Auf der Höhe der Zeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
carl
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Beitragvon carl » 01.04.2006, 14:08

Das Universum selber sei
eine verweste Leiche -
So las ich neulich irgendwo
und dachte mir dabei: So, so,
das sind mir ja Vergleiche!

Das hieße doch: Es war einmal
da war es quitschlebendig.
Da meldet sich die Frage sacht:
Wer hat das Viehcherl umgebracht?
Wer war so unanständig?!

Die Frage sei doch Kinderei
wird mir darauf bedeutet.
Die Neuro-Physiologie
habe samt Urknall-Theorie
die Grabglocke geläutet!

Die hätten längst das Ich entlarvt
und auch das Leere All dort:
In sich gekrümmt komplexe Zeit
ersetze glatt die Ewigkeit -
der Sinn sei allemal fort!

"Und überhaupt, was soll der Scheiß
wir leben doch wohl heute -
existentiell voll informiert
und haben alles durchprobiert!"
so wettert dann die Meute.

Da sucht mein Blick Dein schön Gesicht
(wir hörten wohl die Mahnung)
Du schaust zurück - wir sehn uns an
und lachen still - und sagen dann:
"Ihr habt ja keine Ahnung!"

[Die Rose ist. Verletzlich sind
wir Dornen oder Blüten ...
Weil was sie treibt sofort verfällt
zählt wer real für wirklich hält
zu ihren Saprophyten.]

Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 02.04.2006, 16:23

Hallo carl,

etwas satirisch, aber eher zum weiteren Philosophieren,
als erheiternd.
Der Schluß erinnert mich spontan an "Der Name der Rose"
und erklärt mir, daß die Liebe im Kosmos über allem steht
und erst recht über Erklärungen und Interpretationen,
die wir Menschen oft sowieso nur notdürftig annähern können.

Ich finde auch noch mehr Feinheiten zum diskutieren, die dann eher in die
Philosophiesparte passen.
Mir gefällt das Gedicht;
Änderungswünsche am Detail überlasse ich anderen.

Viel Grüße von Klaus

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.04.2006, 09:37

Mir gefällt das kleine philosophische Stück sehr gut, Phygranimus hat Recht, es gibt Anlass zu vielen Diskussionen. Ich habe übrigens aus dieser Strophe:

Die hätten längst das Ich entlarvt
und auch das Leere All dort:
In sich gekrümmt komplexe Zeit
ersetze glatt die Ewigkeit -
der Sinn sei allemal fort!


nicht genau entnehmen können, warum das Universum nun eine verweste Leiche ist. Kannst du mir das genauer erklären?

Das Versmaß holpert natürlich hier und da noch etwas, sollen wir das angehen? :razz:

Falls die KLammern um die letzte Strophe eine Frage sein sollten, ob sie wegzulassen besser wäre Nein, sie gehört unbedingt dazu!

Saprophyten = Verwerter von totem organischem Material (abgestorbene Zellen, reduzierte, energiereiche Kohlen- und Stickstoffverbindungen) und wieder was dazu gelernt :grin:

carl
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Beitragvon carl » 15.04.2006, 07:55

Hallo Lisa,

ja, ich bin an einer Schoenheitsoperation fuers Versmass interessiert!
Zum Inhaltlichen:
Es ging sinngemaess um eine Notiz, dass frueher die Welt magisch, dann anthropomorph, jedenfalls ein geheimnisvoller Organissmus war (bis zur Romantik), aber letztlich durch Aufklaerung und Wissenschaft als apersonal und leer, also sinnlos und der Mensch als Witz am Rande entlarvt wurde. Davon geht ja heute jeder Lyriker auf der Hoehe der Zeit ganz selbstverstaendlich aus.
Gruesse, Carl


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