Allen Herbstes los

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rita

Beitragvon Rita » 09.01.2015, 08:20

Allen Herbstes los

Seinen Lauf nimmt der Winter
verronnen der Herbst
die Lust, alle Farben verblasst
nachts wuchern die Bilder, was
bedeuten gemailte Träume

Gut, dass es dich gab
dich und die Bücher, deren
Seiten uns wie lang verlorene
Geschwister verbanden, wir
lasen uns neu

Januar, ich fühle die Leere
so entfalle ich mir, ohne Himmel
aus dem Off deine Stimme
weit fort ist sie, ich bin
halb ohne dich

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 13.01.2015, 17:59

Rita, Du hast es offenbar nicht bemerkt: Ich habe in meinen obigen Kommentaren Deine Ausdrucksweise verteidigt. Du musst also Deine Erklärungen an Deine Kritiker richten, nicht an mich.

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 13.01.2015, 18:44

ach Pjotr,

inzwischen habe ich auch kapiert, wie es gemeint ist. Grammatisch geht das so trotzdem nicht. Nicht nach Duden und umgangssprachlich schon gar nicht.
Oder welcher Fall sollte das sein? Die Regel die zu solchen Konstrukten führt kenne ich nicht.

In Gedanken kann man natürlich alles mögliche voranstellen, einschieben, anfügen, durcheinanderwürfeln...


Aber ich muss mich da jetzt nicht festbeissen. Wenn es von der Mehrheit der Leser verstanden wird ist das in Ordnung.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 13.01.2015, 18:54

Nur zu deiner Information, ZaunköniG: Es ist der Genitiv.

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 13.01.2015, 19:12

Wie ich also oben schon vermutet habe, Rita.
Der Genitiv drückt aber eine Zugehörigkeit aus, deswegen fehlt in diesem Titel ein Substantiv. Ein Ding oder eine Person oder ein Zustand die dem Herbst angehört.

Des Herbstes buntes Laub
Des Herbstes Erben
Des Herbstes Hauch
Des Herbstes Melancholie
etc.

Ohne Zuordnung kein Genitiv. Das kann auch etwas ganz abstraktes sein, aber es wird dann substantiviert.

nicht
Des Seins leicht
oder
leicht des Seins
sondern
Die Leichtigkeit des Seins
oder
Des Seins Leichtigkeit.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 13.01.2015, 19:32

Ach, ZaunköniG, du machst mir Kummer. Das von dir geforderte Substantiv steht doch da: Herbst.

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Beitragvon ZaunköniG » 13.01.2015, 19:55

Nein, Rita, der Herbst muß sich auf irgendwas beziehen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 13.01.2015, 20:49

Bloß mal eine Frage, ZaunköniG: Ist Deutsch deine Muttersprache? Auf die Gefahr hin, dass du dich belehrt fühlst, erkläre ich dir jetzt, wie der Titel zusammenhängt:

Dass es sich um den Genitiv handelt, haben wir schon geklärt. Aber es handelt sich auch um eine Stilfigur, genannt Sprachfigur, sie heißt Ellipse. Eine Ellipse erkennt man daran, dass man das Unwichtige auslassen kann, ohne dass die Fügung unverständlich wird, in diesem Fall ist es das Hilfsverb sein. Eigentlich müsste also der Titel lauten: "Des Herbstes los sein". Aber da es nun mal eine Ellipse ist, wird das "sein" nicht gebraucht. Das ist aber eine unpersönliche Fügung, man könnte es auch so sagen: "Ich bin des Herbstes los". Das ist aber wenig poetisch, also wird auch "Ich bin" weggelassen, und auf diese Weise entsteht die Ellipse "Des Herbstes los".

Ich hoffe für mich, dass jetzt alle Klarheiten beseitigt sind.

Ciao, Rita

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Beitragvon Pjotr » 13.01.2015, 21:04

Der Sprache mächtig.

