an meinem küchentisch

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 17.08.2017, 23:27

.

sie sitzt an meinem küchentisch
bei geöffnetem fenster
und erzählt von sich

von den eckigen schatten
die sie wirft, unterm mond
(schlafen wahre gesichter)

von dem schachteltraum
dessen labyrinth stets
nach unten weist

von der schwierigkeit
einen menschen zu formulieren
(den man liebt)

und von der ganzheit
einer melodie
(die deine stimme trägt)

vom sturm abgeschirmt
sitz ich an meinem küchentisch
und schreibe ein gedicht


.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Niko

Beitragvon Niko » 18.08.2017, 13:47

Liebe Diana,

Hat mich gepackt von vorne bis hinten.
Besonders das "vorne" und "hinten". Sehr gelungen finde ich den Übergang in die erste klammer.

Herzlichst - Niko

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 18.08.2017, 16:50

Liebe Birke,

mir gefällt der Text auch sehr gut.

Ich weiß nicht, ob ich richtig liege, aber ich stelle mir zwei Frauen in einer Küche vor; eine von ihnen redet (sehr viel und ausschweifend), was für die andere anstrengend ist. Andererseits sind die Ausführungen der ersten Frau aber auch reizvoll und besonders. (Schöne Sprachbilder. Den "Schachteltraum" mag ich.)

In der vorletzten Strophe hinterfrage ich für mich beim Lesen die Melodie, "die deine Stimme trägt". Entweder spricht Frau 1 über eine Person, die auch Frau 2 (gut?) kennt, oder statt "deine" müsste "seine" stehen?

In der finalen Strophe gefällt mir dieser Gedanke, dass das lyrICH sich mit Gedichtschreiben (vorm Redeschwall/oder dem Wetterphänomen Sturm) schützt und abschirmt.

Ich kann dieses Insichselbst und die eigene Gedankenwelt zurückgehen sehr gut nachvollziehen.

LG
A.

Niko

Beitragvon Niko » 18.08.2017, 20:18

Für mich ist es das herausschreiben. von einer Person die in Distanz zu sich beginnt zu schreiben und die durch das Schreiben zu sich selbst findet.
Und das ist für mich unglaublich gut dargestellt!
Herzlichst - Niko

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birke
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Beitragvon birke » 19.08.2017, 14:39

eure rückmeldungen freuen mich sehr!!
... ich mag hier gar nicht viel sagen, denn an sich tut es nicht viel zur sache, wie ich es "gemeint" habe, sondern nur, dass es für mich kein "richtig" oder "falsch" gibt in der rezeption von lyrik. manche texte lassen dem leser viel freiraum..
und konkret hier denke ich - ja - der text gibt wohl beide lesarten her. :)
herzlichen dank, liebe a. und lieber niko!
diana
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