Miriam

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.03.2017, 12:22

- schreib -
sagtest du
- Worte aus Baumblütenweiß und Löwenzahngelb
meiner Seele zur Nahrung
und langweile mich nicht
mit deinem Zögern -

wie man damals sagte
sing Miriam sing
deine Lieder
damit ein Gelächter uns aus den Kehlen rinnt
wie Feuer
das uns glühend macht


und du sagtest
- schrei
so laut du es vermagst
wenn ich komme
gehört es dazu
und errege mich
jedoch nicht mit deiner Stummheit -

so wie man sagte
tanz Miriam tanz
dass unsere Augen leuchten
mit Wonnen bestaunen
deinen Leib
dann werden wir dich atmen sehen
mitten unter uns
bis du genug bist


und du sagtest
- küss mich
wenn ich deinen Mund
tulpenrot färbe
und dir Rosinenwein reiche
betörende Süße dir biete
verweigere mir nicht deinen Brunnen -

wie man sagte
spiel Miriam spiel
deine Harfe hängt im Laub
hinter den Dächern
versteckt unter den Ästen
wir lassen dich dort suchen
bis wir dich gefunden haben


dann aber sagtest du
- leg dich vor mich hin
auf den Altar deines Gottes
und vergiss nicht zu beten dabei
dass ich lache über dich und ihn
der die Liebe ist -

wie man sagte
erhebe dich Miriam
zeige uns die Kraft deiner Schenkel
aber flieh nicht
wenn wir dein schwarzes Haar greifen
und dir die Knochen brennen
bis du nicht mehr weisst
dass Mose dein Bruder war


- du kannst nun gehen -
sagtest du
- und vergiss nicht
dass der Schlüssel nicht mehr passt
zu meinem Haus -

so wie man sagte
zu Asche mit dir Miriam
warst nie etwas Besseres


und du spottetest mit denen
die keine Hände hatten
um sich schmutzig zu machen:
- Wo ist nun dein Gott? -


veränderte Version nach Muckis Anmerkung

- schreib -
sagtest du
- Worte aus Baumblütenweiß und Löwenzahngelb
meiner Seele zur Nahrung
und langweile mich nicht
mit deinem Zögern -

wie man damals sagte
sing Miriam sing
deine Lieder
damit ein Gelächter uns aus den Kehlen rinnt
wie Feuer
das uns glühend macht


- schrei -
sagtest du
- so laut du es vermagst
wenn ich komme
gehört es dazu
und errege mich
jedoch nicht mit deiner Stummheit -

wie man sagte
tanz Miriam tanz
dass unsere Augen leuchten
mit Wonnen bestaunen
deinen Leib
dann werden wir dich atmen sehen
mitten unter uns
bis du genug bist


- küss mich -
sagtest du
- wenn ich deinen Mund
tulpenrot färbe
und dir Rosinenwein reiche
betörende Süße dir biete
verweigere mir nicht deinen Brunnen -

wie man sagte
spiel Miriam spiel
deine Harfe hängt im Laub
hinter den Dächern
versteckt unter den Ästen
wir lassen dich dort suchen
bis wir dich gefunden haben


dann aber sagtest du
- leg dich vor mich hin
auf den Altar deines Gottes
und vergiss nicht zu beten dabei
dass ich lache über dich und ihn
der die Liebe ist -

wie man sagte
erhebe dich Miriam
zeige uns die Kraft deiner Schenkel
aber flieh nicht
wenn wir dein schwarzes Haar greifen
und dir die Knochen brennen
bis du nicht mehr weisst
dass Mose dein Bruder war


- du kannst nun gehen -
sagtest du
- und vergiss nicht
dass der Schlüssel nicht mehr passt
zu meinem Haus -

wie man sagte
zu Asche mit dir Miriam
warst nie etwas Besseres


und du spottetest mit denen
die keine Hände hatten
um sich schmutzig zu machen:
- Wo ist nun dein Gott? -
Zuletzt geändert von tulpenrot am 11.03.2017, 19:17, insgesamt 1-mal geändert.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2017, 17:07

Hallo tulpenrot,

ich bin wirklich beeindruckt von deinen Zeilen. Erst einmal von der Form - vom Innentext, der mit dem Außentext korrespondiert. Dann von den Worten in den kursiven Versen, die so wohltuend altmodisch klingen und sich hier so gut einfügen. Und von der Klimax des Gedichtes. Unglaublich, wie du sie schreibst, es fängt so harmlos an, wird immer bedrohlicher bis zur Grausamkeit. Wirklich gelungen. Man muss es unbedingt laut lesen.

Nur ein peanut:
Ich würde die Anfänge immer gleich schreiben, das erhöht die Intensität, also:

und du sagtest

und

wie man sagte

Chapeaugrüße
Mucki

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 11.03.2017, 17:52

Ja, das beeindruckt mich auch. Vielen Dank!

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.03.2017, 18:51

Ich freu mich über eure anerkennenden Worte. Danke!

