Bezugnehmend auf Deinen Brief

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 05.10.2010, 08:43

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Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.10.2010, 11:25

Hallo, Xanthippe,
wollte Dir nur kurz mitteilen, dass ich gut damit leben kann, wenn Du nicht im Einzelnen sagst, was eine Kritik bei Dir bewirkt, oder womöglich umgehend zur Änderung schreitest. Das können manche, andere funktionieren anders, und das kann ich dann sehr gut respektieren.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 13.10.2010, 12:26

Liebe Xanthippe und alle, die hier zur Debatte und zur Textarbeit beigetragen haben

Wieder versuche ich Fuß zu fassen in einer Diskussion, in der alle etwas Interessantes beigetragen haben. Am meisten hat mich der Begriff der "Undichte" fasziniert: Das Gedicht nicht nur als Verdichtung sondern als Abdichtung, als im abgedichteten Gefäß befindlich. Diese Undichte - möglicherweise von Dir, Niko, nicht so intendiert, das hat mich sofort angesprochen als eine der um Dichtung kreisende Problematik. Das Dichte am Gedicht wäre dann nicht nur das Verdichtete sondern auch das Abgedichtete. Die Dichtung als Verschluss, als letzter Ort, als Konserve.

Quoth spricht von der Befindlichkeitslyrik unter und für Frauen ...

Andere von fehlender Distanz, von der Frage des Intimen ... Le déballage sagen die Franzosen, das Herausquillen des Verpackten ...

Ich will mal versuchen, mich dem Gedicht zu nähern, ohne mich an die bereits existierenden Kommentare anzuhängen.


Zur ersten Strophe:
Bezugnehmend auf Deinen Brief
in dem alles steht was du mir niemals sagen wolltest
gebe ich dieses Missverhältnis zu
das besteht und weiterbestehen bleibt
im Gegensatz zu unserer Blauäugigkeit


Da ist ein Brief, der sagt, was niemals gesagt werden wollte - und jetzt eben doch - und auf den nichts weiter folgen kann, als eine "Bestätigung des Schreibens" Diesen kommerziellen Sprachstil herein zu bringen, das Geschäftliche, das Abgemachte, das hat mir sehr gut gefallen.

Diesem Stil gegenüber das "Blauäugige" zu setzen, passt sehr gut. Ich weiß nicht, wie absichtlich das nun von dir eingesetzt wurde, aber ich finde diese Distanzierung durch Verwendung dieser Geschäftssprache überzeugend. Ich stelle mir so einen Geschäftsbrief etwa so vor: Das am XXXX angekündigte Missverhältnis ... Wir werden entsprechende Schritte einleiten, allerdings hat dies einen Abbruch unserer Blauäugigkeit zur Folge, wie ja in Ihrem Schreiben vom XXX bereits angekündigt.


dann würde ich so weitermachen ... (ich habe die indirekte Rede eingeführt, oje ... ) "en filant la métaphore" (Die Metapher (kontraktuelle Welt, Geschäftsbeziehungen)


Du schreibst jede Art des Umgangs mit mir
gleiche einem Tanz auf mitgelieferten Scherben
und für Deine drolligen verletzlichen Füßchen
habest Du nichts als Packpapier.

um die Geschäftsbrieftonalität weiter zu führen ..., dann allerdings ( ich würde dann eine Zeile streichen) kommt die Kernaussage vom Glauben, der Sünde und dem Bekenntnis. Daran gefällt mir, dass das Unerverständnis ... und damit das Missverhältnis auf unterschiedlichen Anschauungen aufbaut, ... nicht so schlecht als Gehalt einer "Dichtung" - hier an dieser Stelle doch sehr dicht, oder?

Du wirfst mir vor an nichts zu glauben
und trotzdem das Wort zu führen
Die Sünden und ihr Bekenntnis
das ist was du nicht verstehst



Zur folgenden Strophe- die schon eine logische Folge darstellt ... an der ich jetzt nicht weiter herumdoktern möchte, nur dies. Der Bogen von dem "Bezugnehmend auf ihr schreiben vom" ... etc zum Bekenntnis, den finde ich gelungen. würde das dann noch in einer Vokabel festmachen.

vielleicht mache ich doch einen Vorschlag-

statt zu schreiben (wie du)
und ich sage Dir Das ist dieses Missverhältnis
dass es diese Art von Bekenntnissen gibt
die man macht
ohne sie jemals zu verstehen


vielleicht so:

und ich sage Dir
Das so entstandene Missverhältnis
(siehe Anlage)
veranlasst Bekenntnisse
deren Sachbearbeitung nicht lohnt.

