Sechzehn Monde schwammen vorüber

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 29.12.2006, 07:54

Sechzehn Monde schwammen vorüber.
Am besten zähle ich sie nur nachts.
Du schneidest dir lieber
einen neuen Stern in deinen Himmel.
Einfach so.
Auch wenn du nicht mit mir rechnest: Sei getrost.
Meine Gleichung geht nicht auf.
Es gibt keinen Unbekannten, nach dem man suchen müsste.

Du warst mein Lehrer,
ich hatte gute Noten.
Die spiel ich nun alleine.
Auf der Flöte.
Wolltest du nicht Klarinette üben?
Doch du brennst nur Löcher
in die Zeitung
und lachst dich kaputt
beim Morgenkaffee mit ihr.

Sollte ich eine Tulpe bei dir vergessen haben,
so entschuldige ihre Sehnsucht.
Sie liegt in deinem Garten begraben
und trägt im Winter rote Dornen
und im Sommer wilde Früchte.
Weißt du? Neben dem weißen Leib der Birke.

8.8.2005 - 8.12.2006

(c) tulpenrot
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.12.2006, 11:12

Guten Morgen Tulpenrot,
mir gefällt der Titel und das Gedicht sehr gut! Es gibt aber noch ein paar kleine Unklarheiten (für mich)

Sechzehn Monde schwammen vorüber.
Am besten zähle ich sie nur nachts.


-Kann man Monde auch tagsüber zählen? (Die erste Zeile, auch wenn ich sie nicht entschlüsseln kann, finde ich wie gesagt sehr schön!)

Einfach so.
Auch wenn du nicht mit mir rechnest: Sei getrost.
Meine Gleichung geht nicht auf.
Es gibt keinen Unbekannten, nach dem man suchen müsste.


-Das verstehe ich gar nicht :smile: ! Das "Einfach so" würde ich jedenfalls streichen. Jetzt schwirrt mir gerade ein Lösungsversuch im Kopf, aber wieso kommst Du denn nach den schönen 16 Monden auf mathematische Gleichungen mit unbekannter Variabler (-Oh Graus!!!)...

Also das gefällt mir nicht. Das kann aber auch an mir liegen. Willst Du sagen es gibt keinen Unbekannten = Es gibt keinen Gott oder = Es gibt keine andere Frau oder etwas ganz anderes?

Was danach kommt finde ich wieder sehr hübsch! Die Noten in Verbindung zur Flöte! Das ist fein!

Anscheinend leben die beiden jetzt zusammen :wub: ...aber auch hier verstehe ich wieder nicht das Verbrennen der Zeitung, wobei: Das kommt auf die Zeitung an!
Dennoch ist mir auch dieser letzte Abschnitt von der zweiten Strophe etwas "suspekt" :smile:. Er hat aber schöne Bilder und ich mag ihn viel mehr als den letzten Abschnitt der ersten Strophe!

Tulpen tragen Früchte? Wie dem auch sei: Die letzte Strophe finde ich wieder sehr schön :blumen: !

(Bilde ich mir diesen leichten Unterton der ENttäuschung nur ein oder ist er tatsächlich vorhanden?)

Jedenfalls ein gutes Gedicht!

Ich wünsche schon mal ein feines Sylvester!
l.

Wichtiges PS: Steht da unten ein Datum? Sind das Geburts- und Sterbedaten oder der ZEitraum, in welchem die Tulpe im Garten liegt? Kann es sein, dass ich das ganze Gedicht missverstehe :smile: ? (Nimm mich bloß nicht ernst!!!)

PS II: Ach, meinst Du mit den 16 Monden den unten angegebenen Zeitraum??? Ich kenne mich astrologisch nicht so gut aus. Auch sonst nicht!

Gast

Beitragvon Gast » 29.12.2006, 11:27

Liebe Angelika,

das ist toll. Du hast "Gängige Redewendungen“ ungewöhnlich eingesetzt, dass sie in diesem Kontext die entgegen gesetzte Bedeutung erhalten.

