Premiere

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Cicero
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Beitragvon Cicero » 15.12.2011, 16:52

Premiere

Da hockt er nun
im Schnürboden der Burg,
mit geballter Faust
neben dem Donnerblech,
blickt auf sein Werk,
das sie dilettieren,
hört seine Verse
in den Saal genuschelt,
kotzt in seine Halskrause
und macht sich
aus dem Bühnenstaub,
noch vor dem zweiten Akt.
Zuletzt geändert von Cicero am 12.01.2012, 19:53, insgesamt 2-mal geändert.
Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet. (Karl Kraus)

pjesma

Beitragvon pjesma » 12.01.2012, 18:56

ich finde dies gedicht nicht schlecht. hätte nur die letzte zeile ausgelassen, die ist nicht nötig, aber bühnenstaub hätt ich nicht hergegeben, ist ein schönes wort.
faust ballen kann man auch in selbstbeherschung, nicht nur im zorn. das kennt mindestens jeder von uns der ein musikinstrumentübenden daheim hat und sich tagtäglich schiefe töne anhören muss...;-). hier beherscht sich(versuchts mindestens) einer verunfallter,"halsgekrauselter" perfektionist beim beobachten eines anderen der in seine rolle kurzfristig als ersatzman hineingeschlittert hat, rolle für die er womöglich lange geübt, sie verinnerlicht, geatmet und gelebt. ist legitim, ein gedicht darüber zu schreiben, ist sogar übertragbar auf viele lebensbereiche...(schon mal dummen chef gehabt? ich schon) ich empfinde es nicht als pathetisch, wie so? hock den nicht in jedem kritiker ein kleiner teufel der denkt sic! "ich könnte das sicherlich besser". das ist gut getroffen.
lg

pjesma

Beitragvon pjesma » 12.01.2012, 18:58

bzw. als gekrauselter autor ---das selbe gefühl, nur noch potenziert ;-))

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 12.01.2012, 21:07

Da hockt er nun,
der "Premiere"-Autor,
am Frühstückstisch,
die geballte Faust
zwischen Laptop und Ei,
starrt in den "Blauen Salon"
und liest die Kritiken,
Lob und Tadel,
damit kann er leben,
noch schnell den
Fehler korrigiert
und eine Banane ins
Müsli geschnitten,
der Tag kann kommen.

;o)

Was aber nicht heißen soll, dass ich meinen Text nicht mehr überdenke.

Herzlichst,
Cicero
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Louisa

Beitragvon Louisa » 12.01.2012, 21:37

Dieses gefällt mir viel besser :smile: !

Quoth
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Beitragvon Quoth » 12.01.2012, 21:52

Was mich interessieren würde, Cicero, ist, an wen Du gedacht, wen Du gemeint hast mit diesem Autor, der auf dem Schnürboden des Wiener Burgtheaters hockt und dem über den Dilettantismus, mit dem seine Verse da unten auf der Bühne verhunzt werden, so schlecht wird, dass er in seine Halskrause kotzt. Shakespeare wird vielfach mit einem weißen Spitzenkragen dargestellt, aber unter einer Halskrause stell ich mir was anderes vor ... Irgendwie klingt der Text für mich nach einer Polemik gegen das Regietheater. Die "Perikles"-Inszenierung von Stefan Bachmann? Nun, da könnte sich das Entsetzen des great bard in Grenzen halten, selbst wenn dilettantisch geschauspielert wurde: Denn das Stück ist nur zu geringen Teilen von ihm ...

Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 13.01.2012, 17:47

Hallo Quoth,

zur "Perikles"-Inszenierung von Stefan Bachmann habe ich eine interessante Kritik gefunden:

http://kurier.at/kultur/4152990-perikle ... maelde.php

Mein Autor im Schnürboden war natürlich William, aber es hätte ja auch Francis Bacon sein können. ;o)

Nein, ich habe absolut nichts gegen Regietheater!

Regisseure wie Bachmann, Hartmann, Peymann, haben sich leider nie in die "Provinz" verirrt. (Landestheater Schleswig-Holstein)

Wäre spannend gewesen, mit diesen "Regietheatergrößen" zu arbeiten. ;o)

Der weiße Spitzenkragen wäre tatsächlich treffender gewesen ...

Gruß
Cicero
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.01.2012, 18:22

Dann hast Du mich mit der "Burg" aber auf eine völlig falsche Fährte gelockt! Oder spielt das Schleswig-Holsteinische Landestheater auch auf einer Burg? "Die Burg" ist unter Theaterleuten das Burgtheater in Wien!
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Cicero
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Beitragvon Cicero » 13.01.2012, 18:43

Auf die "falsche Fährte" gelockt? Das verstehe ich leider nicht, habe ich doch Herrn Shakespeare in meinem Text unmissverständlich in den Schnürboden des Wiener Burgtheaters gesetzt. Als Wiener kenne ich meine "Burg"!

Übrigens, Ratzeburg hat auch ein "Burgtheater". ;o)
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.01.2012, 18:50

Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Es wird also doch am Burgtheater in Wien dilettiert und in den Saal genuschelt ... Eben da, wo Peymann und Bachmann inszenier(t)en ... Also kommen dort auch Provinzregisseure zum Zuge ... Ja, warum eigentlich nicht?
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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