Der Gesang von der Kindheit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 28.10.2006, 16:00

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.
Zuletzt geändert von Gast am 16.11.2006, 00:52, insgesamt 9-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 28.10.2006, 19:33

Liebe Gerda,
darf ich bitte zunächst nur eines sagen und diesen Superlativ meine ich wirklich ernst (ich kenne ja deine Abneigung dagegen): Das ist das beste Gedicht (Erzählgedicht ~ was auch immer) von dir, dass ich je gelesen habe! Mir gefällt es sehr und es atmet...

Mehr kann ich (noch) nicht sagen, Stil & Überlegungen später...aber das wollte ich doch eben loswerden. das find ich ganz toll, davon würde ich gerne mehr lesen!!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 30.10.2006, 15:50

Liebe Gerda,
nun nehme ich mir die Zeit, den Text noch einmal genauer anzuschauen...was ihn für mich spannend macht, ist zum einen die Zartheit, dabei das Schlichte und seine große Offenheit. Dazu kommt ein Zauber, weil ich einige Erinnerungen teile und andere wieder nicht...dadurch kann ich zuhören und doch weiß ich, es ist nicht meine Erinnerung (wenn die Differnezen zu groß sind, ist es manchmal so schwer zu folgen...daher kann man letzlich zum Beispiel mit Träumen anderer nichts anfangen, sie sind zu fremd).

Ich habe diesen Text einfach gern.

Ein paar Anmerkungen:

Keine Bank vor dem Haus, aber die Elektrische’ <--- die Elektrische? was ist damit gemeint? :icon_redface:

und den gewärmten Milchkaffee in den Opa altes Brot brockte, <---Komma vor in

vom Tod des Nestlings, der noch nicht allein fressen konnte <--rhythmisch klingt alleine etwas besser, finde ich?

von den Lämmern die verschwanden<---Komma vor die

einem sterbenden Katzenjungen <----hier fehlt ein von

vom Verbrennen, vom Weinen, vom Heilen[/i] <---schöner Übergangs ins Gefühl.."allgemeine Variation"

… lebendig war das andere zwischen den Feldern, <---das andere klingt für mich sehr ungewohnt in dem satz...vielleicht: lebendig war man zwischen den Feldern..oder lebendig war anderes?

Die Aussaat im März wenn die Erde weich glänzte,<---Komma vor wenn
an Ostern das erste Mal nackte Knie und im Rock.<---und durch Komma ersetzen vielleicht?



Später, wenn die Dielen geheimnisvoller knarrten.<----Punkt würde ich durch Komma ersetzen

duftete es nach Äpfeln und Nüssen im Haus.<----duftete es im Haus nach Äpfeln und Nüssen


Irgendwann nur noch
einmal<----Umbruch würde ich durch Komma ersetzen, wirkt schlichter, sonst wirkt es etwas zu "pathoslastig" (also nicht schlimm, aber die zartheit des Textes wird hier etwas gebrochen und sie ist seine Stärke)

In deiner Stimme,
in deinem Blick
lag das Dorf.
Seitdem weiß ich<----ich könnte mir vorstellen diese Zeile zu streichen, um die Wikrung der letzten Zeile zu verstärken....
es war Heimat.


Liebe Grüße,
Lisa
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Jürgen

Beitragvon Jürgen » 30.10.2006, 22:14

Hallo Gerda

Den Bruch "von der Schlachtung des letzten Schweins..." finde ich ganz stark. Unbedingt beibehalten!!! Allerdings ist mir auch ein Rätsel, was mit "Elektrische" gemeint ist. Meinst Du damit einfach fließenden Strom, den es früher auf dem Bauernhof nicht gab?

MfG

Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 30.10.2006, 22:41

Liebe Lisa, lieber Jürgen,

euch Beiden herzlichen Dank.

Ausführlich werde ich mich morgen äußern.
Nur so viel dieAntwort auf die Frage nach der Elektrischen' :
Es handelt sich um die Straßenbahn.
Da ich noch überlegen muss, ob eine Änderung oder Ergänzung notwendig ist, habe ich erst Mal ein * mit Erläuterung unter dem Gedicht angebracht.

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 31.10.2006, 09:39

Hallo Gerda,
das ist ein sehr, sehr schöner Text.

Die Elektrische kenne ich als Abkürzung, und ich würde das auf keinen Fall erklären, auch wenn es nicht jeder versteht, weil es so stimmt, für das Kind, für die Erinnerung, das einfache Umgangssprachliche, das Altmodische daran. Im Übrigen ist es m. E. für das Verständnis irrelevant, ob man "die Elektrische" zuordnen kann oder nicht.
Der Stern ist hoffentlich nur eine Notlösung??

