Rose

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 17.10.2006, 11:22

Zu leicht ergibt sich manche Braut dem Sinn,
der sich in kurzem Blütentraum verzehrt.
Der spät geborgne Schatz wird mehr geehrt,
als der nur zugefallene Gewinn.

So zeigt sich denn die Rose auch bewehrt;
und ist der erste Frühlingsblust darin
hebt über alle sich die Herrscherin
als Edelste, Unnahbarste begehrt.

Doch bald! Wie wir der Königin in spé
und ihren Lockungen entgegenfliegen!
Versprach uns schon die Knospe das Bukett

ergibt sich nun die Rose, deren Glut
samt-seiden ihrem Dornenkranz entstiegen
erwartungsvoll in der Entfaltung ruht.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 17.10.2006, 20:32

Was für eine Romantik !

moshe.c

(Wer sind eigentlich 'alle' und 'wir' ?)

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 17.10.2006, 21:23

Danke moshe,

ich nehme das mal als Kompliment.


Das "alle" in Zeile 7 bezieht sich auf die anderen Blumen.
aber du kannst es auch gerne auf ihre Bewunderer beziehen,
das täte dem Text glaube ich keinen Abbruch.

Das "Wir" hat sich aus grammatikalisch/metrischen Gründen so ergeben.
Mit etwas Überlegung ginge es vielleicht auch in der Ich-Perspektive.
Aber ist das so wichtig?


Ich wurde neulich gefragt ob ich auch Blumen-Gedichte habe
(In einem früheren Leben, habe ich auch als Florist gearbeitet.)
Ich mußte verneinen, aber mein Bekannter braucht sie für einen konkreten Anlaß und so habe ich mir halt meine Gedanken gemacht.

Ich wollte aber nicht unbedingt mit Vergißmeinnicht beginnen...

Liebe Grüße
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 17.10.2006, 22:22

Lieber Zaunkönig!

In der Hoffnung, daß es nicht anders, als ein Kompliment verstanden wurde, möchte ich mich aus meiner Wortkargheit ein wenig lösen, und sagen, das ich dieses Gemälde, daß du entfaltest, sehr mag.
Ich bin zwar kein Florist je gewesen (war nur Landwirt), habe aber einen Wintergarten, und man sagt mir nach, daß ich Blumen sehr gut zusammenstellen könnte.

So etwas könnte ich nicht schreiben, aber alles was ich als gekonnt empfinde, obwohl ich es selbst nicht kann, findet meine Bewunderung.

Ich denke, daß ein Versuch, die Ich-Perspektive mal zu zeigen, nicht schaden könnte.

Mit liebem Gruß

Moshe

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Beitragvon ZaunköniG » 18.10.2006, 08:00

Mein Problem war der Reim fliegen/entstiegen.

Fliegen ist die Grundform in der Gegenwart
entstiegen ist Vergangenheit bzw Adverb.
Einfach das Subjekt in die Einzahl gesetzt, wird die Reimendung unterschiedlich gebeugt.

Aber vieles ist so einfach, wenn man die Lösung erst hat...


Doch bald werd ich der Königin in spé
und ihren Lockungen entgegenfliegen!
Versprach mir schon die Knospe das Bukett

ergibt sich mir die Rose, deren Glut
samt-seiden ihrem Dornenkranz entstiegen
erwartungsvoll in der Entfaltung ruht.



Aber Geschmackssache ob ich es allgemeingültig oder persönlich mag.

Es gehört schon Selbstbewußtsein dazu, an die Eroberung oder Verführung einer so bewehrten zu glauben. Ein Selbstbewußtsein daß glaube ich nicht aus diesen Zeilen spricht. Als allgemeine Beobachtung finde ich den Text überzeugender.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.10.2006, 10:06

Lieber zaunkönig,

weißt du, dass du an einer Stelle bist, an der ich gerne wäre? ich habe auch schon deine letzten Sonette, die du hier eingestellt hast (sind ja nicht viele) aus der Entfernung angeschaut und ich mag es sehr, dass du jemand bist der Ahnung (im profanen und im tiefen Sinne) hat. ich habe, mit meinem Laienwissen, das Gefühl, dass du der Form sehr gerecht wirst und ihr viel Respekt entgegenbringst...das ist meistens nicht so, daher sehr erfrischend bei dir!

Was mich aber - und daher wünschte ich an deiner Stelle zu sein - total kitzeln und anziehen würde an deiner Stelle wäre...dem Sonett aus dem heute zu begegnen, indem man es in Wort&Form&Bild mit in das Sonett nimmt.

