Regen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 09.10.2007, 07:57

Regen

Dieser Regen im Garten.
So viel Regen im Garten.
Ich sitz am Fenster und seh hinaus.
Schlimm solch ein Sommerregen.
Ich bin allein hier am Fenster ganz allein
Im Zimmer warm und fußtrocken ganz allein
Auf der Welt keine Maus in der Diele.
Ach der schwarze Johannisbeerstrauch.
Und die schönen Knupperkirschen.

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tulpenrot
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Beitragvon tulpenrot » 09.10.2007, 12:03

Hallo Caty,

ich hab ein bisschen an deinem Text gebastelt, weil ich es störend finde, wenn in einem text sowohl ganze Sätze als auch unvollständige Sätze vorkommen. Im Sinne einer Verdichtung wollte ich auch die Wortwiederholungen entfernen.

Wie gefällt dir diese Version?

Dieser Regen
im Garten
vor meinem Fenster
so viel schlimmer Sommerregen

Einsamkeit
in meinem Zimmer
fußtrocken und warm
aber allein
auf der Welt
keine Maus
in der Diele

ach, der schwarze Johannisbeerstrauch
und die schönen Knupperkirschen
.
"Ach, wissen Sie, in meinem Alter wird man bescheiden - man begnügt sich mit einem guten Anfang und macht dem Ende einen kurzen Prozess." AST

Caty

Beitragvon Caty » 09.10.2007, 12:41

Liebe Tulpenrot, ich danke dir dafür, dass du dir Gedanken über den Text gemacht hast. Aber was du ansprichst, nämlich ganze Sätze und Satzteile in einem Gedicht sind kein Lapsus, das ist völlig in Ordnung. Bei diesem Gedicht gibt es u. a. zwei Stilfiguren, die Klimax genannt werden und auf die ich Wert lege, außerdem eine Epipher. Du hast das zum Teil aufgelöst mit deiner Version.

Die Wortwiederholungen sind beabsichtigt: Regen, nicht enden wollendender Regen, bei der Wiederholung hört man es förmlich regnen (hoffe ich jedenfalls). Zu deiner Version: Warum trennst du den Regen vom Garten? Ich sehe dafür keinen Grund. Mit deiner Formulierung nimmst du dem Text das Eintönige des Dauerregens. Es ist ein einsames Dasitzen und Warten, das kommt in deiner Version fast nur noch am Rande zum Ausdruck. Das LI redet mit sich allein, die Worte kommen mit Unterbrechungen - das alles fehlt jetzt in deiner Version. Durch das ganze Gedicht geht doch unausgesprochen der Stoßseufzer: Himmel, wann hört dieser Regen endlich auf? Und das alles finde ich in deiner Version nicht mehr wieder, es ist eine Schilderung des Regens geworden, aber nicht das körperliche Erleben. Natürlich kann das Gedicht auch so geschrieben werden, wie du vorschlägst, aber dann verschwinden nicht nur die mir wichtigen Stilfiguren, sondern die Situation als solche ist nicht mehr so lebendig.

Aber hab Dank für die Mühe. Wobei ich nicht so sehr eine Freundin des "Neuschreibens" von Gedichten bin, es passiert fast immer, dass die Intention des Schreibers dabei verlorengeht, weil der "Neuschreiber" seine eigenen Gedanken mit hineinbringt, und diese müssen nicht immer übereinstimmen, wie es hier passiert ist.

Liebe Grüße Caty

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 09.10.2007, 17:32

Liebe Caty!

Ein schönes Bild. Ich sehe, höre, rieche, denke alles.

Ich bin drinn.

Fein

Moshe

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 09.10.2007, 17:35

Mir gefällt es auch sehr. Hat mich an manchen Tag in diesem Sommer erinnert, wenn ich aus der Küche auf den Kirschbaum geschaut habe ...

Mir gefällt gerade diese rhythmische, schnelle Hinführung auf das Ende mit dem wunderschönen Wort "Knupperkirschen".

