Es ist so

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 24.11.2007, 21:59

Es ist so …


als gäbe es
keinen Nachtisch
zum Dinner

als hätte ein
ungebetener Gast
das Zimmer betreten

als wären die Kerzen
in den Silberleuchtern
erloschen


1. Fassung:

Es ist so


als gäbe es
keinen Nachtisch
zum Dinner

als hätten die Kerzen
in den Silberleuchtern
nie gebrannt

als wäre deine Hand
in meiner
ein fliehender Vogel
Zuletzt geändert von Perry am 27.11.2007, 07:45, insgesamt 1-mal geändert.

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 25.11.2007, 12:03

Hallo Perry,

das sind, jedes für sich, sehr ansprechende Bilder,
aber nicht für mich nicht wirklich vergleichbar:

1: etwas unvollkommenes
2: etwas nie geschehenes
3: etwas verlorenes

Ich bringe die ersten beiden nur sehr mühsam mit dem 3. auf einen gemeinsamen Nenner.
Wäre es nicht stimmiger nur von vergehendem zu sprechen:


als wäre das Dinner
nach der Suppe zu ende

als wären die Kerzen
in den Silberleuchtern
nach der Hälfte erloschen

...



LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Perry

Beitragvon Perry » 26.11.2007, 16:31

Hallo Zaunkönig,
danke für dein Hineindenken und die Anregung.
Der Text beschreibt die wehmütige Erinnerung (Es ist so ...) an eine unerfüllt gebliebene Liebe. Da ist der fehlende Nachtisch als Metapher für das zu frühe Ende und da sind die scheinbar nie gebrannten Kerzen und das Bild mit dem fliehenden Vogel, die für den Tod des LyrDu stehen.
LG
Manfred

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 26.11.2007, 16:56

Aber ist es wirklich so das mit dem Ende euiner Beziehung, oder dem Ende einer Hoffnung die Vergangenheit auch stirbt? Das ist doch gerade das Dilemma, das man nicht dort anknüpfen kann wo man vorher war. Die Kerzen zumindest passen da für mich nicht hinein.

Und beim Dinner ist es zwar schade um den Nachtisch, aber wenn du den Hauptgang genießen konntest, hattest du doch das Wesentliche. Noch ein Vorschlag zum Dinner, nicht als fertige Verse, aber als Bild:

Der Tisch ist hergerichtet mit Blumenschmuck und Kerzen, das Silberbesteck auf den Rosenservieten und dann mußt du doch alleine essen.

also: all die schönen Pläne für eine Zukunft zu zweit sind dahin, alleine schmeckt das beste Essen nicht... Ich denke, man kann den Fokus schon früher auf das Alleinsein richten.


LG ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Perry

Beitragvon Perry » 27.11.2007, 07:00

Hallo ZaunköniG,
danke für dein Feedback. Dein Vorschlag wäre ein möglicher neuer Ansatz. Ich werde gerne darüber nachdenken, wenn ich mir den Text mit etwas Abstand noch einmal vornehme.
Vorerst LG
Manfred

PS: Habe zwischenzeitlich eine neuere Fassung eingestellt!

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 27.11.2007, 16:31

Lieber Perry,

könnte man das "so" im Titel nicht streichen? (Es kommt eine Spannweite hinzu, liest man den Titel für sich, aber es klingt ästhetisch reduziert insgesamt feiner?)

ich weiß nicht, du hast dich schon des öfteren in Essensvergleichen versucht, wenn es um die Liebe geht. Manchmal verwendest du die Bilder dabei auf eine Weise, dass die Texte in die Nähe unfreiwlliger Komik rücken - hier geschieht das ein bisschen zumindest, denn du vergleichst die Liebe, die nicht gehalten hat, was sie versprochen mit einem nicht geliefertem Nachttisch und erwähnst (durch Stilistik etc.) an keiner Stelle, dass dies mit einem Augenzwinkern zu nehmen ist (dann wird es ja zu etwas anderem). Für mich bleibt der Text toternst in seiner Tragik, aber führt einen (dann) unverhältnismäßig untragischen Vergleich an. Ich kann da emotional nicht mitfühlen.

Manchmal denke ich, du solltest dich mal an einem gewaltigen Bild versuchen, um auszudrücken, was du ausdrücken willst. Wahrscheinlich wirst du scheitern (wir "wir" alle), aber manchmal habe ich das Gefühl du hältst dich durch die Wahl deiner Metaphern und Vergleiche selbst in Zaum. Manchmal muss man viel zu viel aufwarten, muss übertreiben, ungeheuerliches behaupten, sich eventuell schämen ,-) um danach die sprachliche Mitte zu finden. Ich vermisse den leidenschaftlichen Prozess des Autors hinter den Worten.
Manchmal triffst du (erstaunlicherweise, das ist schwer in meinen Augen!) diese Mitte auch ohne diesen Prozess, aber ich glaube, darauf darf man nicht allzu oft hoffen.

das wär mein Weihnachtswunsch an dich,
was Wildes, Krankes von dir zu lesen ,-)
liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Perry

Beitragvon Perry » 28.11.2007, 07:27

Hallo Lisa,
vielen Dank, dass du dir solche intensive Gedanken zu meiner Art zu Schreiben machst. Ich bin eben nur ein Alltagspoet, der mit wenig Worten Gefühlsmomente einzufangen versucht. Freut mich, wenn ich dabei Hin und Wieder die "sprachliche Mitte" treffe.
Solange wir glauben lyrisch sein zu "müssen" werden wir diesen Anspruch wohl nie erfüllen können. Mit der Poesie ist es wie mit dem Aufwind, du musst ihn suchen und wenn du ihn gefunden hast einfach die Arme ausbreiten. Wenn du Glück hast trägt er dich ein Stück weit.
Was diesen Text anbelangt kann ich darin keine "unfreiwillige" Komik erkennen. Vielleicht liegt es daran, das alles was mit Essen zu tun hat ein Gefühl der Freude hervorruft und die ist ja eine Wurzel der Komik :-) .
Liebe vorweihnachtliche Grüße
Manfred


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