Die Ungläubigen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 05.05.2006, 13:00

Die Ungläubigen

Kafkaeske Straßenköter bellen nicht mehr.
Resigniert feiern sie den Höhepunkt ihrer Jugend,
wenn sie am Bahnhof des Westens Futter finden.

Passagierte Blinde blicken mit Wehmut auf das
Taschentuch, wie es sich nach dem Winde dreht.
Sie verlassen den Nächsten auf neuen Schienen.

Ein grauer Mann besteht auf den Fensterplatz.
Im Wortduell vertreibt er den jungen Krüppel ohne Ticket,
der aus Respekt vor dem Alter in die letzte Ecke flüchtet.

Frauchen schiebt ihren Kinderwagen voller Leergut
dem jungen Muslim gegen die Achillessehne,
der seinen Koffer so fest an sich drückt.

Max

Beitragvon Max » 06.05.2006, 16:04

Lieber Last,

ich bin mir noch uneins, was ich von deinbem Gedicht halten soll. Es ballt sich nicht zu einer Aussage, ist aber voller Beschreibungen, die mich erinnern. Mit den passagierten Blinden ist Dir ein Wortspiel gelungen, das allerdings mit dem Wort "passagiert" einer Wortschöpfung beudrte (auch ein schönes Wort, es sollte "bedurfte" heißen). Alliteration in den kafkaesekn Straßenkötern hat mir gefallen, bis mir einfiel, das ich eigentlich nicht weiß, was das sein soll, weil ich Schwierigkeiten habe, Straßenköter bei Kafka zu verorten (so sagt der Germnist, glaube ich ;-)).

Liebe Grüße
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.05.2006, 12:03

Hallo Last,
in diesem Gedicht von dir merke ich einen deutlichen Verschachtelungsunterschied was die Strophen 1/2 gegen die Strophen 3/4 angeht.

Die letzten beiden Strophen verstehe ich (wei ich meine) ohne den großen Schlüsselbund lange herumzuschwenken und zu probieren.

Die ersten beiden Strophen dagegen geben mir Rätsel auf.

Kafkaeske Straßenköter- entweder weiß ich überhaupt nicht, was damit gemeint ist oder ich habe das Gefühl überzuinterpretieren (sind die Hunde so kafkaesk wie Josef K. als Käfer und in Wirklichkeit Menschen? Z.B. Punks? Die nicht mehr aufbegehren? Oder ist es die Einsamkeit, die die Hunde als kafkaesk beschreiben lassen?

Und bei Passagierte Blinde
das klingt reizvoll, aber ich finde keinen Bezug...

Trotzdem kann ich mal wieder nicht sagen, dass mir diese Momentaufnahme des Geschehens nciht gefällt :razz:

Gast

Beitragvon Gast » 08.05.2006, 12:25

Ganz stark, lieber Last, echt :!:
Jedes Wort, jeder Satz wohlüberlegt und gut gesetzt.
Klasse auch von der Sprache, die "Straßenköter" in der ersten Strophe und das "Frauchen" in der letzten...

Wir, die Menschen sind alle Blinde Passagiere, auf der Erde, du beschreibst, die Dekandenz... letztllich die Unmenschlichkeit unseres Daseins, die Vergeudung und den Verlust der Werte...
Ich finde nicht, dass man deine Bilder 1:1 übersetzen muss, um den Inhalt nachvollziehen zu können.
Dein Gedicht fällt aus dem Rahmen, und das ist positiv gemeint.

Liebe Grüße
Gerda


ein kleines Fehlerchen:
ein grauer Mann besteht auf dem Fensterplatz

PS
Was kafkaesk ist, nun, ich dachte das wüsste heute jeder, der schreibt...

wieder einmal eine URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kafkaesk

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.05.2006, 12:47

Hallo Gerda,

was kafkaesk ist, weiß ich durchaus (auch wenn ich das Wort nie benutzen würde, da es oftmals einfach nur benutzt wird, wenn man etwas nicht versteht und es dann eben als Labyrinth gelten lässt und weil es Kafka gegenüber genauso ungerecht wird wie das Wunderkindsyndrom,was Mozart angehängt wird :grin: ). Dadurch sind die kafkaesken Hunde aber noch nicht enträtselt (falls sie es werden sollen).

