Knusperhäuschen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 05.09.2010, 11:42

Knusperhäuschen

Ich habe so vieles geglaubt
Damals
als ich das Kratzen des Bleistifts
auf dem Papier
für eine Selbstverständlichkeit hielt
Als ich glaubte
Gedichte wachsen den Dichtern aus den Händen
wie Bäume Blätter verlieren
Und wer als Tanne geboren wird
kann sich immer noch auf Weihnachten freuen

Später
als der Glaube mich ausgetrieben hatte
wie einen guten Geist
der sich in keine Flasche sperren lässt
als ich nichts mehr suchte
außer dem Boden unter meinen Füßen
sachte ich immer noch einiges

Ich dachte an Tauben
und ihren Flügelschlag
Ich dachte an
spielende Kinder
Ich dachte ich könnte so tun
als würde ich mit den Ohren Bilder malen
in jedermanns Gesicht
ohne dass mich jemand hört

Ich habe mir so vieles vorgestellt
auch später noch als ich das Vertrauen verloren hatte
und ich den Weg zurück nicht fand
weil ich statt Kieselsteinen eine Spur aus Worten gelegt hatte
mit der ein paar alte Damen Scrabble spielten
Ich verirrte mich
im dichten Wald
Es war so dunkel
und ach so bitter kalt

Es ist nicht so dass mich niemand gewarnt hätte
aber ein Haus ist immer noch ein Haus
Und dieses war dekoriert mit zuckersüßen Worten
bunt kandiert und klebrig
Warum hätte ich nicht eintreten sollen
Nichts hielt mich zurück
Ich hatte ja nicht einmal mehr einen Glauben
oder festen Boden unter meinen Füßen
Schreib Dich ein sprach die Hexe
und zückte die Feder
Als ich erst über die Schwelle getreten war
gab es kein Zurück mehr
Zuletzt geändert von Xanthippe am 25.09.2010, 10:10, insgesamt 2-mal geändert.

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 06.09.2010, 20:23

Liebe Xanthippe,

du hast natürlich recht, "was mir persönlich lieber wäre" ist keine Begründung für einen Umgestaltungsvorschlag, entschuldige bitte. Ich schaue immer sehr auf das Formale eines Gedichts. Ein Gedicht unterscheidet sich von Prosa durch die Aufteilung in Verse. Entscheidend für meinen Eindruck, dass es sich um lyrische Prosa handelt, ist die Tatsache, dass du in grammatikalisch vollständigen Sätzen schreibst. Die Umbrüche leuchten mir beim lauten Lesen nicht so recht ein, z.B. diese Stelle:

Als ich das Kratzen des Bleistifts
Auf dem Papier
Für eine Selbstverständlichkeit hielt


Wieso muss ich vor "auf dem Papier" innehalten und danach auch wieder? Das bringt mich aus dem Textfluss heraus. Auf mich würde der Text in sich geschlossener wirken, wenn es auch formal ein Bogen wäre:

Als ich das Kratzen des Bleistifts auf dem Papier für eine Selbstverständlichkeit hielt, ...

Dadurch, dass du die Versanfänge immer groß schreibst, wirkt der Text auf mich noch mehr zerhackt und einzelne, eher banale Zeilen bekommen meiner Meinung nach einfach zu viel an Gewicht beigemessen:

Ich dachte an
Spielende Kinder


Wenn du uns das Gedicht einmal vorlesen würdest, könnte ich vielleicht deine Umbrüche besser nachvollziehen.

