Herbst

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 11.09.2006, 17:46

Im Tau der vom Morgen blieb
präsentierst du grell geschminkt
deine bitter verpackte Frucht
hinter den Blättern aber
wird das Lächeln schon träge

Und während die Schatten wachsen
beneidest du den Mond der wandernd
sein Licht von der Sonne stiehlt
und morgen kühl dich beleuchtet wenn
deine Konturen erstarren.



Erstfassung:

Im Tau der vom Morgen blieb
präsentierst du grell geschminkt
deine bitter verpackte Frucht
hinter den Blättern aber
wird das Lächeln schon träge

Und während die Schatten wachsen
beneidest du den Mond der wandernd
sein Licht von der Sonne leiht
und morgen kühl deine
starren Konturen beleuchtet
Zuletzt geändert von leonie am 14.09.2006, 20:55, insgesamt 3-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 12.09.2006, 19:22

hallo leonie!
grundsätzlich gefällt mir dein herbstgedicht sehr. was mich irritiert hat, ist das lächeln. es mag eine metapher sein, die man durchaus einbauen kann, aber zum einen will ich sie nicht ganz verstehen, was - zum anderen - vielleicht daher kommt, dass du lediglich das lächeln kurz einwirfst und ansonsten bei der naturbeschreibung auch im bild der natur bleibst. statt "starre konturen" hätte ich mir persönlich etwas beschreibenderes gewünscht, vielleicht bedrohlicheres. je nach dem, wie du es empfindest. "starre konturen" klingt mir aber zu statisch. selbst für eine herbstbeschreibung.
diese zeilen:
präsentierst du grell geschminkt
deine bitter verpackte Frucht

haben mir ganz besonders gefallen.
lieben gruß: Niko

Maija

Beitragvon Maija » 12.09.2006, 20:19

Hallo leonie,

Ich schließe mich NJKahlen an. Ansonsten eine sehr schöne Bildersprache die mir gut gefällt.

Gruß Maija

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.09.2006, 13:01

Lieber Niko,

Danke für Deine Rückmeldung! Zum Lächeln, es ist für mich auf die Schminke bezogen, aber verdeckt ebenso wie diese etwas und ist schon auf dem Weg zu erstarren. Deshalb finde ich es an dieser Stelle wichtig.
„Starre Konturen“ ändere ich probeweise in „Gefrieren“

Danke, auch Dir, Maija!

Liebe Grüße
leonie

steyk

Beitragvon steyk » 13.09.2006, 19:29

Liebe Leonie,
der Salon "schwimmt" ja inszwischen von Herbstgedichten, aber wenn es so schön ist wie deines, ist auch noch Platz im Herbstgewässer ;-) Die zweite Fassung ist mein Fovorit.

Gruß
Stefan

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.09.2006, 22:15

Danke, Stefan, es freut mich, dass Dir das Gedicht gefällt, obwohl es ja den herbst nicht nur positiv beschreibt. Ich bin mir noch unsicher, in dieser Form zu schreiben, ist ja was anderes als das, was ich sonst oft schreibe. Deshalb freut mich Dein Lob besonders!

Liebe Grüße
leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.09.2006, 15:09

Liebe leonie,
ich finde es auch spannend die verschiedenen Herbstgedichte hier zu lesen. Deines hier gefällt mir dabei ausnehmend gut (eigentlich ausnahmslos alle Herbstgedichte hier, die Stimmung ist einfach spannend für mich). Und diese Stimmung schaffst du durch besondere Bilder, wie gleich zu Beginn: Im Tau der vom Morgen blieb (was ich übrigens als Titel favorisieren würde), auch die wachsenden Schatten finde ich als Bild toll: Eine schlichte Beobachtung wird symbolisch aufgeladen...schön!

Ob die neuere oder ältere Version gelungener ist, weiß ich für mich gar nicht. Ich mag das deutlich machen des Winters (=Gefrieren), aber ich mag auch die Konturen im Ursprungstext. Es müsste eine Kombination von beiden Aspekten möglich sein....ich weiß da aber noch nicht weiter.

Es gibt zwei Worte, die sprachlich etwas für mich herausbrechen aus dem Text:

Einmal das Präsentieren...ich könnte mir auch ein einfaches hängst oder, um im Kontext der Personifizierung zu bleiben (geschminkt, Lächeln, beneiden), vielleicht „zeigst“...oder.hmmm...auf eine Weise passt das präsentieren ja auch, weil es trotzig ist, das gefällt mir an dieser Stelle...aber es fällt sprachlich so stark aus dem Rahmen, auch hier bin ich noch unentschlossen.

Das zweite betrifft das „leiht“. Das leiht ist mir viel zu harmlos für die Aussage, die du treffen möchtest – ich meine du hast hier eine große Chance durch die Wahl des Verbs die Stärke deiner Aussage zu gestalten. Zum Beispiel stielst/raubt oder so etwas würde den Eindruck verstärken. Könnte ich mir jedenfalls wirksam vorstellen.

Dann habe ich mir noch Gedanken zum doppelten morgen gemacht...(kommt zweimal vor, mit unterschiedlichen Bedeutungen) – es ist ja durchaus stimmig, schön ambivalent wie alles andere auch (noch Schönheit – aber Gefrieren)...eigentlich kann es so stehen bleiben. Da ich aber nicht weiß, wie bewusst du das gesetzt hast, wollte ich auf diese Dopplung wenigstens kurz aufmerksam machen.

