Im Osten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 02.04.2006, 21:33

Im Osten

Akazienduft
liegt auf der Stadt.

Träge tropft verträumtes Leben
durch Ritzen roter Fensterläden
auf vibrierenden Asphalt.

Jahrhunderte
werden umgegraben,

die Augen der Dächer lächeln stumm.
Der alte Friedhof klagt mit Namen
aus brüchiger Erinnerung.

Allein die Steine
trotzen dem Vergessen,

tragen verletzte Haut zur Schau -
Ihre rauhen, wunden Stimmen
umflüstern mich im Sommerblau.


scarlett, 2006
Zuletzt geändert von scarlett am 24.05.2006, 21:56, insgesamt 4-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 02.04.2006, 23:01

bis auf den letzten Vers ausnahmslos wunderbar poetisch, liebe scarlett, doch bei dieser letzten Zeile emfpinde ich nicht nur den Reim störend, sondern genauso störend empfinde ich den Satzbau,
außerdem stellt sich mir noch die Frage, ob es nicht eher so ist, dass die wunden Stimmen gar nicht tragen können sondern nur ans Ohr dringen...
Wie können leise wunde Stimmen einen in des Himmels Blau tragen??? Ich bin irritiert :???:
Die Metapher an sich ist unpassend, zu großartig für die Stimmen...

Liebe Grüße
Gerda, von deinem Text berührt

pandora

Beitragvon pandora » 03.04.2006, 16:46

scarlett,

ich kann mich gerda nur anschließen

wunderbare poesie, die von den letzten zwei zeilen zerstört wird. kann man die nicht einfach weglassen und enden mit:

"tragen verletzte Haut zur Schau."???

außerdem noch ne mäkelei zum titel. ich hab das gedicht für mich einfach unter der überschrift "im osten" gelesen, dann wiederholt sich STADT nicht und der text bekommt weitergehende interpretationsmöglichkeiten.

lg

p.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.04.2006, 16:50

Hallo scarlett,
ich finde die Tipps von pandora und Gerda ausnahmslos richtig...besonders die Titelidee von pandora und auch ihren Vorschlag das Gedicht einfach früher enden zu lassen.

Ein sehr gelungenes Gedicht!!

Damit ich auch noch was zu mäkeln habe:

Träge tropft verträumtes Leben,

ich würde das Komma am Ende weglassen. Ich lese zumindest keins...

scarlett

Beitragvon scarlett » 03.04.2006, 18:18

Ich danke euch sehr für die Kommentare! Tja, ich habs ja schon selbst gespürt, daß das mit der letzten Zeile irgendwie noch nicht so richtig ist- wobei mir auch jetzt erst auffällt, daß ich bei dieser Version (es gibt insgesamt 3!) auch noch "tragen" wiederhole- da hab ich wohl im Eifer was zusammengewürfelt, was nicht zusammengehörte.
Das mit dem Titel finde sehr gelungen- darf ich ihn umändern, pandora? Ich tue es jetzt einfach mal... :smile:
Das Komma laß ich auch weg, da hast du auch recht Lisa.
Zum Inhalt:
Der Knackpunkt dafür, daß ich das Gedicht nicht mit der "wunden Haut" enden lassen will/kann, ist der, daß ich diese Stimmen, dieses Raunen der Steine aus einer Vergangenheit, die allmählich zerstört wird, brauche, d. h. haben muß, da tatsächlich so empfunden. Ich weiß, das ist eigentlich kein echtes Argument, aber das macht für mich diesen Text auch zu meinem eigenen- Außerdem löst sich für mich das Eingangsbild, der vor sich hindösenden Stadt in einem extrem heißen Sommer mit dem "Sommerblau" auch wiederum etwas auf- stellt einen Zusammenhang her. Außerdem endet es somit nicht ganz so "hart"- mir fällt momentan kein besseres Wort dazu ein- bin grad erst aus der Arbeit daheim angekommen u schon wieder auf dem Sprung :smile:
Aber versteht ihr ungefähr, was ich sagen will?
Als Alternative zu "begleiten" hatte ich auch noch "umflüstern",
also "umflüstern mich im Sommerblau"...
Ich ändere jetzt mal und vielleicht lest ihr dann nochmal drüber- würde mich freuen...

Vielen, vielen Dank vor allem auch an dich, Gerda, der "Erstkommentatorin" §blumen§

scarlett


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