Hoffentlich hab ich jetzt nicht übergriffig gehandelt. Ich will hier mal Schluss machen, denn es sollte nur die in deinem Gedicht steckende sprachliche Originalität hervor vgehoben werden.

Ich glaube, dass häufig in der Kritik genau der Hinweis steckt, den man braucht, um in die eigene Richtung weiter gehen zu können. Mir schien dieses "Bezugnehmend" das Wort, das mich am meisten inspiriert hat ...


liebe Grüße
Renée
PS --- die letzte Strophe finde ich poetisch im herkömmlichen Sinn, und das liegt -mir- weniger. Aber auch hier würde ein distanzierter Bezug auf "die Firma" vielleicht etwas unterkühlung bringen. Ja, die Zeile "Ich bin ein Zitat meines Spiegelbildes" ist besonders schön und gelungen.

Ich bin ein Zitat meines Spiegelbildes
Niemand (am wenigsten ich)
hat jemals versucht mich zu sehen
Das ist der Grund warum ich
Unmengen von Scherben hinterlasse
mit dem Papier auf das ich die Buchstaben setze
damit sie tanzen
Nicht damit sie verstehen[/hidden][/quote]

Klara
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Beitragvon Klara » 13.10.2010, 14:15

wollte Dir nur kurz mitteilen, dass ich gut damit leben kann, wenn Du nicht im Einzelnen sagst, was eine Kritik bei Dir bewirkt, oder womöglich umgehend zur Änderung schreitest. Das können manche, andere funktionieren anders, und das kann ich dann sehr gut respektieren.

dem schließe ich mich gerne an :)
kann auch verstehen, dass Nachfragen kommen oder Irritationen entstehen - und dafür haben wir ja hier alle Finger, Schreibtasten (statt Münder), Herzfasern und Kommunikationsfähigkeiten, um darüber - zu sprechen. Über Erwartungen, Enttäuschungen und all das, was beim Besprechen oder bei Meinungsäußern zu Texten eben auch immer mitkommt. Gelingt gut hier, finde ich! Diese vielschichtige Kommunikation, meine ich.
Und dass ein Text Neugier auslöst - spricht ja erstmal für die Autorin wie den Text, hm?
herzlich
klara

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 13.10.2010, 18:28

Liebe Xanthippe,

Flora hat ja nun viel geduldiger und differenzierter ausgedrückt, was hier bei einigen von uns ein wenig zu Irritationen geführt hat und ich glaube, du verstehst das jetzt besser. Ich finde, dass du und deine Texte hier eine Bereicherung darstellen und daher habe ich ein bisschen gemault, als kein richtiger Dialog zustande kam. Ich freu mich, wenn wir hier noch oft gute Diskussionen mit dir haben und ich bin sicher, dass wir eine Wellenlänge finden! :)

Was mich total verblüfft hat, ist diese Aussage von dir:

dass dieser text vielleicht mein unpersönlichster text überhaupt ist.


Ich hatte gedacht (und sicher haben andere das auch so empfunden), dass dieser Text sogar sehr privat ist und du vielleicht deshalb dazu nichts mehr preisgibst. Ich selbst experimentiere ja gern mit verschiedenen Texterzeugungsverfahren, ich nehme manchmal auch Versatzstücke und Assoziationen, baue auch mal Texte ohne jede Intention. Immer spannend, was die Leser dann hineindenken. Wenn das bei diesem Text hier auch so war, finde ich das doch sehr mitteilenswert, also im Sinne von "mit uns teilen", denn das wirft ein interessantes Licht darauf, warum welcher Text wie wirkt und wie man die Sprache als Medium einsetzen kann.

