Komm

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 10.11.2006, 19:52

Still
auf das Lager der Hoffnung
gebettet

Sehnsucht
wiegend
in meinem Schoß

Vertrautsein
im Traum
umarmt


sorglos
schlummert
entspannt

meine Hingabe
ich zu dir
komm

(c) tulpenrot

2. Fassung.
Still
auf das Lager der Hoffnung
gebettet

Sehnsucht
wiegend
in meinem Schoß

mit einander vertraut
im Traum
umarmt

schläft sorglos
entspannt

meine Hingabe
zu dir

komm
Zuletzt geändert von tulpenrot am 16.11.2006, 17:36, insgesamt 2-mal geändert.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

rya

Beitragvon rya » 10.11.2006, 22:57

Hallo Tulpenrot.

Die ersten 3 Strophen gefallen mir sehr gut.
Die beiden letzten hingegen....ich glaube (lese ich noch häufiger..) das "ich zu dir" passt nicht.
Kannst du dir vorstellen "ich" in der vorletzten Zeile zu streichen?
und aus dem "komm" ein kommt zu machen?
Wobei auch "komm" ginge.....nur das "ich" das funktioniert bei mir nicht.
Ansonsten gerne gelesen.
Gruss,Frank

rya

Beitragvon rya » 10.11.2006, 22:58

oder "ich zu dir komme".....?

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 11.11.2006, 09:28

Hallo Frank,

da hast du den wunden Punkt berührt, der diesen Zeilen anhaftet.
Dass da etwas merkwürdig ist, war Absicht. Und natürlich liest es sich nicht mehr so schwungvoll oder geschmeidig.

Ich könnte das "ich" weglassen. Dann liest es sich als Fortführung:

"meine Hingabe zu dir"

Und das "Komm" könnte dann die Aufforderung an das Gegenüber sein.

Ich sah aber die Gefahr, dass es dann zu platt daherkommt und "zu sehr Männerfantasien bedient", wie einmal an anderer Stelle jemand kommentierte.
Aber vielleicht kann man es nicht vermeiden.

Die "Botschaft" sollte eine Einladung sein und zugleich eine Beschreibung. Das LyrIch ist bereit für ein Kommen - sowohl "ich komme zu dir" als auch "komm du zu mir".

Vielleicht zu sehr gewollt von mir? Und daher zu sehr verzwackt?
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

carl
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Beitragvon carl » 11.11.2006, 12:03

Liebe Angelika,

Dein Gedicht braucht einen intimen Schutzraum.
Es ist kaum geeignet für z.B. eine öffentliche Lesung.
Du sprichst zwar eine intersubjektive Erfahrung an, aber um sie einem Kreis über den Geliebten hinaus zu öffnen, müssten die Leser die Fähigkeit zur Diskretion mitbringen.
Vorweg: männliche und weibliche Eigenschaften finden wir sowieso in uns. Und müssen mit ihnern ins Gleichgewicht kommen, deshalb ist eine Rollenzuweisung albern. Aber je mehr es in den Bereich der körperlichen Erotik geht, desto geschlechtsspezifischer werden die Eigenschaften:

Das lyr. Ich spricht eine weibliche sexuelle Phantasie aus.
Und weckt damit unweigerlich eine männliche.

Das hier "Männerphantasien bedient werden" ist unfair: alles kann korrumpiert werden!
Du kannst Dein Gedicht davor nicht schützen (deshalb die Einleitung oben).
Daher würde ich in der Zeile "ich zu dir" das "ich" streichen.
Ich verstehe Deine Sorge, dass evtl. dann eine gesichtslose Sexphantasie greift (die übrigens nicht geschlechtsspezifisch ist), deswegen möchtest Du die personale Ebene "ich zu dir" einschalten.
Das könntest Du früher tun, z.B. mit "mein vertrautsein mit dir", oder so ähnlich. Aber es ist m.E. nicht nötig:
Für Dein Gedicht ist Vorraussetztung, dass das "Du" always on my mind ist, und die Sehnsucht im Herzen sowieso.
Aber es gibt auch die körperliche Sehnsucht...
Und das lyr. Ich ist im Gedicht sehr präsent: Es spricht mit dem Titel und der letzten Zeile eine Einladung an ein Gegenüber aus!