Knusperhexengrüße
fenestra

Niko

Beitragvon Niko » 06.09.2010, 21:23

lyrik definiert sich für mich durch verdichtung, durch komprimierte aussage oder eine aussage, die hinter einer aussage steht. oder durch metaphern. ob sie in ganzen sätzen daherkommt oder in satzfragmenten ist nach meinem dafürhalten völlig unerheblich.
ich glaube, dass es da keine eindeutige definition gibt. keine klaren grenzen aber viel grauzone und somit viel subjektives. entscheidend finde ich, wofür der autor es hält. es liegt ihm nichts daran, eine lyrische prosa in die lyrik zu mogeln und umgekehrt. er will sich und seinen text verstanden wissen. und dabei ist dem autor die rubrik egal. ich denke, der verfasser wählt intuitiv. und liegt damit immer richtig. weil es sein werk und sein empfinden ist. andere mögen das anders schubladisieren, aber mir genügt die einschätzung des autors.

...-nur mal so eingeschoben: niko (wäre vielleicht einen eigenen faden wert im café. aber ich glaube, das hatten wir alles schonmal)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 08.09.2010, 21:13

Danke Fenestra,
für die Aufklärung. Und das meine ich wirklich so. Ich hörte das ja nicht zum ersten Mal, diesen Eindruck, dass es sich bei mir um lyrische Prosa und nicht um Lyrik handeln würde. Deine Definition eines Gedichtes ist aber für diesen Eindruck sehr nachvollziehbar für mich, auch wenn ich eher Nikos Meinung vertrete, naturgemäß.

Ja, und die Umbrüche haben schon ihre Berechtigung, denke ich und ich glaube, wie Du, dass sie verständlicher würden, könnte ich das hier vorlesen. Was ich aber in absehbarer Zeit nicht kann, weil ich gerade letztens erst meinen Computer ziemlich kaputt gemacht habe.
Also nochmal Danke an Dich für die Aufklärung

Und Dir Niko für Deine kleine Poetologie, die ich so ohne Einschränkungen unterschreiben würde.

Xanthi

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 09.09.2010, 10:15

Nun, Niko kann gern etwas anderes "glauben", aber im allgemeinen literaturwissenschaftlichen Sprachgebrauch wird Lyrik vor allem durch formale Kriterien abgegrenzt und nicht durch das Vorkommen von Metaphern, sprachlicher Dichte usw. (die gibt es nämlich bei guter Prosa ebenso). Im Übrigen gibt es ja auch hier im Salon "Schubladen", es gibt den Bereich "Erzählgedichte", darum ist es schon sinnvoll, sich gemeinsam zu überlegen, wo ein Gedicht am besten einzuordnen ist.

Eine Analyse der Form kann interessant sein, um die Wirkungen eines Gedichts besser zu verstehen - oder auch zu verstärken. Und um nichts anderes geht es mir hier. Das hat nichts damit zu tun, den Autor in irgendeiner Weise bevormunden zu wollen. Aber ich glaube, dass hast du, liebe Xanthippe, auch richtig verstanden.

Max

Beitragvon Max » 09.09.2010, 22:29

Liebe Xanthi,

ich kann mich ganz gut in Leonies Kommentar wiederfinden.
Nicht, dass ich das Gedicht nicht in einem Rutsch durchgelesen hätte - ich finde das Thema, dies Rückschau enomr spannend. Aber Sätze, wie der von Leonie zitierte erste, dienen ja auch in der Prosa nur der Überbücken - spannend bleiben die Details, von denen Du ja eine Vielztahl bietest .. vielleicht ließe sich an dem Rest noch ein wenig arbveiten .. wenn Du es für nötig hälztst natürlich nur.

Liebe Grüße
Max

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 16.09.2010, 17:15

Hallo Max,
also die Sache mit dem Glauben, die war wirklich noch ein bisschen schief. Allerdings lag das m.M. nach nicht an den fehlenden Bildern, Metaphern, Details etc. pp., ich denke das kann dieses Gedicht sich erlauben, auch mal eine Behauptung aufzustellen, ein Bekenntnis abzulegen und obwohl ich wirklich darüber nachgedacht habe, kann ich nicht sehen, wo das störend, zu viel, unangebracht sein soll, weil ja dieses Bekenntnis doch bebildert wird, erläutert, gezeigt... Aber, wie gesagt, diese Stelle war noch nicht richtig.
Deine Rechtschreibung ist sehr interessant, Max, besonders das scheinbar von dir eingeführte zt ;-)
Xanthi

Max

Beitragvon Max » 16.09.2010, 20:47

Liebe Xanthi,

ich glaube, dazu sagt man nicht mehr Rechtschreibung. Tatsächlich ist es besonders schlimm, wenn ich auf dem kleinen Netbook tippe, dessen Tasten nicht für meine Wurstfingr gemacht zu sein scheinen ..

