Ebbe abends

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 07.11.2006, 11:47

Erstfassung

Ebbe abends

Das Meer ebbt langsam ab und immer leiser
klingt wie von fern der dumpfe Wellenschlag.
Und wie der Ozean senkt sich der Tag;
nur Möwen in den Marschen schrei'n sich heiser.

So dunkel neigt sich auch in mich die Nacht.
Der Sterne funkeln in der Ferne viele,
doch was mir greifbar ist: die seichten Priele
sind nur aus Sediment und Schlick gemacht.

Und Ihr, die ihr die Küste überflogt!
Schreit laut hinaus, was sich euch angestaut!
Der Ozean am Horizont verblutet

und flach der sieche Meeresbusen wogt,
bis er sich neuer Sehnsucht anvertraut
und sich im Sog des Mondes wieder flutet.



aktuelle Fassung:

Ebbe abends

Das Meer ebbt langsam ab und immer leiser
klingt wie von Ferne dumpfer Wellenschlag.
Und gleich dem Ozean senkt sich der Tag;
nur Möwen in den Marschen schreien heiser.

So dunkel neigt sich auch in mich die Nacht.
Der Sterne funkeln in der Ferne viele,
nur was mir greifbar ist: die seichten Priele
sind bloß aus Sediment und Schlick gemacht.

Doch Ihr, die hoch die Küste überflogt!
Schreit laut hinaus, was in euch angestaut!
Der Ozean am Horizont verblutet

und flach der sieche Meeresbusen wogt,
bis er sich neuer Sehnsucht anvertraut,
die ihn im Sog des Mondes wieder flutet.
Zuletzt geändert von ZaunköniG am 14.11.2006, 22:40, insgesamt 3-mal geändert.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Sabine

Beitragvon Sabine » 13.11.2006, 17:12

Hallo Zaunkönig,

klasse ist das, dein Gedicht. So etwas bekommt man nicht jeden Tag zu lesen.

LG Sabine *Beifall klatscht*

Klara
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Beitragvon Klara » 13.11.2006, 18:49

Hallo,
gut gemacht!

Nur eine Sache (hab keine Kommentare gelesen):
"doch" im 7. Vers und "doch" im 9. Vers doppeln sich unschön.

Und eine Frage: kann ein "siecher" Busen "wogen"??

LG
Klara

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 13.11.2006, 19:05

Lieber Theodor Zaunkönig,

ach Unsinn! Aber das hat schon was. Eine Mischung aus ein wenig Storm und einem zaunköniglichen Sonett. Aber eine Anmerkung habe ich doch. Sicher ist die Stelle "So dunkel neigt sich auch in mich die Nacht" gewollt, aber... Es klingt scheußlich. Wie wäre es mit: "So dunkel neigt sich auch in mir die Nacht"? In unserer Sprache fordern bestimmte Präpositionen schließlich auch bestimmte Fälle, oder?

Grüße

Paul Ost

Gast

Beitragvon Gast » 13.11.2006, 19:09

Hallo Zaunkönig,

ich habe dein Sonett gerade auch "Unter der Fuchtel", mir fiel auf, nachdem ich mich dies Mal sehr eingehend mit deinem Text beschäftigt habe, dass bereits in der ersten Strophe 2 x das Wörtchen "wie" vorkommt und dass du außerdem in zeile 2 "fern" und in Zeile 6 "Ferne" benutzt hast.
Es tut mir sehr leid, dass ich jetzt erst dazu gekommen bin, wirklich punktgenau zu schauen.
Klara hat auch das "doch" doppelt vorgefunden,
Ich glaube, dass eine nochmalige überarbeitung notwendig ist.
Denn Wortwiederholungen sollte man nach Kräften vermeiden.
da ich aber ein schlectes Gewissen habe, weil ich jetzt erst damit herausrücke möchte ich gern Vorschläge machen, wie du diese Wiederholungen in deinem Text vielleicht umgehn kannst.
Ach der "Ozean" ist auch doppelt vorhanden.

Ich bin dabei und komme bald drauf zurück.