Am Beispiel der Gleichung, die eben nicht aufgeht, obwohl nicht (mit mir) gerechnet.
Jeder weiß, dass Gleichung ein mathematischer Begriff ist und dass man beim Lösen einer solchen rechnet.
Jetzt könnte man sagen, dass ja nicht gerechnet wurde, also eine Gleichung auch nicht aufgehen kann. Hier ist aber die Bedeutungsebene eine andere: Mit einem Menschen oder dessen "sich bemerkbar machen" nicht zu rechnen... dann die Gleichung nicht aufgehen zu lassen, ja, das ist Klasse ausgedrückt.
Der innerlich geführte Dialog mit dem lyr. du ist dir insgesamt gut gelungen.
In der letzten Strophe wird es ein wenig schwächer, weil die Bilder nicht diese Umkehrung erfahren.
Ich überlege noch, ob dieses "lachst dich kaputt" so gut gewählt ist.
Ich bin mir nicht sicher, vielleicht muss ich den text noch öfter lesen... Es ist für den Moment, den du beschreibst schon passend, aber dieses "kaputt" empfinde ich fremd zwischen den anderen Worte.
Da es aber nicht einen Bruch markiert würde ich hier noch einmal überlegen.
Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße
Gerda

@ Louisa: 16 Monde = 16 Monate
Die Datenangabe könnte der Entstehungszeitraum sein, das mache ich auch oft.
;-) LGG

Louisa

Beitragvon Louisa » 29.12.2006, 11:34

(Meine Güte, bin ich dumm! Danke Gerda! ...und sowas macht Abitur!)

Jeder weiß, dass Gleichung ein mathematischer Begriff ist und dass man beim Lösen einer solchen rechnet.
Jetzt könnte man sagen, dass ja nicht gerechnet wurde, also eine Gleichung auch nicht aufgehen kann. Hier ist aber die Bedeutungsebene eine andere: Mit einem Menschen oder dessen "sich bemerkbar machen" nicht zu rechnen... dann die Gleichung nicht aufgehen zu lassen


Also ich mag das ja, wenn solche Wendungen wie "Nicht mir mir rechnen" wörtlich genommen werden, aber findet das außer mir hier niemand kompliziert :smile: ?
Das ist doch ein Gedicht und keine Textaufgabe :smile: !

(Wobei es auch ein gutes Gedicht gibt, was "Textaufgabe" heißt... Also für mich sind die Worte an dieser Stelle zu "trocken" :smile: !)

(So lange hast Du an dem Gedicht geschrieben, Angelika? Ich bin beeindruckt!)

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annette
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Beitragvon annette » 29.12.2006, 11:47

Hallo tulpenrot,

schöne Metaphern und treffende Bilder.
An einer Stelle ziehst Du ein Wortfeld in die folgende Strophe hinein: Die Mathematik (als Schulfach) aus der 1. in die 2 (Lehrer und Noten). Mir würde es gefallen, wenn solche "Übergriffe" häufiger wären, wenn die semantischen Felder (Nachthimmel, Mathematik, Musik, Flora) sich mehr durchdringen würden.

Einige Bilder bleiben mir unklar: Wenn es keine(n) Unbekannte(n) gibt, dann gibt es auch keine Gleichung, die aufgehen könnte, oder?
Ansonsten verstehe ich das Bild so, dass das lyrische Ich hofft, im Du noch einen Unbekannten zu finden, vielleicht „sein wahres Gesicht“ zu entdecken? Aber es wird klar: Da ist nichts zu finden. Insofern geht dann natürlich auch die Rechnung (die Hoffnung) des Ich nicht auf.

und lachst dich kaputt
beim Morgenkaffee mit ihr.


Louisa freut sich über die holde Zweisamkeit. Aber ich denke, mit „ihr“ ist nicht das Ich, sondern die Nachfolgerin gemeint.

und trägt im Winter rote Dornen
und im Sommer wilde Früchte.


„rote Dornen“ und „wilde Früchte“ ist mir etwas zu klischeehaft.

Weißt du? Neben dem weißen Leib der Birke.


Das gefällt mir sehr.

Ansonsten fänd ich es schön, wenn die Sprache dichter würde.
Brauchst Du „am besten“ (Vers 2) oder „lieber“ (Vers 3)?

Insbesondere in der dritten Strophe ist die Sprache sehr nah an der Prosa, da könnte man verdichten.

Nur als Anregung:

"Und vergaß ich eine Tulpe bei dir,
so entschuldige ihre Sehnsucht.
In deinem Garten begraben
trägt sie Winterdornen
und Sommerfrüchte.
Weißt Du? Neben dem weißen Leib der Birke."

Es grüßt Annette

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.12.2006, 12:30

Liebe Angelika,

nur ganz kurz: Ich finde Dein Gedicht ganz, ganz toll! Du hast wirklich außergewöhnliche Bilder gefunden und kombiniert.
Wenn Du Zeit hast, würde ich mich freue, es auch in der Hörbar von Dir zu hören!