Liebe Grüße
Max

Klara
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Beitragvon Klara » 16.09.2010, 21:26

Hallo Xanthippe,
das finde ich spannend. (Immer wieder frappiert mich gerade bei dir, wie ein Text eine Nähe herstellen kann, weil die Wahrnehmung so ähnlich zu sein scheint der eigenen)

Ich mag den Glauben, der das Ich ausgetrieben hat - wunderbar doppeldeutig (und überhaupt nicht erklärend!)
ausgetrieben wie eine Blüte, wie einen Eindringling, wie eine Geburt...

Schwächer (weil nichtssagender und ggf. unnötig) dagegen die Verse:
Dachte ich immer noch einiges

Ich habe mir so vieles vorgestellt

und das "weil" vor den Kieseln, als wüsste das Ich alles schon, da täte mir beschreiben langen (pardon, kommt mir grad so, meine Oma hat uns immer Märchen vorgelesen und zwischendurch so schlampig gesprochen, obwohl sie das nie tat: langt euch das? aber vielleicht bilde ich mir das auch ein wie jede Erinnerung Erfindung ist, sonst könnte sie ja gar nicht überleben.

Und ein kleinwenig störend für mein Lesen finde ich die Großschreibung zu Beginn, weil doch Verse reichen? Ich mag keine Adjektive (zum Beispiel), die groß geschrieben werden, nur weil der Raum (der Versbeginn) ihnen das Große aufzwingt, ohne dass ein Punkt gesetzt wäre - es bleiben ja dann doch Adjektive, und so groß geschrieben spielen sich die Spielenden Kinder zu sehr auf, und dann sollte man sich auch beim Versespielen entscheiden, ob man Punkte macht oder Verse oder Sätze oder Kinder

das Vertrauen verloren
klingt abgedroschen und ebenfalls nichtssagend in seiner Alldeutigkeit - Vertrauen worauf, in wen? Bzw. bestenfalls wehleidig

Ich könnte mir vorstellen, dass in Gretels Märchenhaftigkeit noch mehr steckt.
Und dass sie noch besser die Neugier auf die Hexe (und auf Hänsel?) wecken
und doch noch mehr mit dem Märchensprech spielen könnte, ach so bitter, die Tradition brechen und erhalten zugleich, und so kalt

Bunt kandiert und klebrig
Da würde mir eins weniger reichen: bunt und klebrig

und der Boden, der nicht mehr fest sein soll, den glaube ich der Gretel nicht, denn sie TRITT ja ein. Worauf geht sie? Auf Wolken? Übers Wasser? Auf Zucker? Nee, oder?

Fazit: Noch ein bisschen was dran machen, genauer schreiben, Kleinigkeiten feilen, und das Märchen wird groß und echt.

bitte bitte nicht böse sein, das ist nur meine bescheidene klara-Meinung zu einem Text, der mich berührt hat, weil ich die Schreibkraft dahinter spüre.

herzlich
klara

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 17.09.2010, 14:12

Liebe Xanthippe, und Kommentator/Innen

Diesen Text und die daraus entstandene Diskussion finde ich wieder sehr spannend.

Mein erster Eindruck war der einer poetischen Nähe. Der formale Aspekt ist soweit ich das bisher wahr nehme, veränderlich. Das Hereinnehmen bestimmter Vokabeln, bestimmter Versmaße, drückt doch auch, nicht nur, aber auch, aus, wie weit man sich mit herrschenden Konformismen oder herrschenden Anti-Konformismen einlässt.