Über deinen Vorschlag, @Mucki, denke ich nach. Die jetzige Fassung ist aus etlichen Überarbeitungen entstanden. Was du vorschlägst, war auch schon mal dabei. Ich hab es damals "ausgebessert", weil ich dachte, es wirkt zu monoton. Dein Argument kann ich aber nachvollziehen.
Gibt es noch andere Stimmen dazu?

Was meinst du, könnte man es bei einer Lesung verwenden, wenn du schreibst, man müsse es laut lesen? Ich hab es bisher noch nicht gemacht.
edit: RS Fehler
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2017, 18:58

tulpenrot hat geschrieben:Was meinst du, könnte man es bei einer Lesung verwenden, wenn du schreibst, man müsse es laut lesen?

Unbedingt!

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.03.2017, 19:01

Ich hatte die Sorge, dass der Zuhörer, der den Text nicht vor sich hat, durch den Wechsel von "normal" zu den kursiven Teilen zu sehr strapaziert wird. ???
Es kommt auf den Versuch an ...
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.03.2017, 19:18

Jetzt habe ich bis auf die 7. Strophe den Vorschlag von Mucki eingearbeitet. Wie ist es jetzt?
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

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Beitragvon Mucki » 11.03.2017, 19:50

tulpenrot hat geschrieben:Ich hatte die Sorge, dass der Zuhörer, der den Text nicht vor sich hat, durch den Wechsel von "normal" zu den kursiven Teilen zu sehr strapaziert wird. ???

Ich würde in den kursiven Passagen die Stimme senken, bei den anderen Stimme lauter und fordernder. Dadurch entstünde ein interessantes Wechselspiel und der Hörer hört auch die unterschiedlichen Ebenen gut heraus.

tulpenrot hat geschrieben:Jetzt habe ich bis auf die 7. Strophe den Vorschlag von Mucki eingearbeitet. Wie ist es jetzt?

Meine Idee ging eher in diese Richtung, ich meine, es wird dadurch intensiver und auch geschmeidiger zugleich:

und du sagtest
- schreib
Worte aus Baumblütenweiß und Löwenzahngelb
meiner Seele zur Nahrung
und langweile mich nicht
mit deinem Zögern -

wie man sagte
sing Miriam sing
deine Lieder
damit ein Gelächter uns aus den Kehlen rinnt
wie Feuer
das uns glühend macht


und du sagtest
- schrei
so laut du es vermagst
wenn ich komme
gehört es dazu
und errege mich
jedoch nicht mit deiner Stummheit -

wie man sagte
tanz Miriam tanz
dass unsere Augen leuchten
mit Wonnen bestaunen
deinen Leib
dann werden wir dich atmen sehen
mitten unter uns
bis du genug bist


und du sagtest
- küss mich
wenn ich deinen Mund
tulpenrot färbe
und dir Rosinenwein reiche
betörende Süße dir biete
verweigere mir nicht deinen Brunnen -

wie man sagte
spiel Miriam spiel
deine Harfe hängt im Laub
hinter den Dächern
versteckt unter den Ästen
wir lassen dich dort suchen
bis wir dich gefunden haben


dann aber sagtest du
- leg dich vor mich hin
auf den Altar deines Gottes
und vergiss nicht zu beten dabei
dass ich lache über dich und ihn
der die Liebe ist -

wie man sagte
erhebe dich Miriam
zeige uns die Kraft deiner Schenkel
aber flieh nicht
wenn wir dein schwarzes Haar greifen
und dir die Knochen brennen
bis du nicht mehr weisst
dass Mose dein Bruder war


und du sagtest
- du kannst nun gehen
und vergiss nicht
dass der Schlüssel nicht mehr passt
zu meinem Haus -

wie man sagte
zu Asche mit dir Miriam
warst nie etwas Besseres


und du spottetest mit denen
die keine Hände hatten
um sich schmutzig zu machen:
- Wo ist nun dein Gott? -


Was meinst du?

Saludos
Mucki

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.03.2017, 22:09

Es ist noch ungewohnt.
Zwei Dinge fallen mir auf:
Der Lesefluss (oder ist es der Rhythmus?) der ungeraden Strophen ist so anders - mir kommt es steifer vor als vorher. Vielleicht spielt mir die Gewohnheit einen Streich.
Und dann sind nun alle Teile gleichförmig - also die ungeraden Strophen und die kursiven haben denselben Satzaufbau und unterscheiden sich nicht mehr. Meinst du, das würde nicht zu langweilig?
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.03.2017, 13:01

Hallo tulpenrot,
tulpenrot hat geschrieben:Und dann sind nun alle Teile gleichförmig - also die ungeraden Strophen und die kursiven haben denselben Satzaufbau und unterscheiden sich nicht mehr. Meinst du, das würde nicht zu langweilig?

Im Gegenteil. Durch diese gleichen Anfänge im Innen- und Außentext und wenn man die kursiven Passagen mit gesenkter und elegischer Stimme liest, kommt da eine intensive Spannung auf. Es wird richtig eindringlich. Gerade, wenn man es elegisch liest, weil dies im Widerspruch zum Inhalt steht. Das ist für mich so faszinierend.

Aber es muss natürlich für dich stimmig sein. Lass einfach mal sacken. ;)

Saludos
Mucki


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