Unnah

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 28.05.2007, 10:37

Unnah
1. Version - jambisch

Als nannte jemand den verborgnen Namen,
erklang ein Ton, der wie von Geisterhand
durch unsre Haut drang, die, wie aufgespannt
auf fremder Seele körperlosem Rahmen.

Wie Nebel füllte Sehnen unsre Lungen,
die ganze große Partitur zu lesen,
und so begriffen wir der Sterne Wesen,
wie eine dieser fernen Spiegelungen.

Du aber warst so nah, so unerhört.
Als brachtest du für mich zuerst das Siegel,
glichst du der Unschuld wie ein Wasserspiegel,
von Lichtern sanft gesäumt und schaumgeboren,
der jede Näherung sofort zerstört
der jede Spur von Näherung zerstört
und gabst auch mich im Wellenspiel verloren.





Unnah
2. Version - daktylisch
(für "unsere verborgenen")

Als nannte uns wer beim verborgenen Namen
erklang dieser Ton. Wie von Geisterhand drang er
in unsere Haut, und wie aufgespannt schwang er
in unserer Seelen unhaltbaren Rahmen.

Ein Ahnen und Sehnen füllt unsere Lungen,
die Partitur nun auch zu ende zu lesen.
Wir wußten sogleich aller Fixsterne Wesen
verwandt mit entfernteren Luftspiegelungen.

Doch du warst mir nah, und du warst unerhört.
Als brachst du als erstem für mich deine Siegel,
glichst du reiner Unschuld, ein Sternwasserspiegel:

Von Lichtern gesäumt, wie aus Meerschaum geboren,
der jegliche Näherung sofort zerstört. -
Auch mich gabst du bald in den Wellen verloren.
Zuletzt geändert von ZaunköniG am 11.06.2007, 10:13, insgesamt 4-mal geändert.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.05.2007, 14:14

Hallo Zaunkönig,

dein Sonett liest sich ganz wunderbar, wie ein Schwingen. Dieser Rhythmus ist geradezu betörend,-)
Ich finde es nur schade, dass du die Worte: "verborgnen", "unsre" nicht ausschreiben kannst. Es ist wegen dem Sonett-Rhythmus, nicht wahr?
Ich würde viel lieber "verborgenen" etc. lesen.
Klasse, wie du die Haut zum Rahmen gestaltest und die Nähe zur Unnahbarkeit.
Sehr gerne gelesen,-)
Saludos
Mucki

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 31.05.2007, 12:26

Hallo Mucki,

Danke für dein Lob.
Bei "verborgnen" und "unsren" hast du recht, besser wäre es solche Worte auszuschreiben, aber sie wollen sich einfach nicht in den Jambus fügen...

An anderer Stelle habe ich aber noch Kritik zu den verwendeten Bildern erfahren. Möglich das dem Gedicht noch eine größere Operation bevorsteht. Auch deine Kritik behalte ich für den Fall im Hinterkopf.

LG ZaunköniG
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.05.2007, 12:54

Hallo Zaunkönig,

also, ich erstarre immer in Ehrfurcht bei diesen Sonetts, würde ich nie und nimmer hinkriegen. Aber wenn du es sowieso noch überarbeitest, fände ich es schön, wenn da "verborgenen" und "unseren" stände ;-)
Saludos
Mucki
P.S. OT: Hast du eigentlich mal im Cafe nachgesehen, dort gab es einen Geburtstagsfaden für dich, eröffnet von Gerda,-)

Max

Beitragvon Max » 31.05.2007, 16:13

Lieber Zaunkönig,

das, was ich zu Deinem Sonett im "freien Weben" schrieb, könnte ich hier zu großen teilen wiederholen (deshlab lasse ich es ;-) ).

Gewöhnungsbedürftig finde ich hier ein wenig den Rhynthmus in

durch unsre Haut drang, die, wie aufgespannt


da mir das Metrum die Zäsur, die ich gerne vor "die" machen würde (sonst treibt mich das Komma ins Koma), verbeitet und mich auf das nächste Komma warten lässt (das glücklicherweise sofort kommt). Oder lese ich falsch?

Liebe Grüße
Max

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 03.06.2007, 13:51

Hallo Mucki,

Es ist vollbracht, aber nun hat es einen ganz andere Rythmus. Vermutlich hakt es jetzt an anderen Stellen, aber ich lasse es erstmal eine Weile wirken.

Hallo Max,

Ich lese die Zeile mit zwei Zäsuren, aber 'richtig' oder 'falsch' kann man an der Stelle wohl nicht sagen.



LG ZaunköniG
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.06.2007, 14:13

Hallo Zaunkönig,

ein anderer Rhythmus, ja, aber ich finde ich ihn immer noch klasse schwingend ;-) Haken sehe und höre ich beim Lautlesen keine (aber ich bin kein Sonett-Kenner).

Hier hast du ein "t" zuviel drin bei "Alst"

Alst brachst du als erstem für mich deine Siegel,

Saludos
Mucki

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Beitragvon ZaunköniG » 03.06.2007, 14:17

Danke Mucki, ich habe es oben geändert.

LG ZaunköniG
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Jürgen

Beitragvon Jürgen » 03.06.2007, 23:21

Hallo Zaunkönig,

ich fand auch die daktylische Fassung beeindruckend, gerade weil es das "anspruchsvollere" Versmaß ist. Aber auch die jambische Variante gefällt mir.

Nur solltest Du noch einen Absatz zwischen der elften und zwölten Zeile machen. Ich denke nicht, dass er aus Absicht fehlt.

Schönen Abend

Jürgen

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 11.06.2007, 10:16

Hallo Gurke,

Da der Satz ja weitergeht hielt ich den Absatz für nicht so wichtig. Zwar setzte ich ihn sonst immer in meinen Sonetten, aber das es auffällt, wenn er fehlt überrascht mich doch. Das Sonett ist halt sehr von Konventionen geprägt.

Die jambische Version habe ich nochmal leicht modifiziert, da manchem Leser / Hörer nicht klar war wer was zerstört. Ich denke, die neue Fassung ist jetzt eindeutiger.

LG ZaunköniG
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