Mit Bezug auf P. Quignard, wäre dein Text ein Ruf ... und das ist er auch, das Bild der Kieselsteine drückt ganz genau aus, was Quignard meinte: eine Aufforderung zur Suche.

Diese Aufforderung zur Suche und ihre einladende Wirkung auf mich ist mir persönlich wichtiger als die Befriedigung eines formalen Anspruchs. Ich habe hier und jetzt kein Gedicht von Sylvia Plath griffbereit, mir scheint jedoch, dass ihre Poesie wenig Formalismen enthält. Ich will damit auch keine grundsätzliche Wertung ausdrücken, denn der formale Anteil an der Sprachgestaltung interessiert mich sehr. Nur denke ich, dass jeder Autor für sich entscheidet, welche Richtung er/sie einschlagen will.

Von deinen Texten geht jedenfalls eine Dringlichkeit aus, der ich gerne nachgehe.

Nun zu diesem "Knusperhäuschen"

Die bekannten Märchenelemente - das Knusperhäuschen, der Kieselstein, der Wald, die Hexe, werden mit anderen Elementen bekannter Symbole in Berührung gebracht - Tanne (Weihnachten), guter Geist (Flasche), Taube - hier ist die Vermengung von religiöser Symbolik und Natur interessant, wenn man den Djinn als guten oder bösen Wind versteht,,und mit "modernen" Inhalten (oder auch Alltagssprache) konfrontiert - Bleistift, Papier, Dichter / Bilder malen, Scrabble spielen,

Die Märchenebene wird durch die beiden anderen Sprachebenen entzaubert, eine Ernüchterung der Sprache tritt ein. Der Glaube ist der Glaube an das, was Worte transportieren. Es beginnt mit der Selbstverständlichkeit, die von Worten ausgeht, und die nicht für jeden dieselbe ist, die jeder aber als Ur-überraschung erlebt hat. (entschuldige, wenn ich hier eine persönliche Erfahrung einflechte. 1967 reiste ich zum ersten Mal nach England, nach Cambridge, und heute noch läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, was bei mir die harmlose Bemerkung der Kellnerinnen oder Kassiererinnen auslöste, wenn sie fragten: ist das alles, love ... ) Ich nehme an, dass du etwas Ähnliches meinst, dieses Hineingezogensein in eine selbstverständliche Annahme, in einen Glauben, das Heraustreten und Hinausgetretenwerden aus dieser Selbstverständlichkeit.

Diese Thematik könnte auch in einem Prosatext oder in lyrischer Prosa behandelt werden. Dann würde der Nhalt mMn an Dichte verlieren, die er hier erfährt. Auch meine ich, dass der LeserIn hier nichts erzählt wird, es sich also nicht um erzählende Lyrik handelt. Über die Länge kann man streiten. Länge und Wiederholung sind formale Gestaltungsmittel. Eine Ballade ist gewöhnlich lang (und erzählend), Elegien können lang sein und dein Gedicht geht in diese Richtung. Ich könnte als Titel sehen: Die Elegie vom Schreiben oder das Knusperhäuschen.

Das Knusperhäuschen als Ort der Verführung, der Entführung gefällt mir außerordentlich. Die Hexe zückt die Feder, Fausts Pakt ist nicht weit, die Dichterin und ihre Hexe sind dort angekommen, wo auch Goethe war ...

An Assoziationen mangelt es nicht, Bilder, die ihrerseits Bilder heraufbeschwören, einen Tanz oder Reigen von Konnotationen, z.B. "Cold Song" Purcell.

Der Rest wäre - eventuell, es ist DEINE Sache, das dir Eigene zur dichterischen Sprache zu erheben, indem du es betonst, ausbaust, verstärkst. Also das Gegenteil von Wegnahme, Verknappung deiner Inhalte, Ideen, sondern das Ausbauen, Verdoppeln, Akzentuieren.