Nur Kleinigkeiten:

Klein und überschaubar
das Leben
im Reihenhäuschen

empfinde ich als zu sehr erklärt und kommentierend. da brichst du zu früh aus dem Kinderblick aus. Reihenhäuschen könnte man vielleicht, ohne es explizit zu nennen, zeigen. klein und überschaubar würde ich ganz streichen, das ergibt sich aus dem Rest.

Wollene Strümpfe, die kratzten statt zu wärmen

"statt zu" ist ungeschickt. Vielleicht so? Wollene Strümpfe, die kratzten und nicht wärmten

an Ostern das erste Mal nackte Knie und im Rock.

das finde ich besonders gelungen!

In deiner Stimme,
in deinem Blick
lag das Dorf.


Dieses Du kommt für mich überraschend und unverständlich. Und da es am Ende steht, wird es wichtig sein, scheint mir aber auch gar keinen Bezug zum Titel zu haben. Wer wird angesprochen, fragt man sich (und wird rausgeholt aus dem schönen Text), die Mama, der Papa, der Opa?

Seitdem weiß ich
es war Heimat.

Ich weiß nicht... das Ende ist zu schwach im Vergleich zu dem aus-dem-vollen-Geschöpften zuvor. Das "seitdem"... ich weiß nicht. Seit es sie nicht mehr gibt, ist gemeint, nehme ich an. Kindheit ist Heimat, ist vorbei. Heimat ist immer vorbei. Aber das ginge, glaube ich, noch schöner.

LG
Klara

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leonie
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Beitragvon leonie » 31.10.2006, 15:15

Liebe Gerda,

ich finde auch, dass ist ein total gelungenes Gedicht von Dir. Auch ein für Dich ungewöhnliches, meine ich, zumindest von dem, was ich kenne.
Mir scheint, dass das lyrIch im Reihenhaus groß wird, und die „Landerinnerungen“ zur Mutter gehören und mit im Reihenhaus wohnen (zum Teil versteckt in den Vorhängen (Super!!!). Von daher wird für mich auch der Schluss verständlich und ich finde ihn rund (hoffentlich liege ich nicht völlig daneben).
Viele, viele schöne Bilder, ich sehe das richtig vor mir. Und kann die Wehmut, die mitschwingt, teilen.

Liebe Grüße
leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 31.10.2006, 20:22

Liebe Gerda,

ein sehr schönes und sehr ungewöhnliches Gedicht von dir, das ich schon sehr oft gelesen habe; bei jedem Lesen finde ich etwas, was ich davor nicht oder anders gelesen hatte -
Ein sehr inniger Text, man spürt, daß du da drin "lebst"...

Lisas Vorschlag, "seither weiß ich" zu streichen, finde ich auch überlegenswert - die Aussage wird stärker.

Ganz liebe Grüße,

scarlett

Max

Beitragvon Max » 31.10.2006, 20:41

Liebe Gerda,

ich denke, dass das eines Deiner intensivesten Gedichte ist und dies weil die Bilder echt sind und direkt erlebt, mir scheint, ohne die analysierenden Blick des Erwachsenen. Auch ich möchet mich Lisas Vorschlag anschließen, bin darüber hinaus aber ganz begeistert von diesen Zeilen.

Liebe Grüße
max

Gast

Beitragvon Gast » 03.11.2006, 23:20

Ihr Lieben,

leider bin ich vor dem Treffen bei Tom nicht mehr dazu gekommen, mich hier zu äußern.
Da ich das Wochenende noch bei meinem Bruder verbringe, werde ich erst am Montag auf alle Kommentare eingehen können.
... nicht dass ihr denkt, eure Meinungen seien es mir nicht wert.
Vielen Dank aber schon einmal an Klara, leonie, scarlett und Max.

Liebe Grüße und eine schönes WE
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 08.11.2006, 00:15

Jetzt ist schon Dienstag, oder sollte ich besser sagen noch...
Bei allen, die hier fleißig gelesen und kommentiert haben möchte ich mich entschuldigen.

Liebe Lisa,

dir als Erstbesprecherin bei diesem langen Text, gilt mein nochmaliger Dank.
Es freut mich, dass von diesem Text ein Zauber ausgeht,
Ich glaube unbewusst habe ich mir genau das gewünscht.
Was die 'Elektrische' angeht, so werde ich das nicht in den Text einfügen, sondern als Erläuterung unter dem Text stehen lassen. Die Straßenbahn hieß halt in D’dorf damals so...
Bei dem "alleine" bin ich immer noch unsicher, ich werde es mal davon abhängig machen, wie es sich laut gelesen anhört, bzw. wie es sich lesen lässt.
Bei den Kommata, übernehme ich, wie du weißt gern ;-) deine Vorschläge.
Das "von" vor dem Katzenjungen hatte ich probeweise nicht gesetzt, aber ich glaube, dass es besser ist, es nicht auszulassen.
"lebendig war das andere zwischen den Feldern",
Hier muss ich überlegen, denn eigentlich ist es die Fortsetzung von

Klein und überschaubar
das Leben
im Reihenhäuschen

Hinter "andere" könnte man "Leben" in Gedanken ergänzen
Ich weiß ich nicht wie ich das besser kenntlich machen kann. Die Fieberfantasien sind ja nur eingeschoben...

