Wiedersehen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 18.04.2006, 21:52

Wiedersehen

Jetzt sitzen wir wieder hier
Mit den Schrammen auf unserer Seele
Vergeblich versuchst du die Risse zu kitten,
dein Gesicht spiegelt, wie alt ich bin

Was machst du? Abgestandene Frage.
Ich ziehe Erfolge
aus meinen Hosentaschen.
Du lachst
Und was ist mit deinen Träumen?

Plötzlich glimmt es in deinen Augen
wie früher
mein Herz stolpert, steht still
ich nehme ein Taschentuch,
wische den Puder aus deinem Gesicht
und wünschte, es wären die Jahre,
eingegraben,
die später darin
dunkel schimmern.

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 22.04.2006, 01:30

leonie hat geschrieben:Wiedersehen

Jetzt sitzen wir wieder hier
Mit den Schrammen auf unserer Seele
Vergeblich versuchst du die Risse zu kitten,

Plötzlich glimmt es in deinen Augen
wie früher
mein Herz stolpert, steht still



Das sind die Hauptpassagen, die mich vermuten ließen, daß es sich um zwei Menschen handelt, die mal eine Partnerschaft hatten.
Besonders die zweite Passage.

Es glimmt in deinen Augen, wie früher, mein Herz stolpert...

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht ganz, warum nun ausgerechnet meine Interpretation (mag sie nun auch nicht richtig sein) als DERART AUS DER LUFT GEGRIFFEN verstanden wird.

Davon ab scheint sich ja das meiste daran festzumachen, daß ich gesagt habe: ich sehe es eher als kurzes Prosa-Spotlight denn als Gedicht und es mir als alleinstehender Text zu wenig Substanz hat.

Auch wenn das jetzt nicht gefallen wird: dabei bleibe ich. Der Text läßt sehr viele Fragen offen, er läßt verschiedene Interpretationen zu - aber nicht aufgrund von Metaphern, verschiedenen Bedeutungsebenen oder Verdichtung, sondern weil einfach nur Unklarheit drin steckt.

Ob das formal ein Gedicht ist oder nicht, na ja, lieber Paul, ich kenne auch das Handtke-Ding, ich kenne auch ein Gedicht, in dem Bahnhöfe mit Abfahrtszeiten aneinandergereiht werden usw. - darüber will ich gar nicht streiten, weil es eh hier zweitrangig ist.
Das Wort "Erzählgedicht" wird ja hier bemüht. Aber was wird mir erzählt? siehe oben.

leonie, wenn dich meine Kritik persönlich getroffen haben sollte, tut es mir leid, weil das nicht in meiner Absicht lag oder liegt. Ich bespreche einen Text, wenn ich ihn bespreche, nicht die Person, die ihn geschrieben hat.

Ich habe einfach zur Zeit ein seltsames Gefühl, was die ganze Diskussion betrifft. Meine Kritik wird negativ gewertet (damit kann ich leben), aber gleichzeitig werde ich das Gefühl nicht los, daß meine Kritik so dargestellt wird, als sei sie destruktiv und böte keine Anhaltspunkte, um konstruktiv wirken/anregen zu können - dagegen möchte ich mich jedoch verwahren.

Gruß
Frank

Gast

Beitragvon Gast » 22.04.2006, 07:47

Hallo Frank, hallo leonie,
erst Mal einen Guten Morgen :smile:

@ Frank:Es lohnt sich in jedem Fall, dass sich die Autoren, der von dir kritisierten Texte, mit deiner Kritik auseinandersetzen.
@ leonie: Es bringt nichts (für den Autor) Kritik an der Kritik zu üben, es sei denn, dem Autor ist absolut und objektiv "Unrecht" geschehen, was aber bei einer echten Textkritik nicht passieren sollte.
Ich glaube sagen zu können, dass ich das hier nur in dem einen Fall (nonverbal) erlebt habe.

