via dei venti

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
carl
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Beitragvon carl » 30.10.2006, 17:38

violetter abend
bougainvillien und habichtskraut
nach dem ansturm des sommers
geklapper von tischen und läden
der bars die via dei venti hinab
bis an ihr ende
dort
wartet das meer.

das war es
was du wolltest.
Zuletzt geändert von carl am 29.11.2006, 09:50, insgesamt 4-mal geändert.

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noel
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Beitragvon noel » 30.10.2006, 17:53

ein gemälde mit klang
& dann
ein unerwartetes DU

mir fehlt etwas
oder auch nicht
wenn das abrupte sinn machen sollte
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Max

Beitragvon Max » 30.10.2006, 19:54

Lieber Carl,

auch ich war über das plötzlich herausspringend "du" überrascht. Außerdem frage ich erst mich, dann dich, was denn
bougainvillien
sind? Blumen, oder?

Liebe Grüße
max

aram
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Beitragvon aram » 30.10.2006, 20:20

lieber carl,

für mich macht es der schlusssatz gerade aus - ich lese ihn als anspielung darauf, dass viele menschen 'gefühlszustände' (z.b. 'romantik') in erster linie mit bestimmten 'settings' verbinden.

die lakonisch/neutrale bemerkung des lyr.ich gefällt mir - dies lässt sich sagen, der rest bleibt offen - weitgehend, aber nicht ganz.

das bild davor finde ich ebenfalls stimmungsvoll und gekonnt entwickelt, prägt sich nachhaltig ein.

sehr gern gelesen!
aram
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l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 30.10.2006, 20:25

doch, doch, genau so, lieber Carl, wunderbar!

Gerade so, als habe das Du, den Aufenthalt zu der (Jahres)Zeit gewollt.

Gefällt mir, der Text transportiert die Atmosphäre des Saisonendes und auch , das das lyr. Du nicht ganz so begeistert ist über die realen Verhältnisse, die sich mit einiger Sicherheit von den gemachten Vorstellungen unterscheiden.
"Nachsaison", heißt nicht immer nur Beschaulichkeit.
Ein Stimmungsbild, welches zu Gedanken und zum (Hinter)fragen anregt um die Tiefen unter dem (Meeres)spiegel auszuloten.

Möglicherweise hat das lyr. Du sogar schlechte Laune und nur das Lyrich fühlt sich wohl???

Liebe Grüße
Gerda

@ Max: Bougainvilien http://de.wikipedia.org/wiki/Bougainvillea
Ich bin sicher du kennst diese Kletterpflanzen
Zuletzt geändert von Gast am 13.11.2006, 11:49, insgesamt 2-mal geändert.

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 30.10.2006, 21:36

Ein spannendes Gedicht. Wieviel Lesarten es doch eröffnet. Das war es, was du wolltest... Wollte es das Lyrich auch? Oder nicht? Erfüllst es dem Du einen Wunsch oder lehnt es dieses fast kitschige Bild ab? War die Sehnsucht des Lyrich eine andere oder ist es davon erfüllt, die Glücksvorstellung zu teilen.

Schöne Bilder am Anfang und ein fragender Nachhall im Schluss. Gelungen!

Herzlichst, KÖ

scarlett

Beitragvon scarlett » 31.10.2006, 00:20

Das ist wirklich sehr ansprechend, lieber carl, wunderbar in Bilder umgesetzte Gefühlszustände, so lese ich das.
Und ja, genau der Schluß macht es aus - und so schön offen...

Sehr gerne gelesen!

Grüße,

scarlett

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 31.10.2006, 10:46

Lieber carl,

ja, das ist wieder spannend von dir! Und die Wanderung zum Du, die "bemängelt" wurde, ja genau der Weg des Gedichts - ich mag es also sehr.