Liebe Grüße
gerda

Gast

Beitragvon Gast » 13.11.2006, 19:46

Lieber zaunkönig, wie angeküpndigt, hier die Vorschläge:
XXX = gestrichen und ausgetauscht
kursiv umgestellt, ergänzt


ZaunköniG hat geschrieben:Ebbe abends

Das Meer ebbt langsam ab und immer leiser
klingt wie fast von Ferne dumpf der Wellenschlag.
Und wie der Ozean senkt sich der Tag;
nur Möwen in den Marschen schreien heiser.

So dunkel neigt sich auch in mich die Nacht.
Der Sterne Funkeln weit, der Lichtjahr viele in der Ferne ,
doch was mir greifbar ist: allein zum Greifen nah: die seichten Priele
sind nur aus Sediment und Schlick gemacht.

Doch Ihr, die ihr die Küste überflogt!
Schreit laut hinaus, was in euch angestaut!
Der Ozean Die See am Horizont zerläuft, verblutet

und flach der sieche Meeresbusen wogt,
bis er sichneuer Sehnsucht er sich anvertraut
im Sog des Mondes wiederkehrend flutet.


Ich habe versucht alle Wortwiederholungen zu umschiffen, ich denke, dass die Aussage des Gedichts erhalten geblieben ist.
Ganz zum Schluss fiel mir halt auch in der letzten Strophe noch das doppelte "sich" auf...
Es geht auch ohne die Wiederholungen denke ich,
hoffe aber, dir nicht auf die Füße getreten zu haben.

Liebe Grüße
Gerda

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 13.11.2006, 21:07

Lieber Zaunkönig!

Laß es sitzen.
Wenn es gereift ist, fliegt es von fast allein weiter und deine Worte werden es runden.

Ich stelle es vor mich und werde sehen......


Moshe

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 14.11.2006, 12:44

Ach, so viele Wünsche auf einmal,
wo soll ich nur anfangen, und wie soll ich das Gurke erklären?

Ich fange mal mit Gerdas Anmerkungen an, da sie am umfangreichsten sind:

Das Layout der Treads, wenn es über die erste Seite hinausgeht, hat mich auch schon mehrfach verwirrt, da erleichtert es mich fast, daß es einer Moderatorin genauso geht ;-)
Für das doppelte "wie" im ersten Quartett, sowie die beiden "doch" und die "sich" habe ich bereits einfache Lösungen gefunden, siehe erste Seite dieses Treads ganz unten.
"Der Sterne funkeln in der Sterne viele" ist schon ein recht konstruierter Satz, und für mich die Schwachstelle überhaupt im gasnzen Text. Mit dem "Lichtjahr" einen astronomischen Fachbegriff einzuführen stört nach meinem Empfinden aber das ursprüngliche Naturerlebnis.
Z8: Ich habe so meine Skepsis gegenüber synonymen, da sie eben nicht genau das gleiche bedeuten. Durch solche Aufzählung "zerläuft, verblutet" verwischen die Begriffe ins Beliebige.
Nichts desto trotz ehrt es mich, wenn mein Text Anlaß zu längerer Betrachtung und Auseinandersetzung Anlaß gibt. Vielen dank also für deine Mühe!


Lieber Paul:
Sicher ist die Stelle "So dunkel neigt sich auch in mich die Nacht" gewollt, aber... Es klingt scheußlich. Wie wäre es mit: "So dunkel neigt sich auch in mir die Nacht"? In unserer Sprache fordern bestimmte Präpositionen schließlich auch bestimmte Fälle, oder?


Deine Version würde nahelegen, daß die Nacht in mir zur Neige geht, sich also auflöst. Gemeint ist aber das Gegenteil: Die Nacht senkt sich in mich hinein bis sie mich ganz ausfüllt!

Klara: "Wogen" wird in der Regel für hohe Wellen benutzt, das stimmt, aber ich meine das Heben und Senken ganz prinzipiell. Der Brustkorb hebt und senkt sich auch bei flacherer Athmung, nur eben nicht so stark, analog dazu fehlen dem (siechen=schwindsüchtigen) Meer bei Ebbe die hohen Wogen, was bleibt ist ein leichtes Wellenkräuseln in verbliebenen Tümpeln und Prielen.