Wie gesagt, mir scheint, dass es unterschiedliche Wege gibt, die zur Lyrik führen. Paul Valéry, einer der größten Formalisten frz. Lyrik schrieb Texte, deren Inhalt vordergründige Themen anbietet, auf deren Hintergrund eine "contrainte" (eine einengende Vorgabe) eingehalten wird, zB die Silbenzahl einer Verszeile. oder Zeile beginnt mit einem Wort mit zwei Buchstaben.

Dein Knusperhäuschen lädt zum Knuspern ein, das tat ich gern.

Liebe Grüße
Renée

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 25.09.2010, 10:07

Hallo Klara,

zunächst muss ich um Nachsicht bitten, dass ich so spät erst reagiere. Aber ich muss gestehen, es ist nicht allein die Zeitnot, es ist für mich immer wieder sehr schwierig zu reagieren, egal ob ich mich reibe an den Antworten, oder ob sie mich einfach nur freuen. Um angemessen zu reagieren, denke ich häufig, müsste ich mehr preisgeben von mir, von dem was für mich in dem Gedicht steckt, und eigentlich will ich das nicht. Eigentlich ist für mich das Schöne an derartigen Diskussionen, dass der Autor erfährt, was sein Gedicht mit den Lesern macht, was es dort bewirkt und letztendlich wirkt das ja wieder zurück auf den Autor und wenn ich also jetzt etwas sage zu dem Gedicht, zu meinen Absichten in diesem Gedicht, dann ist es nicht mehr dasselbe, das mich damals dazu gebracht hat das Gedicht zu schreiben. Aber kann man immer nur Danke sagen, oder: ich habe Deine Kritik mit Interesse gelesen, aber ich selbst sehe es anders? Wenn sich jemand so ausführlich befasst hat, mit dem was ich geschrieben habe?
Jetzt aber zu deinen Anmerkungen

Weder "Dachte ich immer noch einiges" noch "Ich habe mir so vieles vorgestellt" finde ich nichtssagen oder unnötig, auch nicht, nachdem ich nun mit ausreichend viel Abstand darüber nachdenken konnte. Obwohl ich Dir ein wenig Recht geben muss, die Aussage des Dachte ich immer noch einiges ist überflüssig, vielleicht sogar verkehrt, allerdings brauche ich es für den Klang, den Rhythmus. Ja, darüber muss ich wohl noch nachdenken, ob es da nicht eine bessere Formulierung gibt, eine die es besser trifft.
Klara hat geschrieben: das Vertrauen verloren klingt abgedroschen und ebenfalls nichtssagend in seiner Alldeutigkeit - Vertrauen worauf, in wen? Bzw. bestenfalls wehleidig

Schade, dass es bei Dir so ankommt. Für mich hat es, naturgemäß, eine andere Bedeutung. Ich mag dieses Spiel mit dem Verlieren und der Spur, die das Vertrauen vielleicht legt, die aber ersetzt worden ist durch die Worte. Ich habe es vieldeutiger, spielerischer verwenden wollen und dann ist eben auch so ein Klischee eine Spur, die irgendwohin führen kann, aber nicht muss.

Was die Großschreibung angeht, gebe ich Dir Recht, die ist nicht zwingend notwendig und ich bin gern bereit mich davon zu trennen.

und der Boden, der nicht mehr fest sein soll, den glaube ich der Gretel nicht, denn sie TRITT ja ein. Worauf geht sie? Auf Wolken? Übers Wasser? Auf Zucker? Nee, oder?

Hm, und hier haben wir wieder dasselbe Problem miteinander; ich will spielen und Du liest, was da steht. Das ist ja wieder das Klischee, das man benutzt, dieses "ich habe den Boden unter den Füßen verloren" und ein bisschen ist es ja auch immer wahr, trotz allem, dass man beim Schreiben den Boden unter den Füßen verliert, oder dass man ihn erst findet. Ich zumindest, gehe beim Schreiben auf Wolken, übers Wasser, auf Zucker und falle dann erst wieder auf den Boden zurück.

bitte bitte nicht böse sein, das ist nur meine bescheidene klara-Meinung zu einem Text, der mich berührt hat, weil ich die Schreibkraft dahinter spüre.