Ich meine, moshes Worte kommen ja nicht von ungefähr: "Gemälde", etc...das stimmt und ist ein echtes Kompliment (das du von mir auch bekommst!)...aber wenn ich an deiner Stelle wäre, wollte ich mehr...ich würde gucken, was passiert, wenn ich variiere (andere ästhetische Bilder, die aus der Ecke des ungewöhnlichen, hässlichen oder alltäglichen kommen..Hochäuser..großstadt...wohung...elekro/medien...etc....alles jetzt zu plakativ...aber in die Richtung)...2006 einzufangen in den Sonettzeilen...dem Sonett eine heute-zaunkönigstimme geben, um es weiterleben ~weil neu ~zu lassen...

das ist keine kritik, sondern nur das, wovon ich an deiner Stelle träumen würde...
...weißt du, was ich meine? Du hast das Handwerk dazu!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon ZaunköniG » 18.10.2006, 10:36

Liebe Lisa,

ich weiß was du meinst, ich höre das öfter und manchmal packt es mich auch ein "modernes" Sonett zu schreiben. Aber im Grunde bin ich wohl ein romantischer Dichter. Das kommt auch dort durch, wo ich wissenschaftliche Bilder aufgreife.

Deiner Intention entsprechen vielleicht eher die Sonette von Rarisch und Wohlleben ect.
Die auch mich faszinieren, aber so schreiben kann ich nicht...
Es faszinieren halt immer Die Dinge die man selbst nicht beherrscht.
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.10.2006, 18:38

Lieber Zaunkönig!

Es ist Geschmackssache, natürlich!
Mir gefällt die Ich-Perspektive besser, sie kommt zu mir näher.

Die Aussagen von Lisa kann ich nur unterstreichen.
Du bist für mich ein Meister in der Arbeit an der Form und damit irgendwie ein Gegenteil von mir.
Was mir bei dir besonders gefällt, ist, daß deine Arbeit für mich nie langweilig oder gar ausgeleiert ist/klingt.

Ich bin sehr gespannt deine Entwicklung weiter zu verfolgen.

Mit bestem Gruß

Moshe

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Beitragvon ZaunköniG » 18.10.2006, 19:25

Mir gefällt die Ich-Perspektive besser, sie kommt zu mir näher. (Moshe)


Es kommt vielleicht auch darauf an ob ich die Rose als Metapher für die Geliebte sehe

- - - oder umgekehrt!
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.10.2006, 20:12

Genau!

Und dies ist ein Aspekt, den du hast und dem du auch den notwendigen Spielraum gestatten solltest, denn den kannst du so sehen und verwirklichen.

Besten Gruß

Moshe

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 18.10.2006, 22:05

Lieber Zaunkönig,

ein tiefsinniges Sonett. Es klingt auch viel besser als ein Spruch wie dieser: Auf einem alten Schiff lernt man segeln.

Gerade weil Du Dich sprachlich im klassischen Bereich bewegen möchtest, solltest Du Dir vielleicht überlegen, ob das "in spé" nicht vielleicht ein Stilbruch ist. Für mich klingt es umgangssprachlich. Lieber hätte ich ein anderes, treffenderes Wort.

Dies ist aber nur eine klitzekleine Anmerkung zu Deinem sonst sehr gelungenen Gedicht.

Beste Grüße

Paul Ost

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Beitragvon ZaunköniG » 19.10.2006, 08:51

Lieber Paul,

"in spé" ist vielleicht nicht die erste Wahl an der Stelle,
mich muß deine Begründung aber verwundern.
Zu umgangssprachlich?
in spé / Bukett ist in diesem Text doch mit Abstand die ungewöhnlichste Paarung.

Die neunte Zeile ist wohl insgesammt die schwächste Zeile im Text, da auch inhaltlich nichts Neues gesagt wird. Einerseits schlecht, aber wenn man etwas verbessern will, braucht man hier keine Rücksicht zu nehmen. Ursprünglich versprach die Knospe schon den Duft, aber Luft war mir als Reim dann doch zu abgegriffen. Da die neunte Zeile zu dem Zeitpunkt noch nicht stand, suchte ich nach Synonymen für Duft, und bin mit dem Bukett ganz zufrieden. Ich finde daß der französische Klang den Adel der Rose noch unterstreicht. Das möchte ich auch von "in spé" behaupten, so ganz für sich genommen, wenn es nur um den Klang geht. Aber inhaltlich trägt die ganze Zeile nicht. "in spé" finde ich insofern, unglücklich, als daß ich die Rose schon in der siebten Zeile als Herrscherin betitelt habe.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 19.10.2006, 13:26

Lieber Zaunkönig,

da magst Du Recht haben. Wo nimmt denn Dein "spé" überhaupt den Akzent her? Im Lateinischen schreibt man das Wort doch ohne, oder?

Ich habe aber kein besseres Wort zur Verfügung. Vielleicht fällt mir noch etwas ein.

Grüße

Paul Ost

Max

Beitragvon Max » 19.10.2006, 20:18

Lieber Zaunkönig,

ich finde an Deinen Gedichten zweierlei bewundernswert: Dass jemand überhaupt noch so schöne Sonette schreiben kann und dass sie auch heute noch Ausdruck haben.

Liebe Grüße
max


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