Liebe Grüße

leonie


Louisa, die Angabe der Daten umfasst genau 16 Monate, ich denke, deshalb steht sie darunter.

Gast

Beitragvon Gast » 29.12.2006, 23:26

ich finde den Text zum Niederknien schön, du weißt
:hand0051: :hand0051:
:) Bea

Max

Beitragvon Max » 31.12.2006, 16:51

Liebe Angelika,

das finde ich eine außergewöhnliches und ein sehr gutes gedicht von Dir.

Die Eigenheit des Gedichtes wörtlich zu nehmen, was es sagt (das ist eigentlich sehr löblich, sollte man nicht immer wörtlich nehmen können, was man sagt?), wurde ja schon andernorts gelobt. Dass mir das nicht am besten bei der vielgepriesenen Gleichung, sondern bei den Noten gefällt, mag eine Berufskrankheit von mir sein.
Überhaupt scheint mir das Gedicht am allerstärksten, wo es über das Spiel mit begriffen (ich weiß, dass es mehr ist als ein Spiel, lass es mich für den Moment trotzdem so nennen) hinauseht und ganz eigene Welten beschreibt. Die Löcher in der Morgenzeitung sind so eine Stelle für mich.
Die letzte Strophe

Sollte ich eine Tulpe bei dir vergessen haben,
so entschuldige ihre Sehnsucht.
Sie liegt in deinem Garten begraben
und trägt im Winter rote Dornen
und im Sommer wilde Früchte.

vewirrt mich wegen der Tulpe, de dort auftritt ... wieso ist es gerade eine Tulpe?

Dafür finde ich
Weißt du? Neben dem weißen Leib der Birke.


sehr schön!

Liebe Grüße
max

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 01.01.2007, 12:57

So, nun ist das neue Jahr da und ich hab endlich Zeit, eure Kommentare zu bedenken... Ihr habt da schon so viele Gedanken zusammen getragen - und auch Lob ausgeteilt - dass es mich sehr freut.

Es ist mir beim Schreiben so manches an Stimmungen und Gefühlen und Erinnerungen durch den Kopf gegangen. All das hat seinen Niederschlag in den Worten und Bildern gefunden.

@Louisa:
Die 16 Monde - Ich glaube ,es hat sich nun geklärt:
Es sind 16 Monate vergangen und in der Zwischenzeit hat sich einiges getan und geändert:

Das Ich zählt sie fein säuberlich (siehe Datum unten), vor allem nachts, wie wenn man Schäfchen zählt, weil man (=das Ich) nicht schlafen kann.
Das Du rechnet nicht mehr mit dem Ich = also hat eine Trennung stattgefunden.

Ich habe nun 2 Motive weiterverwendet:
die Gestirne (erst den Mond, nun die Sterne)
und den Umgang mit Zahlen: erst das Zählen, nun das Rechnen und das Gleichungen aufstellen.

Es wird also ausgesagt: Das Du hat jemand Neues, das Ich aber nicht = es gibt keinen Unbekannten... Und eigentlich geht es das Du nichts mehr an, was geschieht.
Umgekehrt genauso wenig.
Das Ganze bekommt immer wieder einen sarkastischen Unterton.

@ Gerda: Vor allem auch bei dem "lachst dich kaputt" kommt dieser Sarkasmus stark heraus. Ich würde ungern darauf verzichten. :-(
Ich finde deine Interpretation dieser Stelle aber auch sehr interessant und möglich.

@ Louisa: Das Einfach so bezieht sich auf das Vorherige. "Du schneidest dir mal eben einen neuen Stern in deinen Himmel" ... Das tut auch beim Lesen weh, denke ich.

Mit dem Lehrer greife ich wieder die Rechengeschichte auf - aber wechsle sozusagen das Fach: die Musik. In diesem Bild versteckt sich einiges an Deutungsmöglichkeiten, die ich jedoch dem Leser überlassen möchte.

Ich denke, es wird deutlich, dass sich das Du geändert hat. Was vorher war, ist nicht mehr, die Ziele haben sich geändert, der Spaß ist ein anderer, das Du ist nun mit ihr beim Morgenkaffee und nicht mehr mit dem Ich.

