Tote Rinde

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Kurt
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Beitragvon Kurt » 30.01.2016, 22:02

Im Kaminholz fand
ich unsere Initialen geritzt
von Maria und mir

die Sehnsucht nach ihr war
stehengeblieben im Laufe der Zeit
wie das Pendel einer Uhr

es tickte unterschwellig fort

heute hörte ich von einer
glücklichen Heirat

in auflodernder Buche
erhängte sich mein Traum
Zuletzt geändert von Kurt am 03.02.2016, 13:33, insgesamt 5-mal geändert.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

Kurt
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Beitragvon Kurt » 03.02.2016, 13:38

Naja, Lisa, ich hab es geändert. So ist es wohl richtiger, aber auch prosaischer.

LG Kurt
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.02.2016, 09:16

Lieber Kurt,

gefällt es dir denn jetzt besser? Und war es anfangs so gemeint? Für mich ist es jetzt was ganz anderes.

Liebe Grüße
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 04.02.2016, 11:50

Ja, du hast ja vorgeschlagen, es bei der ersten Strophe zu belassen oder in der letzten Zeile das „erhängt“ zu streichen. Gut, dann ergäben sich keine Ungereimtheiten und es wäre okay. Nun hätte ich aber gerne das Bild des in der Buche erhängten Traums mit verarbeitet bzw. indirekt darauf gedeutet. Erhängen ist aber ein aktiver Akt; die Sehnsucht, die stehengeblieben ist, passiv, befindet sich quasi im Leerlauf. Um die Sehnsucht/Traum sich aber erhängen zu lassen, bedarf es einer Aktion, und die benötigt hier ein zusätzliches Motiv, wie etwa die Heirat, die den Traum sich erhängen lässt. Denn wie ich es vorher da stehen hatte, las es sich so, als wenn dies Pendelbild analog dem Traumerhängungsbild gegenüber stand. Du sprachst von gepusht. Egal, als Analogie gelesen funktioniert es nicht. Und nur weil die Sehnsucht stehengeblieben ist, man sich dessen bewusst geworden ist, durch das gefundene markierte Kaminholz, würde man doch den Traum nicht erhängen.

Das Beste in unserem Falle hier ist wohl, die Sache erst mal ruhen zu lassen, und später mit freiem Geist erscheint meistens alles einfach zu bewältigen.

Aber wenn du einen Vorschlag machen kannst, wie es einfach und schön zu lösen wäre, nur her damit.

LG Kurt
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Beitragvon Lisa » 04.02.2016, 12:06

Lieber Kurt,

nein, ich will keine Vorschläge mehr machen :-)

Ich finde nur, dass da jetzt ein ganz anderer Text steht als vorher und ich konnte nicht mehr nachvollziehen, ob das von dir kommt. ich wollte nur meine Gedanken äußern und jetzt fühlt es sich so an, als ob du deshalb alles umgeschmissen hast - oder nicht? Wie gefällt es dir denn? So wie jetzt oder eher wie vorher? (Ruhen lassen natürlich ok)

Liebe Grüße
Lisa
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 04.02.2016, 13:47

Nein, Lisa, bevor du dich gemeldet hast, hatte ich schon Bedenken, es so zu belassen. Ob es mir jetzt gefällt, beurteilt sich ja danach, was kann ich aus diesem Stoff mit der mir gesetzten Umsetzung der Bilder machen. Es wird kein Gedicht entstehen, das etwas Philosophisches im Leser anrührt. Gefühle könnte es aber anregen. Ja, vielleicht tut es das aufgrund der Bilder vom Pendel und Erhängen, Kaminholz. Kann nun aber sein, dass für den Leser zu wenig zu tun bleibt, bei dieser nun eher prosaischen Darstellung. Ich kann gar nicht sagen, ob es mir gefällt.

LG Kurt
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Beitragvon Quoth » 04.02.2016, 18:24

Kurt hat geschrieben: Es wird kein Gedicht entstehen, das etwas Philosophisches im Leser anrührt.

Bei mir hat es etwas Philosophisches angerührt. Jetzt beschreibt das Gedicht nämlich einen biografischen Punkt, der demjenigen vergleichbar ist, der bei Sören Kierkegaard einen Kreativitätsschub auslöste: Er hatte die Verlobung mit Regine Olsen gelöst und musste zwei Jahre später erfahren, dass sie sich mit einem Anwalt vermählt hatte. Das war für ihn ein schwerer Schlag, da er angenommen hatte, Regine würde ebenso wenig wie er selbst noch einmal eine Beziehung eingehen. "Entweder - Oder", "Furcht und Zittern", "Der Begriff Angst" entstanden und stellten die Philosophie auf eine neue Grundlage.
"Ins Kaminholz fand ich unsere Initialen geritzt" fände ich besser - oder einen kleinen Umweg: "Im Kaminholz fand ich ein Scheit, in seine Rinde geritzt unsere Initialen". Umbrüche sind Sache des Dichters!
Gruß
Quoth
Zuletzt geändert von Quoth am 05.02.2016, 17:05, insgesamt 1-mal geändert.
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 04.02.2016, 19:29

Quoth, nett, dass du uns an der „Anekdote“ teilhaben lässt, die das Gedicht (biografischer Vorgang) dir in Erinnerung gebracht hat.

INS Kaminholz hatte ich auch schon für mich erwogen, klingt aber nach meinem Sprachgefühl so, als wären die Initialen von vornherein in das Kaminholz geritzt worden; und der Umweg über den Scheit wäre mir zu lang. Aber Danke.

LG Kurt
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Beitragvon Lisa » 05.02.2016, 15:42

Lieber Kurt,


deine Antwort gefällt mir :-)

Ich wollte eigentlich "ins" geschrieben haben (!!), denn das ist natürlich nur richtig, so wie der "Satz" jetzt da steht. "Im" passt nur auf den Anfang. Mit einem Umbruch könnte man ggf. auch das "im" rechtfertigen:

Im Kaminholz fand
ich unsere Initialen
geritzt von Maria und mir


, aber ich mag deinen Umbruch gerade - so wäre daneben.

Liebe Grüße
Lisa
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