Das Vermissen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 18.04.2006, 22:07

Ich möchte nur wieder
Deine Zehen in Sandalen tanzen sehen
Deinen Schlüsselbund noch munter rasseln
und Deiner Sprache golden Sand
in meine wachen Ohren rieseln lassen.

Ich sehne mich so sehr danach,
mein Sommertagetraum.

Auch Deine schweren Sorgen
in meine ersten Falten einzulegen
Das Blau in Deinen Augen flüstern
und opale Sommerhimmel
es verblassend nur beneiden hören.

Ich sehne mich so sehr danach,
mein Winternächtemärchen.

Doch weil all das nur Fantasie
in ihren immerbunten Kleidern
und Erinnerung
die mit Sommerblüten
gefallen und gestorben ist

muss ich das Vermissen
schweigsam auf die Gräser legen
und in blassen Tränen zusehen
wenn sie zu stummer Erde werden.
Zuletzt geändert von Louisa am 21.04.2006, 13:59, insgesamt 8-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 18.04.2006, 22:26

Liebe Louisa,

gerade gelesen, daher spontane Reaktion: einmal mehr wunderschön poetische Sprache und ebensolche Bilder!

Einige kleinere Anmerkungen dennoch:

a) im Vers

es verblassend nur beineiden hören

liegt sicher ein Tippfehler vor.

b) du schreibst

Doch weil das alles nur Fantasie

Wäre hier

Doch weil all(es) das nur Fantasie

vom Klang und der Rhythmik nicht stimmiger? Jedenfalls hab ich beim ersten Lesen instinktiv diesen Vers für mich so umgebildet.

Aber wunderschön und wunderschön wehmütig und sicher zum Wiederlesen! Danke! O:)

LG Herby

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 19.04.2006, 00:29

Liebe Louisa,

ich kann mich Herby nur anschließen. Einige Bilder sind wirklich von ausgewählter Schönheit. Mir gefällt besonders die Idee, schwere Sorgen in erste Falten einzulegen. Beim ersten Lesen dachte ich übrigens, es würde da "ernste Falten" stehen.

Die letzte Strophe finde ich besonders gelungen. Vielleicht ist das mit den Apfel-Aprikosen-Sommerblüten aber ein bisschen viel des Guten? Dadurch entsteht ja auch im Versmaß ein - vielleicht beabsichtigtes - Stocken. Die Zeile vorher hat drei Betonungen, die Apfel-Aprikosen-Sommerblüten-Zeilen hat sechs davon. Wie wäre es mit dieser kleinen Veränderung?

Doch weil das alles nur Fantasie
in ihren immerbunten Kleidern
und Erinnerung in verdorrend
Sommerblüten ist

muss ich das Vermissen
schweigsam auf die Gräser legen
und in blassen Tränen zusehen
wenn sie zu kalter Erde werden.

So ein wehmütiger Schluss...

Grüße

Paul Ost

Louisa

Beitragvon Louisa » 19.04.2006, 17:26

Vielen Dank ihr Beiden.

Ihr seht, ich habe es überflogen und neu angestrichen.

Gefallen euch die Blütenverse jetzt besser?

Ich freue mich über eure Hilfe.

Liebe Grüße!

Louisa

Herby

Beitragvon Herby » 19.04.2006, 19:03

Liebe Louisa,

Ja, gefällt mir noch besser als dein erster Text! O:)

Nur an einer Stelle bin ich jetzt etwas verwirrt. Da dein ursprünglicher Text nicht mehr da ist, weiß ich nicht, ob ich die folgenden Verse in der ersten Version überlesen habe oder ob dir beim Einsetzen der neuen Version zwei Tippfehler unterlaufen sind. Es geht um die folgende Stelle:

und Erinnerung in gefallen
und gestorben Blüten ist


Müsste es hier nicht "gefallenen" und "gestorbenen" heißen? :???:

Und noch etwas ist mir auch jetzt erst aufgefallen: Können Schlüssel rascheln??? Dieses Verb verbinde ich mit Papier, aber nicht mit Metall.

Liebe Grüße
Herby

Louisa

Beitragvon Louisa » 19.04.2006, 21:33

Danke.

Ich gebe Dir beide Male recht.

Ist es so vollendet?

Liebe Grüße, louisa

Herby

Beitragvon Herby » 19.04.2006, 22:05

Liebe Louisa,

das einzige, was der Vollendung aus meiner Sicht noch im Wege steht, ist - sieh es mir bitte nach - der Schlüsselbund, den du noch immer rascheln lässt :-s Ich gebe ja zu, dass das Verb "klimpern" nicht wirklich poetisch klingt ... vielleicht finden wir ja noch eine Lösung, oder hängst du aus irgendwelchen Gründen gerade an dem Wort "rascheln"?

Liebe Grüße
Herby

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 20.04.2006, 00:07

Liebe Louisa,

mir gefällt das Gedicht so sehr gut. Allerdings muss ich Herby recht geben. Schlüsselbünde klingeln wohl eher. Sie rascheln nicht. Beide Worte haben gleich viele Silben. Natürlich klingt "klingeln" ein bisschen fröhlicher als "rascheln", aber das passt ja auch in die Zeile.

Wenn man länger drüber nachdenkt, kann es einen natürlich schon wundern, dass bestimmte Worte so aneinanderkleben. Die Linguisten nennen das Kollokationen.

Wünschen wir also den Kollokationen und allen anderen Liebenden eine gute Nacht!

Paul Ost

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Beitragvon Lisa » 20.04.2006, 10:34

Wunderschön und schlimm...leihst du mir deinen Hut? :grin:

Mit dem Rascheln bin ich nicht sicher...vielleicht dahtest du an rasseln (Ketten)?

Birute

Beitragvon Birute » 20.04.2006, 10:42

Hallo liebe Louisa,

dieses Ode an einen geliebten Menschen gefällt mir ausnehmend gut, nur das Rascheln des Schlüsselbundes passt nicht, irgendwie. Ich würde es rasseln lassen, oder klimpern. Ansonsten klatsch ich dir Beifall.

Birute grüßt lieb

maria

Beitragvon maria » 20.04.2006, 19:03

... kann mich dem Lob der anderen nur anschließen. Hat mich sehr berührt.

LG maria

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.04.2006, 19:20

Vielen Dank euch allen.

-der Schlüssel rasselt jetzt übrigens.

Danke!

Liebe Grüße, louisa

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Beitragvon leonie » 20.04.2006, 21:25

Liebe Louisa,

ich stimme zu: ein sehr gelungenes Gedicht mit wunderschönen Bildern. Ein kleiner Kritikpunkt: Das Adjektiv "kalt" für Erde bringt wenig Neues oder Überraschendes, ich würde es weglassen.

Liebe Grüße

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Beitragvon leonie » 22.04.2006, 16:59

Liebe Louisa

stumme Erde gefällt mir viel besser. Nachmals Kompliment für das schöne Gedicht.

Liebe Grüße

leonie


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