Das ist die Stelle, die mich am meisten verwirrt hat, Klara, liest sich das, was ich schreibe erbost, oder wie kommst du darauf, ich würde/könnte böse sein. Ich freue mich sehr über jegliche (besonders über begründete) Reaktion auf das was ich schreibe, ich denke gerne darüber nach (auch wenn es manchmal sehr lange dauert) und böse werde ich nur, wenn jemand mir wirklich hahnebüchene Dinge unterstellt. Und über die Schreibkraft, die du zu spüren meinst, freue ich mich natürlich ganz besonders.

Meinen verspäteten, herzlichen Dank
Xanthi

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Beitragvon Xanthippe » 25.09.2010, 18:09

Hallo Renée,

Deine Kommentare beeindrucken mich immer wieder. Beeindrucken mich, aber schüchtern mich auch ein. Das ist nicht ganz das richtige Wort und doch nah an der Wahrheit. Die Art und Weise wie Du Gedichte, Texte, Sprache allgemein kommentierst, welche Bezüge Du aufstellst und welche Schlüsse Du schließlich daraus ziehst, zeigt mir immer wieder sehr deutlich, dass ich auf diesem Niveau nicht mithalten kann. Mir fehlen all diese Begriffe, mir fehlt der gesamte literaturwissenschaftliche Hintergrund. Um vielleicht einmal zu belegen was ich meine; Du schreibst:

Renée Lomris hat geschrieben: Mein erster Eindruck war der einer poetischen Nähe. Der formale Aspekt ist soweit ich das bisher wahr nehme, veränderlich. Das Hereinnehmen bestimmter Vokabeln, bestimmter Versmaße, drückt doch auch, nicht nur, aber auch, aus, wie weit man sich mit herrschenden Konformismen oder herrschenden Anti-Konformismen einlässt.

Damit fühle ich mich überschätzt. Ich bin gar nicht in der Lage mich mit herrschenden Konformismen oder Anti - Konformismen einzulassen. Ich bin nicht stolz auf diese Art der Ignoranz, ich bin schlicht nicht in der Lage, mich mit Poetologien zu beschäftigen, ich habe es wirklich häufig versucht, aber es geht nicht. Ich weiß nicht so genau, warum ich das jetzt alles aufschreibe. Aber irgendwie war es mir scheinbar ein Bedürfnis, das einmal auszusprechen. Meine Bewunderung für diese Art Wissen, die damit einhergehende Möglichkeit einer sehr gehaltvollen Auseinandersetzung und meine teilweise Überforderung damit.

Deine Interpretation des Knusperhäuschens finde ich wunderbar (ganz besonders auch der persönliche Einschub) und auch Dein Vorschlag zur Erweiterung des Titels gefällt mir sehr. Obwohl ich es nicht ausdrücklich im Kopf hatte, finde ich mich sehr gut wieder in dieser Assoziation zu Faust, die Du beim Lesen gehabt hast.
Was das Ausbauen angeht ist das ja eine Aussage, die in einer unterschiedlichen Richtung eben das aussagt, was diejenigen sagen, die meinen ich sollte das Ganze kürzen. Offensichtlich stimmt etwas mit der Länge nicht, wenn mit unterschiedlichen Begründungen doch immer wieder die Länge thematisiert wird. Für mein Gefühl war und ist die Länge passend. Aber vielleicht komme ich noch darauf woran euer Unbehagen liegt.