Mit Grüßen
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.10.2007, 18:03

Liebe Caty,

ich mag gerade die WH von Regen sehr! Genau so ist das. Ich sehe den nassglänzenden Garten,
die Früchte.

Sehr gern gelesen und "geschmeckt".

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 09.10.2007, 18:11

Hallo Caty,

dieses Gedicht verrät mir viel über deine Art Gedichte zu "machen". Ja, das meine ich so. Und doch gelingt dir hier mehr, für meine Begriffe, als in so manch anderem Gedicht, ich zumindest bin völlig "drin" in der Situation, kann das nachempfinden, was die Buchstaben, die Worte beschreiben. Für mich ein gelungenes Caty-Gedicht.
(keine einzige Wiederholung möchte ich missen, keinen Zeilensprung, es paßt genau so, wie es dasteht).

Grüße,
scarlett

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 09.10.2007, 19:33

Hallo Caty,

ich kann hier deiner Intention die Stilmittel betreffend in deinen Ausführungen folgen. Ich finde sie gelungen eingesetzt, den Text unterstützend, authentisch. Das gefällt mir.

liebe Grüße smile

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 09.10.2007, 20:07

Hallo,

diese Stilelemente mit den Doppelungen erinnern mich an urschwarzen Blues und Gospel. Besonders an Blues. Der Regen macht den Blues komplett.


Cheers

Pjotr

Caty

Beitragvon Caty » 10.10.2007, 06:21

Liebe Leserinnen und Leser, danke für das positive Echo. Scarlett, dass es mir in diesem Gedicht mehr als in anderen "gelingt", liegt doch auch am Thema. Du kannst doch nicht jedes Thema gleich behandeln. Im Grunde geht es hier um die Stilfigur der Klimax, die natürlich zum Thema sehr gut passt, deshalb kommt es an. In anderen Gedichten setze ich wieder andere Stilfiguren ein (die dir vielleicht nicht so richtig gefallen?). Aber vielen Dank noch mal an alle für die freundliche Aufnahme. Caty

Max

Beitragvon Max » 10.10.2007, 19:31

Liebe Caty,

das Gedicht gefällt mir ganz ausgezeichnet.

Die Stilmittel, die rhythmische Komposition mit seinen Dopplungen, passen hier thematisch sehr gut und lassen mich den Regen gleich viel intensiver spüren.
Darüber hinaus gibt das Ende dem Gedicht Raum, eine Dimension.

Sehr gern gelesen
Max

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leonie
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Beitragvon leonie » 10.10.2007, 21:03

Liebe Caty,

ich wollte schon länger schreiben und kam noch nicht dazu: Mir geht es wie scarlett: Dieses Gedicht macht einiges über Deine Art zu schreiben deutlich, bringt mich dem näher, hier komme ich mehr "rein" als in andere Texte von Dir.
Die Wiederholungen sind genau richtig, den Vergleich zum Blues oben finde ich sehr treffend.
Ich habe das Bild vor Augen und fühle die Stimmung. Sehr schön ist das.

Liebe Grüße

leonie

Caty

Beitragvon Caty » 11.10.2007, 10:00

Liebe Leonie, das war nur eine Übung zur KLimax mit der Überlegung: Wie kann man eine Situation steigern, wenn schlicht nichts an Handlung passiert. Dass mir das Textchen gelungen zu sein scheint und die Leser berührt, freut mich. Mehr über "mein Schreiben" sagt aber das Gedicht aus, das ich heute eingestellt habe, "Himmel". Ich dank dir für die freundlichen Worte. Liebe Grüße Caty

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 11.10.2007, 10:33

Hallo Caty,

interessant. Eine Steigerung habe ich persönlich nicht gespürt (ist nicht als Kritik gemeint). Da Du das als Übung betrachtest und ich zum Lernen hier bin ..., darf ich fragen, wodurch die Steigerung hergestellt wird? Durch Bilder? Oder vielleicht durch die steigende Silbenanzahl pro Zeile? Durch Tempo- oder Rhythmus-Wechsel? Oder hat es etwas mit den Doppelungen zu tun? Ich komme nicht dahinter.


Cheers

Pjotr


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