@ Anette: du hast recht - es ist die Nachfolgerin. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich diese Bilder noch besser verweben können, da hast du recht - aber.... vielleicht bei anderer Gelegenheit? Hier etwas zu verbessern, fällt mir schwer.
Ich hab noch mal überlegt: am besten oder lieber zu streichen - aber dann verlieren diese Sätze ihre Unbarmherzigkeit. Finde ich. Sie sind schroff und hart gemeint und gewinnen dies durch diese Beiworte.
Vielleicht hört man es, wenn ich sie dann mal lese.

Wenn ich das Rot bei den Dornen wegnehme, dann steht das Weiß bei der Birke als Farbe so allein da, war meine Überlegung. Rot - weiß - zwei sehr gegensätzliche Farben. Das eine hat mit Wärme, Liebe zu tun, das andere eher mit dem Tod (bei meiner Interpretation). Daher mache ich eigentlich mit meinen Umkehrungen weiter. Das Rot bekommt die Dornen zugesellt, und der Leib ist weiß.

@ Mac: Und die Blumen sind auch ziemlich verkehrt da. Ich mache also weiter mit den Verdrehungen. Natürlich haben Tulpen keine Dornen und keine Früchte. Aber es ist doch alles schmerzlich verkehrt worden. Die Sehnsucht nach dem Du ist geblieben, begraben aber bei dem Du, in aller nächster Nähe. Tulpenzwiebeln in die Erde gesteckt, die Liebe in den Tod gegeben. Aber die sehnsucht bleibt dennoch. Es könnte sein, dass sie blüht, immer weider udn die Nähe sucht.

Nun, wenn ihr meinen Nicknamen betrachtet, dann muss es doch irgendwie klingeln...

@ leonie: ich lese für die Hörbar, sobald ich etwas Luft hab ;-)

Ist jetzt etwas klarer, wie ich gedacht und verknäuselt und auch mit Bildern und Worten gesielt hab? Manches bleibt vielleicht auch etwas geheimnisvoll, auch für mich selber. Es ist ein Spiel - um damit Stimmungen zu erzeugen und Sachverhalte darzustellen, zu verkleiden sozusagen.

@ Bea: Du weißt, wie sehr mich dein Lob freut!!! :-)))

Danke euch allen.

tulpenrot
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Beitragvon annette » 01.01.2007, 13:15

Liebe tulpenrot,

tulpenrot hat geschrieben:Ich hab noch mal überlegt: am besten oder lieber zu streichen - aber dann verlieren diese Sätze ihre Unbarmherzigkeit. Finde ich. Sie sind schroff und hart gemeint und gewinnen dies durch diese Beiworte.


Das ist vielleicht unterschiedlich je nach eigenem Sprachgebrauch, für mich wirkt es aber genau umgekehrt: Die Beiwörter schwächen die Aussagen für mich ab.

Das ist so, wie wenn mich jemand fragt, ob ich noch einen Kaffee will, und ich sage statt "Nein, ich möchte keinen Kaffee" "Och, Tee wär mir lieber" oder "Besser ich trinke keinen mehr". Ist für mich nicht indirekter.

Gruß und ein gutes Jahr, annette

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Beitragvon tulpenrot » 02.01.2007, 00:56

Hallo Anette,
ob dein Beispiel trifft? Wenn ich deinem Beispiel nachgehe, dann kommen mir folgende gedanken:
Ich finde es ist ein Unterschied, wenn ich einfach nur schroff antworte, ich will keinen Kaffee. Oder wenn ich sage, ich möchte lieber Tee (statt Kaffee).
Mein "lieber" drückt doch aus, dass das Du "lieber" einen Stern ausschneidet statt wie das Du in schlaflosen Nächten die Monde=Monate zählt.
Warum soll es nicht stehen bleiben?

Fändest du, es sei etwas gewonnen, wenn ich schreibe:

Sechzehn Monde schwammen vorüber.
Ich zähle sie nachts.
Du schneidest dir
einen neuen Stern in deinen Himmel.
Einfach so.


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Beitragvon annette » 02.01.2007, 08:28

tulpenrot hat geschrieben:Ich finde es ist ein Unterschied, wenn ich einfach nur schroff antworte, ich will keinen Kaffee. Oder wenn ich sage, ich möchte lieber Tee (statt Kaffee).


Ja, genau um diesen Unterschied geht es doch. Du schriebst gestern: "Sie sind schroff und hart gemeint und gewinnen dies durch diese Beiworte." Ich hatte sie auch schroff und hart verstanden, finde aber, dass die Beiworte eben das abschwächen, was Du bei dem Kaffee-Beispiel auch empfindest. Ist aber wie gesagt sicher Gewohnheitssache. Wenn ich etwas möglichst entschieden ausdrücken will, vermeide ich jede Art von Beiworten.

