Kleines Glaubensbekenntnis

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 25.10.2007, 19:07

Wenn ich ins Krankenhaus gehe,
dann öffnet sich die Tür gleich
einem Kirchtor, ich verstumme,
drücke beinah besinnlich
auf den Fahrstuhlknopf, über dem
in schwarz-roter Schrift steht:

BETEN

Das ist also der Fahrstuhl zum Beten,
denke ich, erst kurz vor dem Einsteigen
bemerke ich das übersehene "T"

BETTEN

lese ich jetzt und im Fahrstuhl stehen
ein Pfarrer, ein Irrer und ein Einarmiger,
dessen unsichtbare Hand ganz fest
die des Pastors drückt und der
Fahrstuhl hält bei der Psychosomatik,
wir verabschieden den bärtigen Irren

und es beginnt in den Ohren die Höhe,
aber im 21. Stock wartet nicht Gott,
lese ich neben den Etagen-Tasten,
sondern die Technik, ich frage mich,
ob Gott ein Techniker ist

und wer entscheidet, was "psychosomatisch"
und "göttlich" ist?

Das erfahre ich nicht, denn dafür
reicht unser Geist nicht aus, meint
der Pfarrer und der Einarmige winkt
mit der sichtbaren Hand, er will gerne
im Stockwerk der verlorenen Gliedmaßen
aussteigen, aber dafür reicht der Fahrstuhl
nicht aus,

glaube ich.
Zuletzt geändert von Louisa am 10.01.2008, 23:35, insgesamt 5-mal geändert.

Maija

Beitragvon Maija » 26.10.2007, 18:11

manchmal fehlt einem (mir in dem fall) der zugang


Nobody is perfect. I am nobody ;-)

Louisa

Beitragvon Louisa » 26.10.2007, 19:34

Schön, dass ihr so zahlreich geantwortet habt :smile: !

Caty, was fehlt sprachlich zum Gedicht? Welche Sprache macht ein Gedicht aus? Von mir aus können wir es auch in die "Prosalyrik" verschieben.

Ja, schön, dass Du erkannt hast, dass es nebeneinander steht ;-) , das Bet(t)en und die Technik.
Das war der Sinn der Sache (Merci, Lisa!). Deshalb ja auch (in etwa): "Mir scheint man geht ins Krankenhaus wie in die Kirche" gleich zu Beginn.

Ursprünglich wollte ich noch den Gedanken hinein bringen, dass man im Krankenhaus ja noch viel näher an Gott dran ist, sozusagen "exklusiv", weil dort viel zahlreicher gestorben wird als in der Kirche. Naja, mal schauen...


Danke nochmals Maija!!! Ich staune über Deine Einschätzung meines Charakters :smile: ! Du kannst Lichelzauch oder Aram ja mal nach meiner "geistigen Reife" befragen :pfeifen: ... (Grüne Kirsche :smile: !)

Hallo Caty noch einmal,

Kritiklos im Bezug auf das Beten im Krankenhaus :smile: ? Das sehe ich aber gar nicht so. Ich meine die Ironie in meinem "Glaubensbekenntnis" ist schon fast zu deutlich. Ich möchte eher die Fragen zur Welt stellen, die mich beschäftigen. Eine Antwort habe ich auch nicht darauf, ich bin ja nicht Gott :smile: !

Meinst Du mit dem "Gericht" das jüngste?

Hallo Gerda,

schön, dass du geschmunzelt hast :smile: ! Danke auch, dass ich "lyrisch" genannt werde :blumen: ! Oh, das klingt fein! Hihi...

Ja, das "lyrische ich" schweift immer viel ab :smile: !

Nicht jedoch das "zum Bus rennende ich"... Das ist ganz bei der Sache!

(Ha! Schon wieder!)

Es muss ja gar nicht einmal "genial oder irre" sein. Schon dieses ewige Gerede von "normalen Menschen" geht mir furchtbar auf die Nerven.
"Göttlich" meine ich auch eigentlich genauso wie es da steht :smile: ! Was soll das sein? Das ist für mich genauso ein Wort wie "normal"... Aber ich finde Deine Gedanken zum Text gut.

Ja, ich habe mir schon gedacht, dass euch das mit der "beginnenden Höhe" nicht gefällt :smile: ... Zuerst wollte ich auch dichten:

"Es beginnt in den Ohren der Druck" und sowas... Aber dann dachte ich: Wieso soll nicht mal die Höhe "beginnen" ? Kann man das so nicht sagen :sad: ? Hihi...

Ich hatte neulich ein Loch im Trommelfell, aber das ist eine andere Geschichte. Ich zitiere eine Zeitung: "Tauchen kann tödlich sein!" :smile:

*schweift wieder ab*

*schüttelt den Kopf, besorgt über eigene Zielstrebigkeit*

Ich habe bisher sehr gute und freundliche Ärtze bei Verwandten kennen gelernt, aber irgendwann stehen die auch machtlos vor der Welt und vor tausend Verstrickungen... Da hilft kein Gott und kein Skalpell mehr, höchstens die Forschung :smile: ...