Was ich sagen will: selbst wenn man anderer Meinung ist, als Frank,* ist es lohnenswert, die von ihm kritisierten Passagen genauestens zu prüfen...
Selbst wenn der Autor zu keinem anderen, als seinem "Ergebnis" kommt. Mein "surrogat" (Textwerkstatt) ist ein gutes Beispiel.
Auch wenn ich am Ende nicht genau Franks Meinung bin, hat er angeregt, mich intensiv, auseinanderzusetzen, noch einmal in mich zu gehen. Dies, bei einem Gedicht - das bereits in einer Anthologie veröffentlicht wurde, an dem ich aber selbst zweifelte...
"Ordentliche", konstruktive Kritik ist Serviceleistung und Wertschätzung am Text. (Kann man offensichtlich alle paar Wochen immer mal wieder dran erinnern, sich selbst auch).
Also, liebe leonie, Kopf hoch, mach dir Kritik zu Nutze.
Dass du den Text jetzt ruhen lässt, finde ich äussert wichtig, denn dann bekommst du Abstand, auch zur Krtik.

Liebe Grüße und viel, viel Freude hier,
Gerda
*Auch die Kritiken anderer Forumteilnehmer sind mir eine echte Hilfe, hier ging es aber insbesondere um Franks Kritik.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 22.04.2006, 14:14

Hallo zusammen,

ich wollte nur angemerkt haben, dass es für Gedichte verschiedene Lesarten gibt.

Leonies Gedichte könnte von der verflossenen Liebe handeln. Es könnte auch um eine Freundschaft gehen.

Bei meiner Freundschafts-Interpretation stützte ich mich auf einige (teils unreflektierte) Vorannahmen.

1.) leonie = ich = weiblich
2.) du = Puder im Gesicht = weiblich
3.) Die Geste, jemandem das Puder aus dem Gesicht zu wischen = weiblich

Ergo: Ich und du sind weiblich. Daher dachte ich, es wird wohl um Freundschaft gehen. Natürlich könnte auch eine gleichgeschlechtliche Liebe gemeint sein oder aber Leonie oder der sich mit dem Ich-Identifizierende Leser sind männlich. Oder das Du ist männlich und geschminkt (Tokyo Hotel, wer weiß?).

Ich halte verschiedene Lesarten für möglich.

Beste Grüße

Paul Ost

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 22.04.2006, 14:34

Hallo,

ich habe das Gefühl, dass es gar nicht so wichtig ist, WER sich dort wiedertrifft (wenn ich auch von zwei Frauen ausgegangen bin) ...es geht ja um das Wiedersehen allgemein, und was passieren kann, wenn man die Floskeln über Bord wirft...

Vielleicht hast du, leonie, dich einmal mit einer alten Freundin getroffen (oder mit mehreren) und dich daran später erinnert, als du das Gedicht verschoben hast...dabei wirkte dann antürlich das bekannte Bild mit, obwohl der text an sich eher nicht so viel Wert darauf legt, wer sich trifft, sondern wie sich getroffen wird...

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leonie
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Beitragvon leonie » 22.04.2006, 17:47

Danke, Euch allen, für die vielen Beiträge.
Natürlich ist der Kopf bei mir noch dran und oben. Natürlich ist auch negative Kritik völlig okay, wenn sie konstruktiv ist.
Frank, ich fühle mich nicht verletzt, habe aber das Konstruktive in Deinem ersten Beitrag nicht so wirklich finden können, das war mir zu allgemein, im Grunde ja vor allem die Wiedergabe Deiner Interpretation, die für mich den Eindruck erweckte, Du hieltest das ganze für sentimental und platt (also doch Ablage "P"). Das mit dem lyr. Ich fand ich recht verworren, hab es nicht ganz verstanden.
Was mich wirklich ärgert, ist so ein Satz wie "Das Wort "Erzählgedicht" wird ja hier bemüht." Das geht so über meinen Kopf weg, als sei ich ein bisschen bescheuert, das auch nur einzubringen.
Da würde es mir helfen, wenn Du so einen Satz direkt an mich richtest.

Mir helfen konkretere Hinweise mehr, in denen die betreffenden Passagen angesprochen sind, die kritisch gesehen werden. In Deinem zweiten Beitrag hast Du solche ja angeführt, da kann ich dann besser nachvollziehen, wie Du zu Deiner Interpretation gelangst. Und mich frage, wie ich das ändern könnte...

Das soll auch nicht gegen Dich persönlich gerichtet sei, ging mir jetzt in diesem Fall so.
In vielen anderen Deiner Rückmeldungen habe ich Dich sehr positiv, als sehr genauen Leser und kompetenten Kritiker, da stimme ich Dir,Gerda, voll zu.

