Vogelzug

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 18.03.2006, 19:57

Vogelzug


Weil sie in Scharen
wiederkommen
warte ich

Wegen ihres Zirpens
hinter grünem Blätterspiel
lebe ich

Weil sie in Schwärmen
heimziehen
folge ich ihnen

2. Fassung:

Vogelzug


Weil sie in Scharen
wiederkommen
warte ich

Wegen ihres Zwitscherns
hinter grünem Blätterspiel
lebe ich

Weil sie in Schwärmen
fortziehen
folge ich ihnen
Zuletzt geändert von Perry am 20.03.2006, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 18.03.2006, 20:24

Hallo Manfred,

bin im Geiste den Schwärmen gefolgt ... Dein Text gefällt mir gut, besonders vom Aufbau her!

Ein kleines Problemchen hatte ich beim Lesen dann aber doch:

Können Vögel zirpen??? Dieses Verb ist für mich von der Assoziation sehr stark mit Grillen verbunden. Aber ich bin auch kein Ornithologe ...

LG Herby

Perry

Beitragvon Perry » 18.03.2006, 20:28

Hallo Herby,
freut mich, dass Dir meine kleine Lebensphilosophie gefällt.
Ich denke, Vögel haben eine große Ausdrucksbreite, aber man könnte sicher auch zwitschern, trillern oder was in der Art nehmen.
Danke und LG
Manfred

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 18.03.2006, 20:31

Mhm,

ich habe ein Problem mit dem Text:

Wenn es darum geht, daß die Vögel aus dem Wintergebiet zurückkommen, dann kann ich ehrlich gesagt keinen wirklichen Unterschied erkennen zwischen

"weil sie in Scharen wiederkommen"
und
"weil sie in Schwärmen heimziehen"
dann kann ich natürlich auch dem
"warte ich" und "folge ich"
nicht folgen...


Bei dem "Zirpen" bin ich mir auch nicht sicher, ob das geht...

Gruß
Frank

Herby

Beitragvon Herby » 18.03.2006, 20:41

Hi Frank,

ich hab's so verstanden, dass die 1. Strophe den Vogelzug in unsere Breitengraden und die 3. Strophe seinen Weg zurück in den wärmeren Süden meint ... Dann würde es doch Sinn ergeben, oder hab ich da was falsch verstanden??

Gruß Herby

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 18.03.2006, 20:50

äh...

die Vögel ziehen doch aus unseren Breitengraden im Winter weg, gen Süden und kehren dann heim (im Frühling) in unsere Breitengrade...
daher ist für mich eben "wiederkommen" und "heimkehren" dasselbe, und das läßt mich halt stutzen.

Daher verstehe ich deine Frage/Anmerkung irgendwie nicht... :???:

Grübelnder Gruß
Frank

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 18.03.2006, 21:03

Hallo zusammen

Wie definieren Vögel denn "heim"? Ist für sie "heim" in Europa oder ist "heim" in Afrika?
Ich verstehe Perry so, dass die Vögel heim nach Afrika ziehen, wie Herby schon meinte. Er geht davon aus, dass sie sich im Süden heimisch fühlen (und das lyr. Ich fühlt genauso?)
Ich finde das Gedicht sehr gelungen. Nur das Zirpen lässt mich genau wie Herby und Frank stutzen. Singen fände ich persönlich am passendsten.

Ein schönes Gedicht, Perry.

MfG

Jürgen

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 18.03.2006, 21:22

Ich möchte jetzt zwar nicht sinnlos streiten, aber ich denke doch, daß selbst für Vögel da "Heim" ist, wo sie ihre Jungen ausbrüten und großziehen...

Kopfschüttelnde Grüße
Frank

Perry

Beitragvon Perry » 19.03.2006, 16:55

Hallo ihr Lieben,
ich freue mich über euer Interesse. Vielleicht lässt sich das "Heimproblem" lösen, wenn wir den Vogelzug als Metapher für das Leben interpretieren.
Wir kommen in diese Welt, werden (wieder)geboren, erfreuen uns an den Schöhnheiten und Geheimnissen (Zirpen hinter den Blättern) und kehren heim ins ewige Leben.
Selbstverständlich sind auch andere Interpretationen möglich. Für das Zirpen werde ich wohl "tirilieren" nehmen, weil dieses nicht so gebräuchlich ist, wie singen oder zwitschern.
Danke euch allen und LG
Manfred

moana

Beitragvon moana » 19.03.2006, 17:23

Hallo Perry!