Jetzt noch was zu den "Männerphantasien" (ich beanspruche nun den obigen Schutzraum auch für mich):
Männliche Energie ist Impuls.
Es gehört zu den Horrorvorstellungen des Mannseins, dass der Lebenssaft ins Leere läuft. Kann man ruhig wörtlich nehmen...
Weil er, um einen altvorderen Philosophen zu zitieren, "das, was er jagt, selbst nicht hat und nicht ist".
Weibliche Energie ist (auch) Bergung.
Ihr ist es ein Graus, zum gejagten, eroberten und besessenen Objekt zu werden.
Mit dieser Geschlechterspannung werden wir wohl leben müssen.
Aber eins der unaufklärbaren Geheimnisse bleibt wohl, dass das Ziel auch der Anfang ist, der Ermöglichungsgrund:
Nie wird soviel positve männliche Energie und Lebensbejahung frei, wie wenn ich von meiner Herzensdame das Signal spüre: komm!

Dir ist es gelungen, das "komm" in elemntare Worte zu fassen...
Ich finde das phantastisch!
Jetzt könnte ich stärker inhaltliche Textarbeit machen, wenn Du willst mache ich das auch noch, aber nach dem bisher Gesagten reichts vielleicht erstmal...

Liebe Grüße, Carl

Max

Beitragvon Max » 11.11.2006, 16:16

Liebe Angelika,

ich finde Carls Kommentar zu deinem Gedicht hervorragend. Carl, Du hast eine besondere Art, Gedichte so zu lesen wie sie gemeint sind.

Dennoch - und das mag widersprüchlich klingen - habe ich mit dem Text und gerade mit der letzten Strophe Probleme. Durch die Wortstellung

meine Hingabe
ich zu dir
komm


durch die du die Männerphantasien nicht all zu sehr beflügeln wolltest, erreichst Du auf der anderen Seite nun, dass diese Strophe (zumindest für mich, evtl auch für rya) schwer oder gar nicht zu verstehen ist. Ich lese einfach immer "ich zu dir komm". Wenn das komm inhaltlich abgesetzt sein sollte, wäre vielleicht das einfachste es auch grafisch durch eine Leerzeile zu trennen ....

Liebe Grüße
max

rya

Beitragvon rya » 11.11.2006, 22:25

Hallo Tulpenrot.

ja,da hat Max recht,so lese ich es auch.

Rya

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 12.11.2006, 20:32

Hallo carl,

ich konnte dir nun gar nicht so schnell antworten - so viel aus deinem Kommentar sprach. Ich will es heute mal versuchen - er ist einfach toll! Und ich danke dir sehr dafür.
An eine öffentliche Lesung hab ich auch gar nicht gedacht beim Schreiben - es war eher ein sehr persönliches "Wort" - du hast diesen feinen Aspekt herausgefunden. Ich hab mich allerdings auch erschrocken - denn das Internet ist eiegntlich auch kein persönlicher Schutzraum und ich habe es eigentlich den "Blicken" sozusagen "frei gegeben". Ich wollte einfach erfahren, wie es auf Außenstehende wirkt.
Daher bin ich froh, dass du mir geschrieben hast. Was dabei herausgehört wird. Es ist anders als von mir vorgesehen - aber durchaus vertretbar. Was die Textarbeit angeht - ich bin gespannt!

Angelika
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carl
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Beitragvon carl » 13.11.2006, 10:13

Still
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entspannt

meine Hingabe
zu dir

komm


Das wäre jetzt eine Möglichkeit.
Warum das "ich" gestrichen ist habe ich ja schon ausführlich begründet, das "miteinander" weiter oben soll ein Versuch sein, anstelle der vorletzten Zeile die personale Dimension anzusprechen. Falls Du darauf bestehst.
Gut finde ich das Traum- und (Halb-)Schlafmotiv:
Es bringt eine andere Wirklichkeit ins Spiel als den Rationalitäts-/Körper-Dualismus, den wir sonst pflegen...

Liebe Grüße, Carl

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Beitragvon tulpenrot » 13.11.2006, 10:39

Hallo Max,

da stimme ich dir voll zu., dass Carl viel Gutes geschrieben hat. Dein vorschlag, das komm abzusetzen - diese Version hatte ich mir auch schon überlegt. Ich finde sie nicht schlecht. Ich danke dir für deinen Kommentar.
Angelika

Hallo Carl,
deine Version ist durchaus stimmig und glatt und wunderschön.
Danke.
Für das, was ich eigentlich ausdrücken wollte, muss ich wohl ein anderes Gedicht schreiben, das nicht so eindeutig nur in eine Richtung ausgelegt werden kann. Diese Zeilen geben anscheinend doch nicht so viel her.

Angelika
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Max

Beitragvon Max » 13.11.2006, 12:07

Liebe Angelika,

ich finde es erstaunlich, wieviel manchmal eine mimnimale Änderung bringen kann.

Liebe Grüße
max

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Beitragvon tulpenrot » 13.11.2006, 12:39

Hallo Max,

ja, wenn sie einem einfallen! Und wenn sie zu dem werden, was man sagen will, dann ist es gut. :antwort: :daumen:

Angelika
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