Oscarreif

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Chamonixius
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Beitragvon Chamonixius » 06.02.2024, 20:49

Oscarreif

Im Nächtigkeitsabspann
unsere Hautkontakte
mit Untertiteln
ein bläuliches Leuchten
im Grunde schon flimmerbereit
so tauchen wir unter

Zurück bleibt ein Film
vor dem inneren Auge fast
ruckelfrei abspielbar großes
Kino Applaus Applaus
und niemand bemerkt
wie lange wir fehlen

OscarTheFish
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Beitragvon OscarTheFish » 18.02.2024, 10:57

Dieses Stück hat mehr Aufmerksamkeit verdient. Es fasziniert subtil-konkret. Zutaten des Kinos ins Kopfkino transponiert. Glaubwürdig.
Ein paar ausgewählte Werke zur Stillung weiterer Neugier:
AKUTES ABDOMEN, OBWOHL WIR BLIND SIND, SCHMUSEREI, MUCH ADO ABOUT FUJI.
Gedichte von: Der beste Dichter der Welt und XRayFusion.

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birke
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Beitragvon birke » 18.02.2024, 12:57

ja, da kann ich oscarthefish nur zustimmen. fast ein ihm gewidmetes? ;) gefällt mir sehr gut. eine winzigkeit nur, die mich leicht irritiert, der applaus im kino.
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

mslyrik
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Beitragvon mslyrik » 08.09.2024, 18:14

Hey Chamo,

Chamonixius hat geschrieben:Oscarreif
Zurück bleibt ein Film
vor dem inneren Auge fast
...
wie lange wir fehlen


ich als kleiner Leser, strande hier an Erinnerungen und an das Vergessene. Andererseits
betrachte ich das Werk als einen Trigger.

"Wir" vielleicht als Rückblick auf das was war, aber auch das örtliche, was in dem Moment durchlebt wird.
Vielleicht ist das "Wir" die Erinnerung an sich.

Das einstige große Kino, das befeuert wurde, verblasst
und irgendwann bemerkt niemand mehr, wie lange sie schon fehlen.

gern gelesen!

lg matze

Chamonixius
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Beitragvon Chamonixius » 09.09.2024, 12:01

Hey Ihr Lieben,
zeitweiliger Inaktivität geschuldet hab ich Eure zugewandten Kommentare gar nicht kommentiert - gut also, dass matze das Gedicht nochmal ausgegraben hat, so dass ich das jetzt nachholen kann! :daumen:
Besonders freut mich, Oscar, dass - jedenfalls bei Dir - offenbar ein Pingpong von Kino- und Kopfkino-Elementen in Gang gesetzt wurde. Irgendwie so auf dieser Linie sollte der Text auch "wirken".
Und Du hast natürlich recht, birke, dass in einem normalen Kinofilm eher selten Applaus beim Publikum aufbrandet - das hätte ich jetzt hier mal unter künstlerischer Freiheit verbucht bzw. die Irritation des Applauses ist vielleicht ein (mir) gar nicht so unwillkommener Lese-Effekt. :):
Last but not least, auch Dir ein Dankeschön, nicht nur für die Beitragsausbuddelung, lieber matze, sondern auch für den einfühlenden Kommentar! Ich persönlich lese beim "Fehlen" übrigens eher ein "Davonstehlen" und betrachte das gar nicht als etwas Negatives, sondern eher einen widerständigen Akt des "lyrischen Wir", das ja in Strophe 1 schon "untergetaucht" ist. Aber diese sozusagen lebensfrohe Privatdeutung des Autors soll nicht als "Musterlösung" fungieren - die Variante, hier ein Verblassen herauszulesen, das Ganze also als eine Art Abgesang aufzufassen, ist, wie ich finde, auch völlig stimmig. Mehrere Lösungen sind also "richtig" (und so soll es ja eigentlich immer sein). :DD:
LG!
C.

mslyrik
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Beitragvon mslyrik » 09.09.2024, 21:00

Chamonixius hat geschrieben:Mehrere Lösungen sind also "richtig" (und so soll es ja eigentlich immer sein). :DD:
LG!
C.


Weißt du, was mir zunehmend gefällt auf meiner Reise, Chamo?
Dass ein Richtig oder Falsch eigentlich keine Rolle spielt, sondern die Lyrik selbst und was sie bei mir als Leser hervorruft.
Dies ist der Reiz, wieso ich die zeitgenössische Lyrik so liebgewonnen habe. Wie war das? ^^ Der Autor schafft das Werk, der Leser formt es.
Hm, ja, mag ich sehr.

lg m!

Chamonixius
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Beitragvon Chamonixius » 20.09.2024, 17:31

Hey msl! :)
Ja, die Schwierigkeit, wie (oder gar: ob?) man in der Lyrik "richtig" von "falsch" unterscheiden kann, ist wohl das, was manche Deutschlehrer irritiert, weshalb sie um die Lyrik entweder (soweit der Lehrplan es zulässt) einen Bogen machen oder sich bei der "Was-will-der-Autor-damit-sagen"-Frage total verirren.
Kein Wunder, wenn dann manche(r), der die Schulzeit glücklich hinter sich gebracht hat, bis auf Weiteres von der Lyrik "kuriert" ist. Eine Schande sowas.
Zum Glück gibt es auch löbliche Ausnahmen. Mein Deutschlehrer hat Gedichtinterpretationen zum Glück nicht wie einen Sezier-Akt betrachtet, sondern schon Wert auf das Binnen-Echo gelegt, welches ein Gedicht im jeweiligen Schüler:innen-Herz erzeugt hat (und dabei waren ihm totale Verrisse genauso lieb, wie Begeisterungsstürme oder ein So-la-la).
Auf der anderen Seite können sich im wechselseitigen Austausch geübte Lyrikleser:innen (finde ich) schon ganz gut darauf einigen, wo es bei einem Gedicht vielleicht noch "hakt" und wo die Sache irgendwie (im weitesten Sinne "rund" ist). Es ist halt nur keine Begründung wie bei einem mathematischen Beweis möglich, was die Sache aber, genau wie Du schreibst, ja gerade interessant macht.
LG!
C.


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