Also, ich finde das Gedicht schön, so wie es ist. Ich würde auch zwitschern lassen, weil ich finde, dass tirilieren sich ein wenig zu überschwänglich anhört. Das Gedicht vermittelt mir ansonsten nicht die Begeisterung, die hinter diesem einen Wort steckt. Inhaltlich interessant und nachdenklich machend, wobei ich jetzt keine Verständnisprobleme gesehen habe. Man muss ja nicht alles immer 100 % verstehen und kann es trotzdem schön finden! Und genau das tue ich.

grüßerl moana

Perry

Beitragvon Perry » 20.03.2006, 08:03

Hallo Moana,
Danke für deinen Eindruck. Ich denke, die Einschätzung von tirilieren ist treffend und passt nicht zu dem ansonsten getragenen Ton des Gedichts.
LG
Manfred

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.03.2006, 12:24

Hallo Perry,
dieses reduzierte Gedicht gefällt mir sehr...
Tja, und dann, auch mir gefällt zirpen nicht..meinst du vielleicht (tschierpen (ich weiß nicht, wie man es schreibt :???: )...?

Vielleicht kann man die Heim-Nicht-Heim-Problematik einfach ausklammern, wenn man statt heimfliegen fortfliegen nähme...Intuitiv hätte ich das "Heim" der Vögel zwar auch hier angesiedelt, aber das ist wohl eher im galileischem Sinne subjektiv. Vögel haben letztendlich wohl gar kein Heim. Sie heißen ja auch "Zugvögel"....mir scheint "wieder"kommen und "fort"fliegen wichtiger für die Problematik des lyrischen Ichs.

Perry

Beitragvon Perry » 20.03.2006, 14:57

Hallo Lisa,
ich denke, dein Vorschlag könnte eine gute Lösung sein.
Danke fürs Reindenken und LG
Manfred

Gast

Beitragvon Gast » 20.03.2006, 15:23

das Wort Tschierpen gibt es nicht.
Aber Tschilpen.


Vogelsang
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Tschilpen)


Als Vogelsang bzw. Vogelgesang, Vogellaute oder Vogelstimmen wird in der Ornithologie die Kommunikation der Vögel bezeichnet. Dieser Gesang war für die größte Gruppe der Vögel, die Singvögel sogar namensgebend. Aber auch andere Vogelstimmen, auch wenn sie den Menschen vielleicht weniger ansprechen, werden als Gesang bezeichnet, z.B.: Balzrufe, Blasen und Tuten, Gackern, Fauchen, Schnarren, Schmatzen, Schmätzen und Schwätzen, Zirpen, Flirren & Schwirren, Gurren, Klappern, Klopfen, Krächzen, Krähen, Kreischen, Tschilpen und vieles mehr. Das Fehlen von früher vertrauten Vogelstimmen war der Beginn gewissen ökologischen Umdenkens.
Ich habe die Diskussion am Rande mitverfolgt und wollte eigentlich schon früher mal was schreiben...
Zirpen geht nicht. Höchstens im Vergleich bei einem Individuum, das ist etwas anderes. z. B. Der Nesthocker zirpte wie eine Grille, oder zirpte leise. Jedenfalls könnte ich mich in einem solchen Fall damit anfreunden.
:smile:

Hinsichtlich des Begriffs Vogelzug:
Als Vogelzug bezeichnet man den alljährlichen Flug der Zugvögel von ihren Brutgebieten zu ihren Winterquartieren und wieder zurück. Vogelpopulationen, bei denen nur ein Teil der Vögel zieht, bezeichnet man als Teilzieher, früher mal Strichvögel genannt, Populationen, die nicht ziehen, bezeichnet man als Standvögel. (Wikipedia)

Hiernach würde ich meinen, dass die Brutgebiete wohl als Heimat der Zugvögel anzusehen ist.

Du kannst das Gedicht aber durchaus stimmig (im Sinn der Ornithogie) bekommen, ohne dass die Poesie leidet.

Liebe Grüße
Gerda


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