Paul und Lisa, Ihr bringt es auf den Punkt, es sind wohl verschiedene Lesarten möglich, von lesbisch bis Tokyo Hotel (smile), letztlich ist es nicht so wichtig, wer sich trifft. Sondern, was der Leser hineinliest, welche Geschichte und Bilder in ihm entstehen.

Vielleicht wäre es am besten, sich als Autorin gar nicht dazu zu äußern, aber manchmal wird ja gefragt, was frau gemeint hat/vor Augen hatte.

Im Moment frage ich mich angesichts der Diskrepanz in den Rückmeldungen, ob ich es nicht so lasse und versuche, die Kritikpunkte in einem ganz neuem Text umzusetzen.

Wie gesagt, ich lasse es "sacken"

Euch allen nochmal vielen Dank

leonie

Franktireur

Beitragvon Franktireur » 22.04.2006, 19:16

hi leonie,

was mich jetzt freut ist, daß es wieder zurück auf eine sachlichere Ebene gekommen ist.

Mein Satz "Das Wort Erzählgedicht wird ja hier bemüht" braucht dich eigentlich nicht zu ärgern, weil er gar nicht gegen dich/deinen Text gerichtet ist.

Er ist vielmehr gegen eine (nie deutlich ausformulierte) Haltung gerichtet, die darauf hinausläuft, daß wesentliche formale Aspekte, wesentliche Ausdrucksmittel und bestimmte handwerkliche Aspekte, die bei Lyrik und Gedichten nun mal eine Rolle spielen, bei einem "Erzählgedicht" nicht relevant seien. Eine solche Auffassung lehne ich ab.

Mit deinem Text hat es eben insofern zu tun, daß ich (natürlich kann ich das nur aus meiner Sichtweise her tun) deinen Text eher der Kurzprosa zuordnen würde. Das soll nicht heißen, daß ich den Text damit schmälern will. Da würde ich meine Texte ja selbst schmälern, weil ich hauptsächlich Prosa schreibe.

Aber mir bleibt doch keine Wahl: entweder ist es Prosa oder Lyrik. Mir geht immer die Hutschnur hoch, wenn ich lesen muß: spielt doch keine Rolle, ob es nun ein Gedicht ist oder Kurzprosa.
Es spielt sehr wohl eine Rolle. Weil die Prioritätssetzungen unterschiedlich sind. Wer da das Gegenteil behauptet, weiß nicht, wovon er redet.
Es gibt ja sogar zwischen "Kurzgeschichte", "Erzählung", "Novelle" und "Roman" erhebliche Unterschiede (und das innerhalb der Prosa!), was u.a. Thematik, Aufbau, Dialog usw. betrifft.

Wenn ich also sage: mir fehlt es an Substanz - dann ist damit gemeint: für ein Gedicht. Darum hatte ich auch bei meinem ersten Kommentar geschrieben, es sei für mich eine Art "Spotlight", eine Szene, ein möglicher Anfang für eine Erzählung oder Story.
Es ist also im Wesentlichen formal gemeint - nicht inhaltlich.

Vielleicht wird es nun auch für dich verständlich, daß mich aufgrund des Aneinandervorbeiredens (denn das war es wohl letztendlich) ein seltsames Mix-Gefühl aus aufkommendem Unwillen und Verzweiflung beschlich.

Dank deines letzten Postings kann ich nun wiederum besser nachvollziehen, warum du dich von meinem Kommentar vor den Kopf gestoßen fühltest.

Aber ich denke, dieses Gewitter ist jetzt vorbei und die Luft hoffentlich gereinigt :smile:

Gruß
Frank

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leonie
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Beitragvon leonie » 22.04.2006, 22:05

Lieber Frank,

Herrlich, diese saubere Luft!!!

Ich schreibe erst seit ungefähr einem Jahr Gedichte, bin über einen workshop dazu gekommen, bei dem uns ein Schriftsteller einfach zum Schreiben ermutigt hat und die Formfragen in den Hintergrund traten. So hab ich mich dann getraut, Verschiedenes zu probieren, sehr frei.
Es wird wohl noch manches von mir dabei sein, wo das Formale (und nicht nur das) Kritik auslösen wird, aber ich möchte es trotzdem "reinstellen".
Ich finde, man lernt auch viel dabei.

Vorerst herzliche Grüße

leonie


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