Liebe Grüße
fenestra

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 13.10.2010, 18:28

wieder einmal ist es renée, die mir sehr zu einem besseren verständnis, oder besser gesagt zu einem ansatzpunkt für eine verteidigung oder auseinandersetzung mit meinem "gedicht" verhilft, dein kommentar renée, hilft mir auch einige der vorangegangen kommentare besser einzuordnen (für mich). also fange ich damit an:

du sprichst das Undichte bzw. Dichte an. Als Verdichtetes eben auch in dem Sinne, dass es den Zugang in gewisser Weise versperrt. Ich finde das ganz besonders spannend, weil ich ja selbst im Verlauf der Diskussion hier dahingehend argumentiert habe, dass ich mein Gedicht nicht erläutern will, weil ich das Gefühl hätte, es durch diese Interpretation zu schliessen und habe darüber vollkommen übersehen, wie das Thema Verdichtung als Schliessung bereits in der Diskussion war, durch Niko z.B., dessen Kommentar ich jetzt so lesen kann, dass er sich ausgeschlossen fühlt, als Leser, von einem intimen Gespräch, daher das Gefühl des Voyeurismus. Ja, ich kann das nachvollziehen, allerdings ohne eine Lösung zu wissen, vielmehr im Wissen darum, dass es die hier nicht gibt, entweder der Leser ist bereit, sich auf diesen (möglicherweise intimen) Dialog einzulassen, oder aber er bleibt außen vor, peinlich berührt. Das liegt in der Natur dieses Gedichtes und spricht dafür, dass es funktioniert. Ich habe tatsächlich ein wenig damit herumprobiert etwas daraus zu machen, das auf Anreden verzichtet, das die "Intimität" herausnimmt. Aber das zerstört das Gedicht. Trotzdem finde ich es sehr wissenswert, dass dieser Ausschluss stattfindet, dass dieses Gedicht manche Leser einfach ausschliesst.
Die Befindlichkeitslyrik von und für Frauen, darauf möchte ich später eingehen, Quoth.

Sehr gut, Renée, gefällt mir die Idee, den geschäftlichen Sprachstil durchzuhalten. Ich experimentiere daran herum. Allerdings nicht um dieses Gedicht zu verändern, sondern um eine andere Version dieses Gedichtes zu schreiben.
Du hast Recht, mich hat das sehr gereizt, diesen kommerziellen, sehr distanzierten Sprachstil für ein Gedicht zu verwenden und jetzt nach den Kommentaren und einiger Zeit, die seit dem Schreiben vergangen ist, finde ich, dass dieses Gedicht einen Übergang schafft von einer sehr distanzierten Haltung, die zum ersten Mal mit der Blauäugigkeit aufgebrochen wird, dann weicher und persönlicher wird (bekennender vielleicht) in der zweiten Strophe und schließlich mit einer Erkenntnis des lyrischen Ich endet. Ich mag es, dass der Stil sich von Strophe zu Strophe wandelt, dass er vom rein geschäftsmäßigen ins Lyrische übergeht. Das möchte ich beibehalten, weil es für mich eine Hauptaussage des Gedichtes unterstreicht.

Renée Lomris hat geschrieben:

um die Geschäftsbrieftonalität weiter zu führen ..., dann allerdings ( ich würde dann eine Zeile streichen) kommt die Kernaussage vom Glauben, der Sünde und dem Bekenntnis. Daran gefällt mir, dass das Unerverständnis ... und damit das Missverhältnis auf unterschiedlichen Anschauungen aufbaut, ... nicht so schlecht als Gehalt einer "Dichtung" - hier an dieser Stelle doch sehr dicht, oder?


Interessant finde ich auch, dass für dich hier die Kernaussage liegt, in der Sünde und dem Bekenntnis. Das ist tatsächlich ein sehr offener Satz, um es positiv auszudrücken (Fenestra hat bemängelt, es nicht zu verstehen, und ich werde sicher noch darauf eingehen)
Schön finde ich auch Deine Formulierung, dass das Missverhältnis und Unverständnis auf unterschiedlichen Anschauungen aufbaut, somit kann es sich sowohl um eine Glaubensfrage oder aber auch um eine rein persönliche Beziehungsproblematik handeln. Und das spannendste (ich brauche langsam ein Synonym für dieses Adjektiv) ist, dass ich weder an das eine noch das andere gedacht habe, beim Schreiben, dass aber das Gedicht als dessen Ressonanzkörper dieses Gedicht entstanden ist, beides thematisiert. Ich bin immer wieder beeindruckt vom Unbewussten und seiner Arbeit.

Renée Lomris hat geschrieben:
und ich sage Dir
Das so entstandene Missverhältnis
(siehe Anlage)
veranlasst Bekenntnisse
deren Sachbearbeitung nicht lohnt.


