Genug zum Glück

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Max

Beitragvon Max » 18.11.2006, 15:29

Genug zum Glück


Aufs Neue
zähle ich die Sommersprossen
in deinem Gesicht

Eine Herde wilder Lämmer*
die über deine Nase tollt
übermütig bis auf die Hügel
deiner Wangen versprengt

Kein Hund
könnte sie bändigen
kein Schäfer
sie hüten

Zum Glück
kennen sie das Gelände
zum Glück
geht keines von ihnen verloren

Und jeder Frühlingssonnenstrahl
gebiert ein Junges


*geändert auf Arams Vorschlag: zuerst: eine wilde Herde junger Lämmer
Zuletzt geändert von Max am 18.11.2006, 17:48, insgesamt 2-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 19.11.2006, 21:39

hallo max + iris

spannend wieder mal, welche 'abgründe' sich an einem text auftun können

die ablehnung das kindlichen kann ich nicht nachvollziehen - schließlich besteht ein großer unterschied zwischen kindlich und kindisch; hingebende liebe zwischen partnern ohne kindliches element wäre eine traurige, wenn nicht unmögliche sache.

das mehrfache "zum glück" - ist für mich wesentliches, zentrales stilmittel in diesem text - nicht nur als entsprechung und antwort auf die dopplung in der vorhergehenden strophe, sondern im erweiterten sinn des ausdrucks, der sich im spannungsbezug zum dritten "zum glück" im titel des textes einstellt.

gerade dieses stilmittel transportiert das bemerkenswerte - dass einem geliebten menschen gegenüber beglückung, sorge und fürsorge verschmelzen, einander gegenseitig bedingen, und letztlich nicht mehr unterscheidbar sind.

ich finde es klasse, wie dieser text über die kleine phrase "zum glück" diesen bedeutungsraum aufspürt und wie er ihn illustriert.

soweit meine lesart - abendgrüße
aram


p.s. als nicht ganz 'glücklich' empfinde ich nur den ausdruck "gebiert" - eigentlich müsste es heißen "zeugt" - ist ja schon ein kleiner unterschied .-) - aber das klingt wohl nicht, oder doch?
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Max

Beitragvon Max » 20.11.2006, 13:18

Lieber Aram,

das hast Du besser gesagt als ich es könnte - danke!

Was den Ausruck "gebiert" angeht, so fiel er mir beim Schreiben gar nicht auf, wohl aber beim Einstellen und ich dachte auch: eigentlich muss es "zeugen" heißen. Rgythmisch habe ich eigentlich nichts dagegen, vielleicht hören wir noch die Meinung anderer?

Liebe Grüße
Max

Trixie

Beitragvon Trixie » 20.11.2006, 13:30

Oh, Max!!

Das entdecke ich mal wieder sehr spät. Zum Glück (hihi) nicht zu spät! Es ist wundervoll. Da lese ich ganz Max-Style heraus! Es erinnert mich sehr an deinen Wunsch, der mir ja auch sehr am Herzen liegt, und auch dieses hier geht mir mit seiner vermeintlichen Leichtigkeit unter die Haut.

Ich habe nichts gebiert einzuwenden. Ich weiß auch nicht, es hört sich irgendwie weicher an als zeugt. Aber wenn du es verwenden würdest, täte das dem wundervoll zarten hingebungsvollen und meiner Meinung nach überhaupt nicht kindlichen Gedicht keinen Abbruch :-)!

Ich finde es deshalb nicht kindlich oder kindisch, weil ein Junge so etwas überhaupt nicht bemerken würde. Vielleicht mal kurz nebenbei: 'Ach, du hast aber süße Sommersprossen', aber grundsätzlich - nein. Ich habe da noch nie solche Ausführungen gehört und ich habe/hatte auch genug Sommersprossen, die nicht zu übersehen waren, und kann aus meiner eigenen Erfahrung nicht sagen, dass Kinder oder Jungen oder junge Männer mich jemals in dieser ausführlichen beobachtenden Nachdenklichkeit darauf aufmerksam gemacht hätten. Auch nicht, wenn ich sie darum gebeten habe.

Liest du das für die HörBar? Das würde ich mir wünschen!

Ach, ein wirklich schönes Gedicht. :blumen: dafür!

Liebe Grüße
Trixie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.11.2006, 14:43

Hi Max,

also, tollpatschig finde ich es überhaupt nicht, aber kindlich (nicht kindisch!), im Sinne von verspielt, und gerade deshalb mag ich es.
Gegen "zeugt" spricht nichts. Das "gebiert" bricht in der Tat aus der Sprache aus. Aber, ich würde, um in dieser Sprache zu bleiben, statt "gebiert" oder "zeugt" schreiben:

Und jeder Frühlingssonnenstrahl
malt ein Junges hinzu

Saludos
Magic

Birute

Beitragvon Birute » 21.11.2006, 07:57

Hallo Max,

ich finde es wunderbar!
Auch das gebiert stört mich nicht. Ich mag es.
"schenkt dir ein Junges" vielleicht?
Mich würden eher die zwei "über" direkt aufeinander stören. *denk*

Eine Herde wilder Lämmer*
die übermütig tollt
von deiner Nasenspitze bis
auf die Hügel
deiner Wangen versprengt


Nur so als Gedanke.


Lieben Gruß
Birute

Max

Beitragvon Max » 21.11.2006, 09:09

Liebe Trixie,

danke für dieses schöne Lob. Gern lese ich es für die Hörbar - vielleicht am WE, die nächsten drei Tag bin ich in Groningen.

Liebe Birute, liebe Magic

ja bei dem Gebären ist es gar nicht so einfach, ich werde Eure Worte nochmal in meinem Herzen bewegn, mal schaun, was so kommt. Birute, das doppelte "über" war mir ehrlich gar nicht aufgefallen. Ich werde es mal laut lesen, dann werden wir sehen.

Liebe Grüße
max

Cara

Beitragvon Cara » 05.12.2006, 11:03

Lieber Max,

dieses Gedicht ist wirklich sehr schön, es gefällt mir in seiner Leichtigkeit außerordentlich.
Ist dir eigentlich.....das will ich über die bisherigen Kommentare / Bemerkungen hinaus noch hinzufügen.....selber bewusst gewesen, dass du hier eine ganze Menge Sommersprossen fabriziert hast.
Es sind Unmengen von Umlauten da (Glück, zähle, Lämmer, über, übermütig, bändigen, Schäfer, hüten, Gelände, Frühling). Es wimmelt nur so von Sommersprossen (in alliterativer Weise). Sehr gelungen ist das, auch wenn es vielleicht (?) nicht "absichtlich" war. Und: auf jeden Fall "genug zum" Glücklichsein.

LG
Cara

Iris

Beitragvon Iris » 05.12.2006, 17:47

Liebe Cara,
ich wollte mich eigentlich nicht nochmal zu Wort melden bei diesem Gedicht, doch wenn keines verloren geht und jeder Sonnenstrahl ein neues gebiert, sinds hoffentlich nicht bald mehr als genug oder die Sonne darf nicht scheinen, sonst gibts ne Übervölkerung ... ;), deshalb geht dieses ansonsten wirklich liebevolle und schöne Gedicht für mich inhaltlich nicht ganz gut.

LG Iris


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