Das Geräusch, das Dein Knuspern, liebe Renée, an meinem Häuschen verursacht hat, hat jedenfalls auch mir sehr große Freude gemacht.
Verspätet und herzlich Dank dafür von
Xanthi

Klara
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Beitragvon Klara » 26.09.2010, 22:04

Hallo Xanthippe,

es ist für mich immer wieder sehr schwierig zu reagieren, egal ob ich mich reibe an den Antworten, oder ob sie mich einfach nur freuen. Um angemessen zu reagieren, denke ich häufig, müsste ich mehr preisgeben von mir, von dem was für mich in dem Gedicht steckt, und eigentlich will ich das nicht. Eigentlich ist für mich das Schöne an derartigen Diskussionen, dass der Autor erfährt, was sein Gedicht mit den Lesern macht, was es dort bewirkt und letztendlich wirkt das ja wieder zurück auf den Autor und wenn ich also jetzt etwas sage zu dem Gedicht, zu meinen Absichten in diesem Gedicht, dann ist es nicht mehr dasselbe, das mich damals dazu gebracht hat das Gedicht zu schreiben. Aber kann man immer nur Danke sagen, oder: ich habe Deine Kritik mit Interesse gelesen, aber ich selbst sehe es anders? Wenn sich jemand so ausführlich befasst hat, mit dem was ich geschrieben habe?

Das sehe ich ähnlich, erlebe ich als Schreiberin und ins-Forum-Geschriebenes-Stellende ähnlich.
Was mich als Kommentierende betrifft, lass mich etwas flapsig formulieren, wenn du erlaubst: Mach dir keinen Kopp. Ich schreib was zu deinen Sachen, du liest es, fängst etwas damit an, nimmst es als Lesereaktion, hast das Bedürfnis, was zu dem Gesagten zu sagen - oder nicht. Ich verbinde für mich damit keine Verpflichtung, wenn ich kommentiere (was auch oft nicht mit der nötigen Muße und vermutlich nicht in der angemessenen Sorgfalt geschieht, mithin niemals, NIEMALS der Weisheit, nicht mal der Klaraweisheit, letzter Schluss ist, sondern eine lese-Momentaufnahme). Ich möchte damit auch niemanden unter Druck setzen - weder sich zu äußern, noch irgendwas zu erklären. zu rechtfertigen oder gar zu ändern. Wrüde mir das umgekehrt auch nicht herausnehmen (lassen), meinen Texten gegenüber. Ich finde - das gehört sich nicht. So gesehen, macht dein Vorweggeschicktes mich nun wieder befangen... hm - kompliziert ;)

Es ist ein Geben und Nehmen, glaub ich.

liest sich das, was ich schreibe erbost, oder wie kommst du darauf, ich würde/könnte böse sein.

Im Verlauf dieses Fadens hier bekam ich den Eindruck, dass es eine Empfindlichkeit in Bezug auf diesen Text gibt, an die ich nicht ungut hätte rühren mögen. Offenbar ein Irrtum.

Herzlich
klara

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Beitragvon Xanthippe » 27.09.2010, 11:05

Liebe Klara,

das finde ich schön, dass du darauf noch einmal geantwortet hast. Ja Befangenheit. Das Thema hatten wir unlängst schon einmal, wenn ich mich richtig erinnere. Lässt sich wohl nicht abstellen, also muss man lernen, damit umzugehen. Mich macht Deine Reaktion in dieser Hinsicht ein bisschen unbefangener. Schade, dass es bei Dir so seitenverkehrt passiert ist. Aber mit der These vom Geben und Nehmen könnten wir doch eigentlich alle ganz gelassen und unbefangen schreiben was wir denken.
Und zu der Empfindlichkeit bezüglich des Textes; ich habe das nicht gemocht, dass über Kategorisierungen und die richtige Schublade gestritten wurde, das mag seine Berechtigung haben, für mich und wie ich fand und finde auch für dieses Gedicht, hat das keine Bedeutung. Und im übrigen finde ich Streit sehr konstruktiv, solange er leidlich fair geführt wird. Und Fairness heißt da für mich, lesen und hinhören, was der andere sagt, nicht notwendigerweise einer Meinung sein.

Ich wünsche Dir eine gute Woche
Xanthi


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