"Seitdem weiß ich", habe ich bereits vor einer Woche in meinem Text Dok. gestrichen, und finde es inzwischen auch besser
So, liebe Lisa, ich hoffe, ich habe alles berücksichtigt.


Lieber Jürgen,

was die 'Elektrische' bedeutet habe ich schon mit Sternchen vermerkt.
Es war die Straßenbahn in Düsseldorf.
Der Bruch ist gewollt und steht außer Frage ;-)
Keine Sorge also, er bleibt.
Lieben Dank.


Liebe Klara,

für die 'Elektrische' (ja altmodisch, ganz Recht) werde ich wohl das Sternchen stehen lassen müssen, aber so dezent geht es sicher. ;-)

auf die Textstelle:

Klein und überschaubar
das Leben
im Reihenhäuschen

kann ich nicht verzichten, weil mir 1. der Gegensatz zu den Fieberfantasien sehr wichtig ist und 2. der Unterschied zum anderen Leben. (Siehe auch Erläuterungen an Lisa).
Schön, dass du die Lösung für die "Wollstrümpfe" gefunden hast, das gefällt mir entschieden besser.
Das überraschende Auftreten des lyr. Du, ist für das Lyrich ebenso überraschend gewesen wie nun für die Leser. Das lyr. Du ist wesentlich (unverzichtbar für mich) für den Text
Zum Schluss hat Lisa auch schon etwas angemerkt, ich glaube, nachdem ich mich schon über eine Woche gedanklich damit angefreundet habe, dass der Schluss nun besser trägt, seitdem ich das: "Seitdem weiß ich", gestrichen habe.
Ich freue mich über dein Feedback und danke dir herzlich.


Liebe leonie,

ich finde deine Deutung sehr, sehr nahe dran, an dem was dem Lyrich gerade das Erkennen (der Heimat) im Blick des Du bedeutet. Du hast dich intensiv hineingedacht.
Durch das „Du“ wurde das Dorf zur Heimat …Hier bleibe ich bewusst verschlossen, wessen Blick dem Lyrich die Augen geöffnet hat ist letztlich unwesentlich für das Verständnis.
Herzlichen Dank auch dir.


Liebe scarlett,

„so anders“ beschreibst du mein Erzählgedicht... „doch so innig“.
Ja, das ist es wohl. Vielen Dank fürs Lesen immer wieder und Entdecken.
Den Schluss habe ich gekürzt. (Siehe dazu meine Antwort an Lisa)


Lieber Max,

mich freut es sehr, dass dich dieser Text begeistert, vielen Dank fürs Lesen und Feedback.
Was Lisas Anmerkungen angeht, so habe ich diese schon vor einer guten Woche verinnerlicht, wie auch Vorschläge von Klara, die mit in den Text eingegangen sind.

Liebe Grüße an Euch alle und gute Nacht
Gerda

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Beitragvon Lisa » 09.11.2006, 19:58

Liebe Gerda,
ich mag diesen Text einfach sehr(ich muss das nochmal sagen)...ich finde er hat nochmal gewonnen. Er hat einfach einen ganz besonderen Klang.

Zur Elektrischen: Ich find die Lösung mit dem Sternchen auch nicht so toll, da sist immer eine Notlösung. Die Verwirrung kommt glaube ich wegen dem direkten Bezug zu Bank, da denkt man: wie Bank? elektrische Bank?

Vielleicht kann man es so klarer machen und auf das Sternchen verzichten:

eine Bank vor dem Haus, aber das Rödeln/Rattern/~~~ der Elektrischen

(das perfekte Wort ist das sicher noch nicht).-..aber dadurch ist für mich sofort klar, dass es sich um eine Art Zug/Straßenbahn handelt...oder? Wäre das eine Idee?

Liebe Grüße,
Lisa
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Gast

Beitragvon Gast » 10.11.2006, 11:09

Liebe Lisa,
vielen Dank, dass du nochmal geschaut und überlegt hast.
Ich habe geändert in: ...Klingeln der Elektrischen...
Das klingt für mich am Besten, das Geräusch habe ich auch noch im Ohr.
Das Sternchen dient nun nur noch dazu die Änderung zu verfolgen.

LGG

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Beitragvon Lisa » 12.11.2006, 14:22

Liebe Gerda,
ich würde diesen Text, wenn möglich, gerne in der HörBar hören. Ob dir das möglich ist? Ich wäre sehr gespannt darauf!

Liebe Grüße,
Lisa
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