Was bleibt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 14.03.2006, 23:00

Was bleibt
(für J.)

Es war nicht die Liebe,
von der es heißt, sie mache blind -
es war die Seele nur
zu lang schon bedürftig im Wind.

Du hast darauf deine Segel
aus Eitelkeit und stolz gehißt -
mit farbigen Worten blendend
sie dann von den Klippen gestürzt.

Was bleibt, sind die Krücken,
an denen sie heute noch geht -
Lächeln als Tarnung will nicht glücken,
der Sturm indes hat sich gelegt.
Zuletzt geändert von scarlett am 15.03.2006, 08:18, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 14.03.2006, 23:55

dein Gedicht hat mich an meins ...wasbleibt erinnert...
So ganz anders und doch die Gedanken dahinter so verwandt...

Dein Gedicht ist stimmig... aber mir zu glatt... vielleicht durch die Reime, sorry.
Weißt du, "nur"die Seele, die beürftig im Wind...
Gibt es nicht andere Möglichkeiten den Defizit an menschlicher Zuwendung in Worte zu fassen?
Mir wird so sehr nach Courths-Mahler oder so ähnlich...
Die unerfüllte Liebe, des Mädchen, das sich von den Klippen stürzt und dann an Krücken "endet"...

Liebe Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 15.03.2006, 08:17

.. danke dir für die mitternächtliche Antwort.

Ich denke, bei Lichte besehen, kommt das, was ich sagen wollte wohl doch (noch) nicht so ganz rüber.
Es ging mir ja gerade NICHT um "unerfüllte" Liebe (siehe erste Zeile!), es ging um die bedürftige Seele, die eben aufgrund eines Mangels, einer Bedürftigkeit auf "farbige Worte" - wie immer man die auffüllen mag - ja durchaus "abfährt"- es ist dies, was das Du erkannt und worauf es die "Segel gehißt" und "erobert" hat - so wie ein Schiff mit vollen Segeln aufs glatte, weite Meer hinaussegelt, nach dem Motto: mir gehört die weite Welt....
Das "nur" steht an falscher Stelle- ich wollte damit eigentlich betonen, daß die Seele "nur schon zu lang bedürftig war" u deswegen dieser Täuschung erlegen ist - das muß ich ändern.

Um die "Klippen" hab ich lang gerungen - es sollte ein Bild her, das den tiefen Sturz der Seele (und nicht des Mädchens, Gerda!) versinnbildlichen sollte- kein abstraktes "Dunkelheit", "Bodenlose" oder dgl. "Klippen" paßte mir insofern, als auch ein Bezug zum Segel hissen gegeben war.

Schließlich - noch was zum Ende: ist denn das "sie" so schwach, daß es den Bezug zu Seele nicht hält??? Es geht die Seele an Krücken- das war übrigens die Grundidee des gesamten Textes - und das, meinte ich, sei doch eigentlich aus dem Zusammenhang klar.

Ich hätte den Text wohl eher in die Werkstatt stellen sollen-

Übrigens das "Glatte" - wie du schreibst - ist gewollt, sollte zusätzlich dieses "Abgleiten" unterstreichen einerseits, und andrerseits paßt es m M nach auch wieder zum Segel u dem implizierten Meer.

Ich ändere jetzt mal das "nur" - in der 3. Zeile der ersten Strophe.

Liebe Grüße dir und danke,

scarlett

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 15.03.2006, 20:51

Also, ich habe das mit der Seele zwar verstanden, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß irgendwas mit dem Konzept nicht hinhaut.

Attribute wie "eitel", "stolz" kann ich nicht mit dem Konzept "Seele" in Übereinstimmung bringen, das ginge nur mit Konzepten wie "Ego" und "Bewußtsein" - die Psyche ist für mich das Un(ter)bewußte, das nur über das Bewußtsein ins "reale" Dasein und das "planende" Element, also auch das "Wollen", übertragen werden kann.

Daher enthalte ich mich zunächst auch einer Kritik, Aufbau, Reim, Wortwahl betreffend.

Sorry, scarlett, aber so sehe ich das in diesem Fall...

Gruß
Frank

scarlett

Beitragvon scarlett » 15.03.2006, 21:52

... danke fürs Lesen. Ich hätte nicht gedacht, daß meine Gedanken so unklar sind. Ich versuche nochmal darzulegen, was intendiert war.