Etwas stört mich, dass der Titel einfach "abend" heißt und dann geht es weiter mit "violetter abend" das würde ich einheitlich gestalten, weil wenn man den Titel mitliest, hat es einen komischen Effekt. Als Titel könnte ich mir auch

via dei venti (Richtung Meer)
oder etwas ähnliches vorstellen - abe rich glaube du bist, was Titel angeht ein bisschen wie Maler, die ja auch nur fürs "Publikum" ihren Bildern Titel geben müssen, weil man das so macht? Soll heißen: Für dich lebt ein Gedicht auch ohne Titel, fängt es erst später an? Vielleicht irre ich mich auch. Vielleicht nimmt meine variante auch zuviel vorweg - ...

Bei dem Ende weiß ich noch nicht, ob es wirklich gewollt ambivalent ist? (obwohl du jemand ist, der sehr vorsichtig und genau setzt). Denn eigentlich "will" ich es positiv lesen, aber ich kann es nicht eindeutig positiv lesen - das "was du wolltest" ist eine Formulierung, die von "ist es das, was du wolltest?" so negativ konnotiert ist, dass eine eindeutig positive Leseweise mir schwer fällt. Aber bestimmt ist das Absicht :-)

ich wäre gespannt, was du dazu sagst!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

carl
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Beitragvon carl » 31.10.2006, 16:13

Hallo ihr,

Dank für die vielfältigen und positiven Rückmeldungen!
(Das war nun doch wieder ein 1. Gedicht nach ein paar Dreizeilern seit 3 Jahren!)
Der Titel ist schon geändert, Lisa, denn er entstand in diesem Fall tatsächlich aus der Notwendigkeit eines Etiketts.
In ungeschriebenen Fassungen heißt die 1. Zeile
"sonnen unter violettem abend"
um den Farbkontrast der Blumen (Dank für den Link, Gerda) in der 2. Zeile vorwegzunehmen: was meint ihr dazu?
Die Ambivalenz am Schluss ist nicht beabsichtigt, aber im Nachhinein unverzichtbar: Ob ein Selbst- oder Zwiegespräch können wir ja offen lassen.

Liebe Grüße, Carl

Cara

Beitragvon Cara » 31.10.2006, 16:17

Hallo Carl,

ich lese dein Kleinod so, dass dass das lyr. Ich nach all dem Schönen (Bougainvillien) und Kommunikativen (Tische, Geklappper) des Sommers nun doch froh ist, endlich den Weg frei zu haben zu dem, was es sich eigentlich ersehnt: Das Meer. Das lyr. Ich ist das Du, das dort zu sich selber spricht: "Das war es, was du wolltest.!

Dorthin ist endlich der Weg offen, das Meer wartet sogar.

Ein schönes Gedicht!

LG
Cara

Max

Beitragvon Max » 31.10.2006, 19:54

Liebe Gerda,

danke für den Link .. ich kenne nur Kroken ;-)

Liebe Grüße
max

Gast

Beitragvon Gast » 06.11.2006, 15:59

Hm, ich frage es mal hier, obwohl es nicht direkt hier her gehört:
Was bitte sind Kroken, lieber Max?
Plural von Krokus etwa?
Dat iss abba doch "Krokusse" laut Duden (Klein Gerda... Duden etc.)

LGG
Zuletzt geändert von Gast am 06.11.2006, 17:25, insgesamt 1-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 06.11.2006, 16:30

... max hat sich wohl vertippt und meint korken.-)


- mit der änderung des titels legt sich meine lesart nicht mehr so nahe wie zuvor - ob das "du" eine zweite person bezeichnet, bleibt in jedem fall offen, das gefällt mir unter anderem so an diesem text.

lg aram
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l. cohen

carl
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Beitragvon carl » 06.11.2006, 17:41

Lieber Aram,

ich fand Deine Auslegung sehr in meinem Sinne!
In wie fern ändert sich die mit dem Titel? Das habe ich nicht verstanden...

Liebe Grüße, Carl

P.S. an Max: Sektkroken??


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