Hm, nichts halbes und nichts Ganzes von mir hier...eher ein wenig Anleuchten, ich hoffe trotzdem, meine vagen Eindrücke können dir helfen :-)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.09.2006, 16:02

Hallo leonie,

auch mich spricht dein Gedicht sehr an, weil es eine wahre Bilderfolge vor dem geistigen Auge entstehen lässt. Das "Lächeln" habe ich genauso gelesen, wie du es meintest. Es passt gut! Vor allem gefällt mir, dass du den Herbst nicht nur beschreibst, sondern personifizierst. Das zweimalige "Morgen" ist m.E. okay, da es zwei zeitlich verschiedene "Morgen" sind. Bei dem Wort "leiht", schließe ich mich Lisa an. Hier würde ich "stiehlt" schreiben, es ist ausdrucksstarker, intensiver, drückt das Beneiden noch deutlicher aus.
Saludos
Magic

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Beitragvon leonie » 14.09.2006, 19:25

Liebe Lisa, liebe magic,

ganz herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen! Lisa, ich empfinde sie gar nicht als nichts Halbes und nichts Ganzes. Wie immer hast Du wichtige Punkte getroffen.
Ich denke, das Präsentieren lasse ich, weil es für mich stärker ist als alle anderen Möglichkeiten.
Aber das „Leihen“ ändere ich, „stehlen“ ist wirklich stärker und passender.
An dem Gefrieren gefiel mir besser, dass es einen Prozess ausdrückt, deshalb habe ich mich dafür entschieden. Obwohl ich das Wort „Konturen“ auch mag. Aber „gefrierende Konturen“ finde ich zuviel.

Mit dem Titel, hm, ich würde den Satz auch gern in der ersten Zeile lassen. Dann käme er doppelt vor. Aber er ist natürlich weniger statisch als „Herbst“. Ich muss noch drüber nachdenken.

Liebe Grüße

leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 14.09.2006, 20:10

Liebe Leonie,

ein schönes Herbstgedicht, an dem ich vor allem eins bemerkt habe: der Herbst wird durchaus als melancholische, bzw. traurige (ich will nicht sagen negative) Jahreszeit gesehen.

Auch sprachlich wirkt Dein Gedicht auf mich sehr rund. Einzig das "Gefrieren" will mir nicht passen. Fast ist es mir so, als hätte mal eine Dichterin, die ich sehr schätze, gesagt, man solle in Gedichten möglichst Substantivierungen und Nomen reduzieren. :pfeifen:

Dummerweise sagte sie das deshalb, weil ich eben auch dazu neige. Deshalb kann ich Dir keinen sinnvollen Verbesserungsvorschlag machen. Aber vielleicht offenbart sich mir noch eine Lösung.

Grüße

Paul Ost

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Beitragvon leonie » 14.09.2006, 20:54

Lieber Paul Ost,

danke, ich freue mich über Deine Rückmeldung. Ach ja, die Substantivierungen...Ich habe noch mal eine neue Versuch gewagt, der den Vorteil hat, dass auch die Konturen wieder Platz haben, ohne schon starr zu sein....Und dass der letzte Satz für sich stehen kann.
Natürlich weiß ich mal wieder selbst nicht so recht, was mir am besten gefällt. Das dauert ja immer ein bisschen...

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 17.09.2006, 12:34

Liebe Leonie,

ich mag diesen anderen Herbstton, der zwar melacholisch ist, aber nich auf platte Art, in Deinem Gedicht.

Ob ich Dein "Leiht" oder Lisas "stiehlt" bevorzuge, kann ich noch nicht sagen, mir klingt "leiht" schöner, aber ich kann Lisas Einwände für "stiehlt" verstehen. Das "Gefrieren", das Du mit Paul diskutierst, finde ich leider nicht mehr.


In Zeile 1 :


Im Tau der vom Morgen blieb


fehlt mir irgendwie ein Wort (wobei ich die Zeile an sich starkt finde), etwa

Im tau der vom Morgen übrig blieb

Eines der schönen Herbstgedichte hier.

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon leonie » 17.09.2006, 13:50

Lieber Max,

danke für Deine Rückmeldung. Ich finde fast auch, dass „leiht“ schöner klingt. Aber „stiehlt“ ist für mein Empfinden richtiger.

Der Schluss hieß zwischenzeitlich:

und morgen kühl dein
Gefrieren beleuchtet

(zuerst deine starren Konturen)

Ich finde, die erste Zeile kann so stehen, ich finde sie schöner ohne ein zusätzliches Wort. Aber ich glaube, ich verstehe, wieso es Dir fehlt. Das hängt mit den nächsten (für meine Verhältnisse) relativ adjektivreichen Zeilen zusammen, denke ich. Vielleicht liest Du es auch ein wenig anders als ich.

Liebe Grüße
leonie

rockandrollhexe

Beitragvon rockandrollhexe » 17.09.2006, 14:20

Liebe leonie,
ein wunderbares Herbstgedicht. Empfindest du den Herbst auch als die melancholische Jahreszeit?
Es ist ja so, daß die Natur sich mit Farbenpracht zum Schlafe verabschiedet.
Gern gelsen.

Liebe Grüsse
rockandrollhexe


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