Finde ich schön, dass Du Dir so viele Gedanken gemacht hast! Ich habe es mit Interesse verfolgt.

Stimmt, Erzählgedicht!

Danke, Gerda!

Hallo Sneaky,

Du kannst Dir zum einarmigen Gläubiger denken, was Du möchtest :smile: ... Ich habe eigentlich schon wieder viel zu viel erklärt :smile: ...

Ich kenne keinen "Hosanna". Wer ist das?

Zuerst geht man hinein, dann holt man den Fahrstuhl :smile: ! Geht es allen zu schnell?

Danke Dir jedenfalls!

Oh, wir sprechen Englisch, Maija :smile: ?

Thank you, darlings!

Good bye! Have a sexy week-end!
l.

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 04.11.2007, 12:11

Hallo Louisa,

Hilflosigkeit, die Absurdität des Alltags...

Begegnen sich ein Pfarrer, ein Irrer und ein Einarmiger im Fahrstuhl. Sagt der eine:...

So fangen auch Witze an, und ja, manchmal spielt einem das Leben so mit und man denkt, das kann doch nicht wahr sein. Religion als Zuflucht aus dieser Ratlosigkeit? Immerhin eine Option.

Für mich ist das ein wunderbar vielschichtiger Text.

LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

carl
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Beitragvon carl » 05.11.2007, 11:22

Liebe Louisa,

ich finde Deinen Text klasse! Carl

Max

Beitragvon Max » 05.11.2007, 20:41

Liebe Louisa,

ein spannender Text für mich.

Mein Eindruck ist, dass diejenigen, die Probleme mit dem Text haben, sie deshalb haben, weil sie hinter dem Text eine Botschaft vermuten. Der Text hat auch eine Botschaft und die ist für mich der Blickwinkel, eine Art Weltsicht aus der Perspektive Louisas oder des lyrischen Ichs von Louisas Ich ;-).

Hab ich gern gelesen.

Liebe Grüße
Max

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 06.11.2007, 09:41

Moin Lou,

also mir gefällt dieses (wertfrei) Dahinerzählte, (naiv) Fragende außerordentlich gut, weil es nicht versucht, Antworten zu finden, sondern unangestrengt 'laut gedacht' auf mich wirkt .
Ich versuche nur noch, Sinn in den letzten Satz zu bekommen:

er will gerne
im Stockwerk der verlorenen Gliedmaßen
aussteigen, aber dafür reicht der Fahrstuhl
nicht aus,


Wie kann etwas zu klein sein, um etwas, was bereits in ihm ist, zu entlassen?
Oder lese ich hier irgendwas falsch und hab Tom-Aten auf den Augen?

Unter 'Erzählgedicht' fände ich es auch passender.

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.11.2007, 11:55

Huhu!

Ich habe euch erst eben entdeckt!

Lieber Zaunkönig,

ich muss ja gestehen, dass ich an jenem Tag 3 Mal mit dem Fahrstuhl gefahren bin und diese Herrschaften nicht zur selben Zeit im "Schacht" mit mir weilten, aber doch immerhin allesamt im Fahrstuhl... Hihi...vielleicht war der "Irre" auch nur ein Besucher, aber er sah schon (wie wir anderen auch) ziemlich irre aus :smile: ...

Du fragst: Religion als Zuflucht aus dieser Ratlosigkeit?

Ich frage es auch :smile: .

...und ich denke, dass man vielleicht diese Frage als "Botschaft" des Textes lesen kann, wenn ihr denn unbedingt eure "Botschaften" braucht (hihi)...ihr kleinen Dimplomaten!

Vielen Dank jedenfalls!

Lieber Carl,

das freut mich :smile: .

Lieber Max,

hihihi...das hast Du aber schön beschrieben. Jetzt merkt man auch erst einmal welche Persönlichkeitsspaltung und beinahe Schizophrenie hinter diesem ewigen "lyrischen Ich" steckt :smile: ....

"Mein lyrisches Ich dankt Dir!" :lachen0059:

(PS: Du meinst die Leute, die es nicht mögen, haben Probleme mit dieser "Weltsicht" an sich?)

Hallo liebstes A-TOM unter den Molekülen !

"unangestrengt" ist ein feines Wort. Hihi...ich denke mir meistens: Einfach locker bleiben :cool: ... auch wenn der Irre im Fahrstuhl Zwielichtiges vor sich hin brummelt :smile: ...

Ich finde dahingegen Deine Frage sehr anstrengend *kicher* !

Ich zitiere:

"Wie kann etwas zu klein sein, um etwas, was bereits in ihm ist, zu entlassen?"

Oh mannomann ....hihi... :spin2:

Ich enhederre das einmal:

"Wie kann etwas zu klein sein?"

Der Fahrstuhl? Die Stockwerkanzahl?

