verboren

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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noel
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Beitragvon noel » 01.11.2006, 17:59

verboren

ich habe deinen schlapp
_hut, den schwarzen,
umpfützt
& doch weht immer wieder
der mantel mir
ins auge. & du,
du umhalst mich,
& ich,
ich teile nicht
mit
& kopfmuscheln mauscheln
verstohlen besagtes zu rEcht
& notwenden gewöhnung
bis ich dich in kraft trete.
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Peter

Beitragvon Peter » 02.11.2006, 18:49

Hallo noel,


ich bewundere, wie man Worte so verdrehen kann, sie werden Windungen, über und über gebogen, aber man kann an ihnen lauschen, und was man hört, ist eigentlich ganz einfach. Nicht dass man es versteht, aber es erscheint.

Ich möchte versuchen, ein wenig zu interpretieren. Ich denke, was hier beschrieben wird, oder umwunden wird, oder durchwunden wird, ist in etwa eine nächste eigene Person, so etwas wie ein Avatar. Dieser Avatar steht in einer Abhängigkeit. (Ich weiß nicht, hast du einmal Tarkovskijs "Solaris" gesehen?:) Der Avatar kann nur existieren durch die Existenz dessen, der ihn denkt. Also ist er abhängig, er besitzt keinen eigenen Atem, er lebt sozusagen durch den Mund seines "Originals". Eine ähnliche Situation scheint in deinem Gedicht beschrieben, und es sagt ja auch: "bis ich dich in Kraft trete".

Du verfügst über den Avatar. Aber was ist das eigentlich für eine seltsame Gestalt. Er trägt einen Schlapphut; vielleicht hast du ihn so gefunden (oder das Gedicht findet ihn auf dieses Weise), indem es nämlich den Schlapphut "umpfützt" (Was für ein Bild!). Und er trägt einen Mantel, der fast lose, ohne ihn, im Raum weht, und der bedrängt. Er weht dir/dem Ich ins Auge. Er will dass du ihn bist. - Hervorgehoben, oder durch dein Gedicht im Tageslicht besehen, scheint dieses beängstigend. Aber es gehört wohl zu dem, was beständig geschieht, und was eigentlich nichts anderes heißt, als zu atmen: Zu atmen hieße, dass wir uns vertauschen, eintauchen in allerhand Worte und Haltungen, die wir nicht, im Atem selbst, für andere halten.

Merkwürdig.

Eine kleine Randnotiz: Müsste es nicht heißen:
"& kopfmuscheln mauscheln
verstohlen besagtes zurecht"?

Liebe Grüße
Peter

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noel
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Beitragvon noel » 02.11.2006, 19:09

*wow

& dank
das ist das erste
was mir in_aus_fällt
an ton_klang

zur frage:

zurecht jein
den zu recht will meinen, es zum recht zu drechseln
& auch zurecht
eben beides & demnach offen im wort
_gefüge verblieben.

;O)
merci vielmals für die befasse
du bist der zweite, nach einem nahmensch, der sich
wortdrücklich damit befasste

noel
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.11.2006, 09:55

Hallo,
das finde ich ja spannend hier!

ich habe erstmal gemerkt, dass ich anscheinend gar keinen Zugang zu dem Wort "avatar" habe?! (Nur den primitiven, Internet halt).

Wenn Peter mit seinem deutungsversuch das gedicht trifft (und deine Reaktion, noel, scheint dies zu bestätigen), dann find ich es auch sehr geheimnisvoll, wer denn das du ist...mir scheint es jetzt wie eine Mishcung aus Spiegelbildern (in ganz verschiedenen, immer wieder neuen Spiegeln) vom Ich und aus Erinnerung von anderen (ganz stark die Mutter für mich dabei)...Mächtigkeit kommt mir in den Sinn, auch Unheimlichkeit, aber auch Spaß (seltsame Mischung).

Ich würde gerne wissen, was umpfützt heißt in deiner Vorstellung: Ist es eine Bewegung in Pfützen um etwas herum (mit resultierenden wasserspritzern) oder ist es genau das "Gegenteil", das Vermeiden, in Pfützen zu treten in einer Bewegung...dann würde es Vermieden, den Hut zu "betreten", wie man es vermeidet eine Pfütze zu betreten, um nicht nass zu weden?

Gerade am Ende das "in Kraft treten" ist stark verdreht um wieder anzuknüpfen, aber auch die anderen passagen gefallen mir, auch das Gesamtbild.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Peter

Beitragvon Peter » 03.11.2006, 19:10

Ich hab mich auch nochmal mit dem Wort "Avatar" beschäftigt. "Avatar", von Sanskrit "Avatara", bedeutet dort "Herabkunft" oder (Wikipedia) "Abstieg". Der Begriff wird/wurde im Hindusimus verwendet. Avatare/Avataras traten auf, um die Ordnung zu erhalten, immer wenn diese gefährdet oder ins "Schwanken" geraten war - was ich merkwürdig finde, bezogen auf das Gedicht von noel. Wir finden dort die Zeile "& kopfmuscheln mauscheln / verstohlen besagtes zu rEcht", was nach noel zweierlei bedeutet (siehe Kommentar). Also tritt auch hier ein Ordnungsprinzip auf, das nicht nur zurechtrückt, sondern das "verstohlen besagte" zudem in das Recht bringt. Dieses Recht oder Gesetz bleibt gültig, bis - was eigentlich paradox ist - das Ich des Gedichts es/das Gesetz "in Kraft tritt", wodurch, wie man vermuten kann, alles wieder ins Schwanken gerät. Das "Verheerende" im Gedicht wäre also das Ich, es wäre, gemäß des Hinduismus, Shiva oder das /schivaische/ Prinzip, das Du aber wäre Vishnu, manchmal auch "Der Dunkle" genannt, was zu dem dunklen Mantel und dem dunklen Hut ja passen würde. Oder das Ich ist keiner, nur das Windige zwischen diesen beiden Kräften. Und wäre nur der Mensch, der Mensch aber, der sich, als Dichter, versetzen kann in die "Mächte", wie Demokrit sagt(e): Dichten heißt, im Gott zu sein.

Was man alles denken kann...

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noel
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Beitragvon noel » 04.11.2006, 17:30

ich habe erstmal gemerkt, dass ich anscheinend gar keinen Zugang zu dem Wort "avatar" habe?! (Nur den primitiven, Internet halt).


dito ;O)
umso spannender finde ich die vertackte herleitung von peter
es hat etwas mit der tendenz des texts gemeinsam & doch nicht
irr
& gut
fein absurd finde ich das

zu deiner frage
Ich würde gerne wissen, was umpfützt heißt.....


oder ist es genau das "Gegenteil", das Vermeiden, in Pfützen zu treten in einer Bewegung...dann würde es Vermieden, den Hut zu "betreten", wie man es vermeidet eine Pfütze zu betreten, um nicht nass zu weden?


diese variante ist mir näher, denn es geht um das vermeiden & dennoch soll das bild beDeuten, das es eigentlich nicht realistisch ist...
wer kann schon umpfützen, wer geht durch den rgen trockenen fusses

noel

@ peter
chapeau für die wOrte
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