Mit den passagierten Blinden hast du mir geholfen, das habe ich nicht gesehen ( :???: )...und hätte ich auch nie gesehen, zu fest saß das Brett vor dem Kopf :cool:

Last

Beitragvon Last » 08.05.2006, 13:20

Hallo ihr alle,

vielen Dank für eure Kommentare erstmal.
Da hat es sich ja gelohnt, dass ich mit meinem Kommentar ein bisschen gewartet habe.

Das Gedicht hier ist sehr assoziativ entstanden, ich hatte Bilder in meinem Kopf, die es zu beschreiben galt. Ich hielt es anhand ihnen für möglich ein gefühl zu beschreiben, dass ich manchmal gegenüber der (unserer) Welt habe, dieses Gefühl kann man wohl wirklich kafkaesk nennen. Schlüsselelemente sind auch im ganzen Gedicht enthalten, eine festgefahrene Form des Generationenkonflikts, ein latentes Angstgefühl, eine ungeklärte Schuldproblematik und eine gefühlte Sinnlosigkeit.
Da ich ja selbst noch jung bin, sehe ich "Unglauben" halt besonders an dem Umgang mit der Jugend, stellt euch mal eine Kultur vor, der die Jugend egal ist, dass wäre eine Kultr ohne Zukunft, und wir tendieren in diese Richtung. "Kafkaeske Straßenköter" stellen diese Jugend dar, heimatlos und unerwünscht, mit einem gepeinigten Innenleben, das kafkaesk ist. Viele junge Menschen fühlen sich so, das zieht sich durch alle sozialen Schichten und kann man nicht so leicht an bestimmte Gesellschaftsgruppen aufhängen.
Passagierte Blinde geht in eine ähnliche Richtung, beschreibt aber noch allgemeiner, nicht nur junge Menschen sind gemeint, sondern alle, die sich in einen Zug wiederfinden, den sie gar nicht betreten wollten, und diesen Gedanken so gut es geht verdrängen.
Hmm, ich bin gerade dabei mein ganzes Gedicht bis ins letzte Detail zu erklären, deshalb breche ich jetzt am besten mal ab, so verderbe ich's ja nur.

@Max: Hattest du denn wenigstens das Gefühl, dass sich mein gedicht zu einer komplexen Aussage ausweitet, oder kam das gar nicht rüber?

@Lisa: Jaja der Mozart, der Dieter Bohlen seiner Zeit :razz:

Gast

Beitragvon Gast » 08.05.2006, 13:26

Gut, das du dich gestoppt hast, Last...

Es muss sich auch keinesfalls immer alles erklären lassen um richtig anzukommen....

Max

Beitragvon Max » 08.05.2006, 13:46

Lieber Last,

wenn ich die Aussage des Gedichtes selbst ziehen darf, so ist das für michj unproblematisch, ich hing mehr bei den Bildern, die Du ja jetzt erklärt hast.

Liebe Grüße
Max

Trixie

Beitragvon Trixie » 08.05.2006, 23:10

Servus Last!

Ich finde es unglaublich gelungen. Ich musste es nun immer wieder lesen, bevor ich mich dazu äußern wollte, denn es sollte ja auch was Sinnvolles dabei herauskommen. Ich kann leider nur sagen: Einmalig,toll, bin begeistert. Mit der oftmals im Dunkeln gelassenen und doch so aufgeklärten Jugend kann ich dir nur zustimmen. Ich erlebe das auch oft genug und es macht mich wütend. Dieses Gedicht ist sehr bedeutend und gelungen, und nicht nur wegen der ersten Strophe. Rundherum und komplett am Stück bewegt es mich und löst es etwas in mir aus, das ich nicht so ganz in Worte fassen kann - Zorn, Zustimmung, Nachdenken,...-


(An Gerda: Dein Verbesserungstipp
ein kleines Fehlerchen:
ein grauer Mann besteht auf dem Fensterplatz


stimmt übrigens nicht, denn: Auf WEN oder was besteht man- auf DEN Fensterplatz...)

lg Trixie

Last

Beitragvon Last » 11.05.2006, 14:22

Hallo Trixie,

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar :grin:

und löst es etwas in mir aus, das ich nicht so ganz in Worte fassen kann - Zorn, Zustimmung, Nachdenken,...-

Das freut mich sehr...


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