"...um etwas, das bereits in ihm ist, "

Das "Stockwerk der verlorenen Gliedmaßen" ?

- Denn DAS wäre ja NICHT im Haus, das wünscht er sich, das ist eine Idee. So wie wenn jemand sich ein Schockoladeneis vor mir in der Schlange kauft und ich sage zu meinen Nachbarn: "Also ich möchte gern ein Schockoladeneis mit Blattgold überzug und Diamanten in der Waffel!"

Das kann ich ja so sagen, aber bekommen werde ich es sicher nicht :smile: ... (Was für eine ungerechte Welt :sad: ...)

"...zu entlassen?"

:smile: ?

Also ich habe die Frage so verstanden:

"Wie kann der Fahrstuhl nicht ausreichen, wenn er sich doch ein neues Stockwerk wünscht und keinen breiteren Fahrstuhl?"

So gemeint?

Dann würde ich Dir teilweise zustimmen. Wobei man ja auch sagen könnte: Wenn der Fahrstuhl ein "Zauber-Fahrstuhl" wäre, dann könnte er in den gewünschten Stockwerken halten. Zum Beispiel dort, wo es Eis mit Blattgold gibt und sowas... Aber dafür reicht der Fahrstuhl eben nicht aus. Er ist ja nur ein realistischer Fahrstuhl.

Aber Jaaaaaaaaaaa.....ich könnte auch sagen: "Dafür reichen die Stockwerke nicht aus"

Ist das Problem damit behoben :smile: ?

Zu ausführlich Problem-behandelnde Grüße,

l-OUI-sa :smile:

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 06.11.2007, 12:05

Louisa hat geschrieben:Huhu!

Ich habe euch erst eben entdeckt!



Wir dich schon länger!!! :o)

Meine Frage ist nicht beantwortet.
Ich sehe es stark vereinfacht so: Drei sind im Fahrstuhl. Einer will raus. Vorher war er groß genug - der Fahrstuhl - jetzt isser zu klein. ???

Von dem, was sich der Fahrstuhl da wünscht, oder du ihm wünschst, dass er es sich wünscht, wünsche ... äh ... lese ich nix im Text. Obwohl ich mir dies wünschte ...

Habe ich mich hinreichend unklar ausgedrückt? :o)

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

aram
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Beitragvon aram » 06.11.2007, 12:33

im text steht nicht, dass der fahrstuhl "zu klein" ist, sondern dass er "nicht ausreicht" - um im stockwerk der v.g. auszusteigen.
- finde diese formulierung (der fahrstuhl reicht nicht aus, um ... auszusteigen) sehr eigen und könnte mir auch vorstellen "aber dahin reicht der fahrstuhl nicht" o.ä. - vielleicht sollte jener eigenartige satz aber auch genau so bleiben.

(nur zwischendurch, ein andermal ausführlicher - jedenfalls ein text, der mir gefällt)

Maija

Beitragvon Maija » 06.11.2007, 17:20

Lasst mal den Text so wie er ist, so ist er gut, meiner Meinung nach. ;-)

Überlege nur: Pfarrer oder Pastor? - Und wenn er nicht helfen kann, warum dann ein Psychiater oder wie die sich da alle nennen?

und wer entscheidet, was "psychosomatisch"
und "göttlich" ist?


Sehr richtig erkannt! ;-) Regt zum weiteren Denken an.

Louisa mir gefällt dein Gedicht! :blumen:

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.11.2007, 19:20

Huhu!

Tom, Du verwirrst mich noch immer! Es ist so wie Aram meint: Der Fahstruhl ist groß genug, aber er reicht nicht dazu aus an einem Wunder-Stockwerk zu halten!

Einverstanden?

Aram, vielen Dank! Du sitzt neben mir :smile: ! (Wieso kommunizieren wir auf diese subtile Art miteinander? Nein, ich bin nicht bertunken! Haben wir überhaupt etwas getrunken? - Natürlich kann man das hier so sagen. Püh!)

Ähem.

Maija, vielen Dank! Ist ein Pastor etwas anderes als ein Pfarrer? ich wollte nur nicht 2 Mal "Pfarrer" verwenden...*grübel*

Schön, wenn es zum Denken anregt :smile: !

Prosit miteinander!
l

Max

Beitragvon Max » 06.11.2007, 20:11

(PS: Du meinst die Leute, die es nicht mögen, haben Probleme mit dieser "Weltsicht" an sich?)


Liebe Lou,

nein, eher, diese Weltsicht darin zu sehen ...

Liebe Grüße
Max

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.11.2007, 21:44

Oui...merci, Monieur Max!

Was meinst denn du zum Pastor <=> Pfarrer Konflikt?

angesäuselte Grüße,
l

Maija

Beitragvon Maija » 07.11.2007, 09:23

Also manchmal muss man über euch einfach schmunzeln. Angesäuselt schreibt es sich besser, dann sind alle Hemmungen weg, kenn ich, kenn ich...:prost:


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