trauern

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 09.11.2006, 21:04

blicke
von gegenüber
schwären in mir
acht unüberwindbare
schritte nah

hinterrücks
überfällt mich
das gestern
deine augen
der himmel darin

worte
von der zeit
die wunden heilt
ich vermag sie
nicht einzuholen

und während ich
meine tränen
zum frühstück fresse
hungert mich
nach schweigendem Du


Erstfassung:

in mir eitern
blicke von gegenüber
acht unüberwindbare
schritte nah

flügellahme worte
von der zeit
die wunden heilt
ich vermag sie
nicht einzuholen

hinterrücks
überfällt mich
das gestern
deine augen
der himmel darin

und während ich
meine tränen
zum frühstück fresse
hungert mich
nach schweigendem Du
Zuletzt geändert von leonie am 21.11.2006, 16:15, insgesamt 4-mal geändert.

aram
Beiträge: 4475
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 17.11.2006, 05:26

liebe leonie

in beiden versionen irritiert mich das wort "flügellahm" - springt mir sozusagen entgegen, holt mich aus dem text. (bei näherer betrachtung komme ich zu dem schluss, es kann ersatzlos entfallen)

"fressen" finde ich sehr gut.

für s1 gefällt mir die wortstellung der zweiten fassung mit "eitern" am besten.

späte nacht- oder frühe morgengrüße .-)
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Benutzeravatar
tulpenrot
Beiträge: 181
Registriert: 30.08.2006
Geschlecht:

Beitragvon tulpenrot » 17.11.2006, 12:03

Liebe Leoinie,

hier bin ich auch noch mal vorbeigehuscht....

Die Wortumstellung am Anfang gefällt mir sehr.
Wenn ich jetzt das "eitern" mit dem "schwären" vergleiche, dann gefällt mir das Erste besser. Sicher, "eitern" ist ein starkes Wort, ein starker Vergleich, aber das "schwären" wirkt so altertümlich fremd, dass es kaum eine Wirkung hat. Es zieht an mir vorüber....
So viel ich verstehe, möchtest du an dieser Stelle etwas von dem Schmerz und seinen Wirkungen ausdrücken, die diese Blicke hervorrufen und auslösen. Und dieser Schmerz ist nicht nur ein Stich, der kurz und heftig ist, sondern etwas, was sich fortsetzt und dauert und nicht heilen will.

In deiner Zweitfassung ist mir noch was aufgefallen an dieser Stelle:

flügellahm das wort
von der zeit
die wunden heilt
ich vermag es nicht einzuholen


Was meinst du mit "es"? Das Wort? Bisher dachte ich immer, du meinst, die Zeit sei nicht einzuholen - nun scheint es das "Wort" zu sein, das man nicht einholen kann.

Ich finde "flügellahm" nicht unbedingt schlecht. Aber wenn du es ändern willst... wie wäre es stattdessen mit "müde" oder "ermüdend"?

Inzwischen kann ich auch das "fressen" ganz gut vertragen ;-)

Natürlich kenne ich deinen Stil nicht - so wie Lisa es beschreibt. Daher kann ich sicher nur Randbemerkungen machen. Mich beschäftigt aber dein Werk - und daher mein Engagement.

Hier deswegen ein Vorschlag - ob besser, ob als Anregung... ich weiß nicht...
Es machte mir jedenfalls Freude, mich mit deinem Werk zu beschäftigen!

blicke
von gegenüber
acht unüberwindbare
schritte nah

zerschneiden mich

ermüdend das wort
von der zeit
die wunden heilt

es holt mich nicht ein

hinterrücks
überfällt mich
das gestern
deine augen
der himmel darin

und während ich
meine tränen
zum frühstück fresse
hungert mich
nach schweigendem Du

Liebe Grüße
tulpenrot
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 17.11.2006, 16:08

Liebe Lisa,

danke!!!

Liebe Gerda,

auch danke!!! Das „schwären“ war ein Vorschlag von mir, aber Max hatte auch daran gedacht, und das hat mich ermutigt, es jetzt zu verwenden, obwohl es ein relativ ungebräuchliches Wort ist.

Lieber aram,

vielen Dank für Deinen Kommentar!!! Das „flügellahm“ war das erste Wort, das mir zu diesem Gedicht einfiel, und ich dachte, es soll einen Bezug herstellen zu dem „nicht einholen“. Aber ich glaube, so richtig funktioniert das nicht.
Wenn ich es ohne das Wort lese, muss ich Dir recht geben, ich denke, ich streiche es.

Liebe Angelika,

auch Dir vielen Dank, ich freue mich, dass Du Dich so mit dem Text beschäftigst. Das mit dem „es“ ist ein wichtiger Hinweis, ich ändere es wieder, weil da ein „sie“ stehen soll. Das „flügellahm“ streiche ich ersatzlos. Ich denke, beim „fressen“ und „schwären“ bleibt es jetzt erst mal.

Nur mit der Reihenfolge der Strophen bin ich noch unschlüssig, aber vielleicht sehe ich da klarer nach ein wenig Abstand.

Euch allen vielen, vielen Dank und liebe Grüße!

leonie

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 17.11.2006, 19:25

Liebe leonie,
was überlegst du denn zu den Reihenfolgen der Strophen?

Neugierige Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 18.11.2006, 18:43

Liebe Lisa,

die letzte Strophe ist ja eigentlich die einzige, die da bleiben muss, wo sie ist.
Bei den anderen bin ich mir nicht sicher, in welcher Reihenfolge (evtl. sogar mit Kürzung der ersten) sie am stärksten wirken.

Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 21.11.2006, 10:06

Liebe leonie,
also Strophe 1 ist genauso fest bei mir wie Strophe 4. Die beiden kann man für mich nicht verrücken, ohne an Sinn zu verlieren. Strophe 2 und 3 könnte man allerdings auch umdrehen. ich wäre allein nicht darauf gekommen, jetzt, wo ich es ausprobiert habe, finde ich es aber durchaus reizvoll?

blicke
von gegenüber
schwären in mir
acht unüberwindbare
schritte nah

hinterrücks
überfällt mich
das gestern
deine augen
der himmel darin

worte
von der zeit
die wunden heilt
ich vermag sie
nicht einzuholen

und während ich
meine tränen
zum frühstück fresse
hungert mich
nach schweigendem Du


Was ich daran etwas "besser" finde, ist das die jetzige dritte Strophe etwas mehr Quintessenz hat als die da davor und außerdem, dass die Erklärung der Situation jetzt mit einem Du auftaktet (deine augen).

geht sichelrich beides, aber jetzt, wo ichs ausprobiert habe, mag ich die hier :-))

Liebe Grüße,
Lisa

vielleicht gibts ja auch viele Kontra(bass)stimmen :-)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 21.11.2006, 16:14

Liebe Lisa,

ja, ich glaube, Du hast recht, ich drehe es wirklich um. Es kommt mir vor, als hätte ich ein Brett vor dem Kopf gehabt.

Liebe Grüße
leonie


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 44 Gäste