Die "Attribute wie eitel, stolz" gehören ja auch zum lyr. Du- das lyr. Ich wird hier nur als sie=Seele=Ich gesehen.
Die Seele des lyr. Ich ist verletzt, gestürzt und muß an Krücken gehen, nachdem Bedürftigkeit (an Zuwendung, Anerkennung u dgl mehr, das is ja beliebig erweiterbar) erkannt und ausgenutzt wurde aus Eitelkeit, Stolz, durch Blendung (farbige Worte), purer Abenteuerlust (deshalb das Bild mit dem Segel)- Berechnung - nur nicht aus Liebe.
Es sollte keine Deutung in Richtung "verlassenes armes Mädchen und enttäuschte Liebe" sein/geben. Gerade das war nicht beabsichtigt-

Ich weiß nicht, ob das nach erneutem Lesen klarer sein wird- ich hab mir eingebildet, die Sache sei sehr einfach- wenn nicht sogar ZU einfach strukturiert; wenn man das in Prosa übertragen würde, wäre es wahrscheinlich ein billiger plot. :smile:


Lieben Gruß,

scarlett

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 15.03.2006, 22:05

Okay, das habe ich jetzt verstanden:

Das "Du" ist jemand, der das "Ich=sie, die Seele" ausnutzt und benutzt.
Die Assoziation "enttäuschtes, verlassenes Mädchen" hatte ich zumindest auch gar nicht - das war nicht mein Verständnisproblem.

Es handelt sich in dem Gedicht demnach um einen Menschen, nehme ich an (der sich also quasi selber zerstört, zumindest einen Teil von sich, und das dann versucht, zu überspielen).
Zumindest entnehme ich das dann dem letzten Abschnitt.

Aber all das wird mir leider nur durch deine Erläuterungen klar, nicht durch das Gedicht selbst.

Und das ist doch das eigentliche Problem.
Vielleicht habe auch nur ich einfach hier eine Art "Hangover", es wäre nun wirklich interessant, noch andere Meinungen zu lesen - ob das Verständnisproblem mein persönliches ist oder ob noch mehr Leser es haben (Gerda hat ja auch eines damit).

Daher warte ich jetzt ersteinmal ab.

Gruß
Frank

PS: Die Idee an sich finde ich gut, wollte ich jetzt noch mal kurz loswerden.

Gast

Beitragvon Gast » 15.03.2006, 22:39

auch wenn sich leider noch keinen weiteren Stimmen "Geräuspert" haben, möchte ich mich kurz noch mal melden und bestätigen was Frank kommentiert hat: Das Gedicht transportiert die Botschaft nicht.
(jetzt mal abgesehen davon, dass ich es noch anders verstanden hatte).
Meine Vorschlag wäre ja, weglegen, warten und völlig neu beginnen...

gute Nacht-Grüße
Gerda

Rayo del Sol

Beitragvon Rayo del Sol » 15.03.2006, 23:59

Hallo Scarlett,

ich finde Dein Gedicht interessant. Die formale "Glätte" stellt meiner Meinung nach gerade im Zusammenhang mit dem leicht abstrakten Inhalt einen Spannungsbogen her. Bei mir ist Deine Botschaft auch vor dem Lesen der Kommentare angekommen.


Liebe Grüße
Rayo del Sol

moana

Beitragvon moana » 16.03.2006, 08:42

Morgen allerseits!

Also...ich habs so verstanden. Also, dass die Seele zuerst nach jemanden gehungert hat, dann kam dieser jenige und dann hat er sie wieder allein gelassen, worauf hin sie gebrochen war und dies aber versucht zu überspielen, was aber nicht gelingt, weil man es ihr noch immer anmerkt. Also, der Seele. Ich weiß noch nicht genau, wie ich das Gedicht finden soll, dazu muss ich es noch öfter lesen, aber vom Verständnis her...kam das bei mir so an :grin: !

grüßerl moana

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.03.2006, 10:56

... ich danke euch allen ganz herzlich für das feedback :smile:

@ Frank und Gerda: ich werde es ruhen lassen und dann nochmal, nach längerer Zeit anschauen, vielleicht auch ganz von vorn beginnen.
@ "Sonnenstrahl" - und moana: ein wenig ist ja doch transparent geworden, was ich mit dem Text wollte- die Idee mit dem Spannungsbogen hab ich so gar nicht gehabt- vielleicht kann ich ja damit noch mehr anfangen, wenn ich überarbeite. :smile:

Schönen Tag euch und Gruß
scarlett


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