht mehr um den Text.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Niko

Beitragvon Niko » 10.03.2017, 19:02

Wie du meinst.
Schade, dass ich fragen nicht beantwortet bekomme....


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