Sechzehn Monde schwammen vorüber.
Ich zähle sie nachts.
Du schneidest dir
einen neuen Stern in deinen Himmel.
Einfach so.


Das zweite Bild würde für mich so wirklich gewinnen.
Bei dem ersten fehlt das "nur". Die Satzstellung ist hier mit einer adverbialen Bestimmung am Anfang geschmeidiger, das gebe ich zu.

tulpenrot hat geschrieben:Mein "lieber" drückt doch aus, dass das Du "lieber" einen Stern ausschneidet statt wie das Du in schlaflosen Nächten die Monde=Monate zählt.


Du willst sagen, dass das Ich lieber das eine macht, während das Du etwas anderes tut. Meinst Du das so? Dann haben "lieber" und "besser" eine andere Funktion, die erhalten bleiben muss. In dem Fall würde ich das nur im zweiten Bild unterbringen: Ich tue dies, Du lieber das.

Liebe tulpenrot, Du fragst "Warum soll es nicht stehenbleiben?" Ich will gar nicht sagen, was es soll, nur wie es bei mir ankommt. Manche Gedichte entstehen aus einem bestimmten Grund einfach so, wie sie sind, und man kann daran nichts mehr ändern, auch wenn es irgendwelche "guten Gründe" dafür gibt.

Lieber Gruß, annette

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Beitragvon tulpenrot » 02.01.2007, 09:06

Hallo Anette,

genau darum geht es mir!

Du willst sagen, dass das Ich lieber das eine macht, während das Du etwas anderes tut. Meinst Du das so? Dann haben "lieber" und "besser" eine andere Funktion, die erhalten bleiben muss


Und deswegen muss es stehen bleiben!
Es wirkt dennoch schroff - bzw. eher mit sarkastischem Unterton.

Die "abgespeckte" Form wirkt dagegen blass, finde ich, nach nochmaligem Lesen.

Das "nur" finde ich gar nicht gechmeidiger, sondern bewirkt eine Betonung - wodurch das Spiel mit dem Bild "Mond" unterstrichen wird, dieses Hin- und Herkippen zwischen Mond= Monate und Mond=das Gestirn am Himmel, nachher im Gegensatz zu den Sternen.

Ich denke, es sollte auch nicht so sehr als "Gedicht" gelesen werden, das nach völliger Verdichtung strebt, mit gerippeartigen Satzstücken, sondern als mehr ausgeschmücktes Prosagedicht.
Ich habe den Verdacht, dass nur das als Gedicht anerkannt wird, was stark verdichtet daherkommt, was keine Füllwörter mehr kennt, was sich aller Verschnörkelungen entledigt hat.
Ist das so?

Ich habe andererseits so sehr verdichtete Werke hier gelesen, die dann nur noch Rätsel aufgeben oder dem Leser so viel Spielraum geben, dass nach Verstehenshilfen gefragt werden muss.
Es macht mich fragend.

LG
tulpenrot
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Beitragvon Lisa » 02.01.2007, 14:09

Hallo Tulpenbrot,
ich habe die vielen Kommentare nicht annährend gelesen.
Ich finde den Text insgesamt total gelungen, gleich der Auftakt ist kräftig und originell in seinen Bildern, einfach nur toll. Das Ende finde ich dann fast genauso stark (Tulpe/Birke). Weil ich den Text für so gelungen halte, beschäftige ich mich dann näher mit ihm und komme dann zu folgendem Eindruck:

Der Mittelteil ist dann für mich etwas durcheinander, was die Bilderwahl angeht. Ich glaube nicht, dass das mit der Frage verdichten oder nicht verdichten zu tun hat, sondern mit der Durchführung der Komposition. Den Matheteil würde ich daher komplett streichen. Und die mittlere Strophe etwas weniger wortspiellastiger machen, dann hätte sie für mich mehr Reiz (die Wut muss natürlich bleiben). (Die Zeitung gefällt mir aber!).
Aber das haben die anderen ja schon alles differenzierter und besser gesagt. Ich finde, der Text gewönne durch die Überarbeitung, was aber für dich keine Verpflichtung bedeutet (mir kommt es so vor, als empfändest du es so). Wie gesagt, weil ich den Text total gelungen finde, beschäftige ich mich näher mit ihm.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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