Lieber Moshe,

Mein eigenes Gefühl entspricht etwa den Reaktionen hier. Dies Sonett ist nicht perfekt, aber durchaus gelungen. Kann ein Gedicht jemals perfekt sein? Gerade diese letzten Verbesserungsvorschläge erinnern mich an ein bekanntes Bild; Die Sprache ist hier wohl eine Decke die, egal in welche Richtung man sie zerrt, immer zu kurz bleibt. Ich denke du hast recht; wenn es an dem Text noch etwas zu verbessern gibt, hilft es wohl am ehesten, wenn ich selbst erstmal etwas Abstand gewinne. Nach einiger Zeit, wenn mir der Text, die Betonung, die Satzstellung nicht mehr so präsent ist, sehe ich mache Unebenheiten vielleicht auch selbst etwas schärfer.

Ich danke Euch allen für die Teilhabe an meinem Gedicht.
Herzlich: ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Gast

Beitragvon Gast » 14.11.2006, 12:55

Lieber Zaunkönig,

sorry, aber wieso stand dann gestern noch die "alte" Version im Seitenkopf?
Ich habe jetzt gerade zum ersten Mal die neue gesehen. Diese stand gestern nicht da, sonst hätte ich wohl kaum mit diesem Zitat arbeiten können.
Schade, dass du nicht im Einzelnen auf die Wortwiedeholungen eingehst.
Klaras ASnmerkung zum 2 maligen "doch" bleibt ganz Außen vor. Das, obwohl es sich auch noch um ein "Füllwort" handelt.

Nun ja, ich kann aber verstehen, dass du selbst jetzt Abstand gewinnen möchtest.

Du kannst sicher mit Gurke absprechen, dass du später in der Anthologie noch etwas am Text ändern darfst. ;-), wenn du dich noch für Änderungen entscheidest.

Was ich vermisse, ist die erste Version des Gedichts, damit ich die Änderungen verfolgen kann.
Es wäre schön, entweder, die erste einzustellen, aber die Änderungen kenntlich zu machen.

Danke schon Mal.

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 14.11.2006, 22:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon ZaunköniG » 14.11.2006, 22:15

Liebe Gerda,

Im Seitenkopf jeder Seite steht der Anfangsartikel, nicht der letzte Beitrag der Vorseite. Auf das zweimalige doch in Z7+9 bin ich bei Klara nicht weiter eingegangen da, ich den Hinweis an dich auf die neue Version für ausreichen fand.

nur was mir greifbar ist: die seichten Priele
sind blos aus Sediment und Schlick gemacht.

Doch Ihr, die hoch die Küste überflogt!



Ich bin aber deiner Anregung gefolgt und habe Urfassung, soweit ich sie nach meinen Notizen rekonstruieren konnte, und aktuelle Version nebeneinandergestellt. Es ist doch übersichtlicher mit der aktuellen Version im Seitenkopf.

LG: ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Gast

Beitragvon Gast » 14.11.2006, 22:34

ZaunköniG hat geschrieben:
Im Seitenköpf jeder Seite steht der Anfangsartikel, nicht der letzte Beitrag der Vorseite.

Ja, lieber Zaunkönig, das ist mir bekannt, ist ja auch nicht neu. ;-)
Aber eben just an jener Stelle, stand eben vorgestern noch deine 1. Version, also nicht die zu dem Zeitpunkt neueste, in der sich halt schon einige meiner Anmerkungen erledigt hatten.
Ich schaue, wie sicher viele User immer auf den Kopf der Seite, wo neben dem ersten Posting auch die berichtigten stehen sollten.
Jetzt hast du es ja untereinander stehen, so ist es übersichtlich für die Leser.
Vielen Dank.
Vielleicht machst du aus dem blos noch ein bloß


Liebe Abendgrüße
Gerda


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