vier gedichte für eine stimme

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Werner
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Beitragvon Werner » 03.09.2024, 10:39

die erde wird wie ein tier atmen

der nachtregen fällt
flieht
in die berge die wälder

.

in einer kathedrale aus erinnerung

ich klappe die welt zusammen
wie die flügel eines altars
ich habe schreckliches gesehen

.

ich glaube an den fortschritt der menschlichen existenz

die lichter wachsen an
und schwellen ab
wie die stimmen der engel
die nicht fliegen können

.

die idee einer zukunft

die vögel fallen
von einem unsichtbaren himmel
gestern war er von einem stummen blau
mit einem gesang den niemand gehört hat
nur die engel
und die für den schrei eines gottes
empfindsamen menschen


.

heute ausnahmsweise etwas gerade im netz veröffentlichtes:

https://signaturen-magazin.de/werner-we ... timme.html

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birke
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Beitragvon birke » 04.09.2024, 11:45

gefällt mir sehr gut, gratuliere!
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Werner
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Beitragvon Werner » 04.09.2024, 22:21

ich danke dir

Chamonixius
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Beitragvon Chamonixius » 09.09.2024, 12:43

Hey Werner,
das finde ich ganz faszinierend! Einige "Strophen" bzw. "Stimmen" spielen etwas ins Fragmentarische und in ihrer "Unausgeführtheit" haben sie für mich fast ein bisschen was tranströmerisierend Haiku-artiges an sich. Teil 3 und besonders Teil 4 der Folge sind dann "geschlossener". Es ist tatsächlich ein bisschen, als ob sich eine Tür schließen würde. Der einigermaßen apokalyptische Ton wird durch diesen Umstand nicht weniger beklemmend.
Von mir auch Gratulation zum quadrophonen Gedicht(Ensemble) und zur Signaturen-Publikation!
LG!
C.

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Werner
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Beitragvon Werner » 09.09.2024, 14:21

Danke lieber Chamonixius für das große Lob, die breite Zustimmung und den hochgegriffenen Vergleich. ja, "fragmentarisches" und "unausgeführtes", "haiku-artiges" trifft es wohl ganz gut, und ja, die letzten zwei sind geschlossener. die "kürze" und "schlichtheit" rührt auch mit daher, dass ich diese vier kleinen ursprünglich in französisch verfasst habe (natürlich mit hilfe eines wörterbuches, so sicher ist mein französisch nicht), und sie danach erst richtig selbst ins deutsche übertragen habe, wobei die deutsche übertragung scgon abweichungen vom französischen zeigte, bzw. ich kleine änderungen in der übertragung an einigen stellen im deutschen für sinnvoller hielt. die signaturen wollten dann nur die deutschen nehmen. unser mitglied "birke" kennt die "originale" und hätte an manchen stellen anders ins deutsche übertragen. es war ein versuch für mich, da ich mental gerade in einem "französischrausch" war, in einer lesung von den schwierigkeiten des literaturübersetzens, insbesondere des gedichteübersetzens erfahren hatte und mal meine alten kenntnisse wieder üben wollte ... auch ein sehr interessantes experiment, einen versuch wert. weil dann auch etwas anderes rauskommt, als wenn ich sofort auf deutsch losgeschreiben hätte ... ich musste mich konzentrieren und exakter festlegen. als "fingerübung" für zwischendurch sehr zu empfehlen, weil in einer anderen sprache sich auch sofort das denken ein bisschen verändert ... gerade im französischenoder auch italienischen kann man sofort mühelos und ohne hemmungen schnell ein bisschen "pathetischer" werden (oder man wird es automatisch), was ich mir im deutschen schnell verbiete ... wie gesagt, interessante prozesse mit diesem ergebnis hier. Danke.

Chamonixius
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Beitragvon Chamonixius » 20.09.2024, 18:00

Hey Werner!
Das ist total spannend, was Du hier über den Umweg über eine andere Sprache schreibst! Ich würde mir das aber allenfalls im Englischen (mit Einschränkung) zutrauen. Umgekehrt, also bei der Übersetzung fremdsprachlicher Verse aus fremder Feder ins Deutsche bin ich mutiger und halte mich nicht an die Grenzen meiner Sprachkompetenz :cool: Da hab ich aber auch schon gemerkt, wie horizonterweiternd so eine anderssprachliche Fremdverdrahtung der Gedanken wirkt. Häufig ist meine "Übersetzung" dann so "frei" (höflich gesagt), dass sie als selbige ganz unbrauchbar ist, aber es ergibt einen ganz guten Ansatz für ein eigenes Gedicht. Insofern kann ich Deine Erfahrung in gewisser Weise nachvollziehen.
LG!
C.


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