Rita

Beitragvon Rita » 13.01.2015, 21:17

O ja! Schließlich gehört die Beherrschung der Sprache in Wort und Schrift zum Handwerk.

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Beitragvon Amanita » 13.01.2015, 21:53

"Des Herbstes los sein"? Das geht m. E. nicht.

Ich hatte ehrlich gesagt nicht so sehr darauf geachtet, was sich hinter der Sperrigkeit verbirgt.

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Beitragvon Werner » 13.01.2015, 21:54

ich bleibe mal bei meinem ausgangskommentar, die antworten und erklärungsversuche haben mich noch nicht überzeugt. sprachlich funktioniert der titel für mich nicht und bleibt ein schwachpunkt gleich zum einstieg. eigentlich schade.

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Beitragvon ZaunköniG » 13.01.2015, 22:45

korrekt wäre

Ich bin DEN Herbst los. Wen du das meinst hast du den Genitiv falsch angewendet.
Oder ich bin des Herbstes X los, wobei X nun wieder ein Platzhalter für irgendein Subjektiv wäre oder eine Person oder Zustand...
Und bevor jetzt noch der Einwand kommt, da gäbe es eine Person, nämlich das Ich aus der Ellipse:

dann hieße es

Mein ist der Herbst
oder
ich bin des Herbstes.

Ups, das klingt ja ganz ähnlich, leider meint es etwas ganz anderes, nämlich dass ich dem Herbst angehöre. Das kann man einfach verneinen
Ich bin nicht des Herbstes
oder
Ich bin keines Herbstes
aber das "los" passt dann nicht in diese Konstruktion

und ja ich Muttersprachler


Und wenn wir gerade bei Ellipsen sind:
Du hast gerade auf einen wichtigen Aspekt hingewiesen:

Die Verständlichkeit.

Wenn ich die anderen Kommentare lese bin ich wohl nicht der einzige Muttersprachler dem dieser Titel kryptisch oder sperrig vorkommt, aber vielleicht ist er auch nur originell, wir sind ja hier unter Künstlern.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

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Beitragvon Pjotr » 14.01.2015, 01:20

ZaunköniG hat geschrieben:korrekt wäre

Ich bin DEN Herbst los.
Der Herbst als Einzelheit erzeugt aber eine andere Stimmung. Im Titel steht Allen, nicht Des. Durch Allen klingt das für mich eher wie eine Abstrahierung in so etwas wie Herbstheit oder so ähnlich, wie etwas größeres, wie ein Zustand, nicht wie ein einfacher Jahreszeitenkitschbegriff. Allen Herbstes -- los. Ein allumfassender, gefühlsbeladener Zustand entzieht sich dem Ich. Nicht umgekehrt. Das muss man erstmal beschreiben können, ist wohl nicht einfach. Ich glaube, dazu ist neben Wortschatzsuche auch grammatische Kreativität notwendig, und das textliche Ergebnis mag bei manchen komplizierten Beschreibungsversuchen entsprechend "sperrig" aussehen. Was solls. Ich würde auch nicht in eine Galerie gehen und sagen: "Au, dieses Bild sieht aber sperrig aus." Ich würde vor dem Bild verweilen, und denken. Nicht so bei "Herbst los", das ist schon arg platt. Da würde ich weitergehen.

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Beitragvon nera » 14.01.2015, 01:56

vielleicht liegt es daran, dass dieser titel so mächtig daher kommt, aber der anschließende text das versprochene nicht hält?
es/er wirkt zu "gewöhnlich" für diesen waghalsig konstruierten titel. mit wirkt meine ich wirken auch im sinn von wirkteppich.
noch dazu kommt der nicht nachvollziehbare zeilensprung im ersten vers.
dieser text käme wahrhaftiger daher, wenn er auf diesen titel verzichten würde und sich auch innerhalb der verse nicht so sehr auf "lyrische kunstgriffe" verlassen würde.


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