Nein, ich empfinde das überhaupt nicht als übergriffig. Wie gesagt, finde ich die Anregung den Tonfall durchzuhalten äußerst inspirierend, allerdings finde ich schon, dass Bekenntnisse, deren Sachbearbeitung nicht lohnt etwas anderes aussagen als die Behauptung, dass es Bekenntnisse gibt, die man macht, ohne sie zu verstehen. Ich glaube ich habe da eher thematisieren wollen, dass Bekenntnisse eben nicht rational sein müssen, sich also auch gar nicht die Frage stellt, ob ihre Sachbearbeitung lohnt oder nicht.

Renée Lomris hat geschrieben:
Ich glaube, dass häufig in der Kritik genau der Hinweis steckt, den man braucht, um in die eigene Richtung weiter gehen zu können. Mir schien dieses "Bezugnehmend" das Wort, das mich am meisten inspiriert hat ...


ja, das glaube ich auch.
Danke für Deinen gewohnt fundierten und erhellenden Kommentar

Xanthi

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 13.10.2010, 18:43

solange meine jungs beschäftigt sind, mache ich mal weiter hier.
ich muss das einfach zugeben, dass ich immer noch diese tendenz habe, mich der diskussion zu verschliessen, gerade wenn (berechtigte) Verständnisfragen auftauchen. Es ist ja immer eine Balance zwischen Unbewusstem und Handwerklichem, Inspririeren und sich gehen lassen und bewusst wahrnehmen und dieses Gleichgewicht verrutscht mir noch manches Mal.
du hattest geschrieben, dass dir der Vers: "die Sünden und ihr Bekenntnis/das ist was du nicht verstehst" Verständnisschwierigkeiten bereitet. Und wie ich Renée schon geschrieben habe, kann ich das nachvollziehen, weil er wirklich sehr offen (also auf diese Weise verdichtet) ist. Für mich liegt wirklich sehr viel in diesem Satz (an dem Punkt ist er dann natürlich doch persönlich, wie ja überhaupt alles was wir schreiben persönlich ist. irgendwo muss es ja herkommen, wie Thomas Bernard dereinst sagte) Ich weiß nicht, wie gut ich das erläutern kann: ich glaube es geht mir zum einen darum, dass man sich zu seinen Sünden bekennen kann, dass man Fehler als Fehler und Fehlleistungen als Fehlleistungen erkennen kann, ohne deswegen zu bereuen. Nicht das trotzige: ich würde es wieder tun, aber: ich weiß es war ein Fehler, aber es war notwendig. Ist das verständlich?

fenestra hat geschrieben:
Was mich total verblüfft hat, ist diese Aussage von dir:

dass dieser text vielleicht mein unpersönlichster text überhaupt ist.


Ich hatte gedacht (und sicher haben andere das auch so empfunden), dass dieser Text sogar sehr privat ist und du vielleicht deshalb dazu nichts mehr preisgibst. Ich selbst experimentiere ja gern mit verschiedenen Texterzeugungsverfahren, ich nehme manchmal auch Versatzstücke und Assoziationen, baue auch mal Texte ohne jede Intention. Immer spannend, was die Leser dann hineindenken. Wenn das bei diesem Text hier auch so war, finde ich das doch sehr mitteilenswert, also im Sinne von "mit uns teilen", denn das wirft ein interessantes Licht darauf, warum welcher Text wie wirkt und wie man die Sprache als Medium einsetzen kann.


Ja, das habe ich mit Verwunderung festgestellt, das er hier sehr persönlich angekommen ist und ich habe mittlerweile (nicht zuletzt durch die Kommentare) auch verstanden warum das so ist, und wenn ich darüber nachdenke finde ich es gar nicht mehr so verwunderlich, das ist wohl meine Art mit Persönlichem umzugehen, das geht nur unbewusst. Ich habe ein Gedicht gelesen, bzw. gehört und daraufhin ist dieses Gedicht entstanden und damals gab es keinerlei Briefe, nicht einmal diese Art von Mißverständnissen. Und vermutlich gab es sie doch, nur dass ich das bewusst nicht wahrgenommen habe. Also mißtrau mir einfach, wenn ich schreibe, dieses Gedicht ist persönlich und das andere nicht. Ich lüge auf jeden Fall, weil ich vermutlich die Letzte bin, die entscheiden kann, welches Gedicht was über mich verrät.

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 13.10.2010, 18:56

Nun also zu dir, Quoth, und da ich in diesem Faden nun schon mal angefangen habe, sehr ehrlich zu sein, will ich das auch weiterhin tun; ich habe mich ziemlich geärgert über diesen Kommentar. Und lange gar nicht so recht gewusst, wie ich darauf reagieren soll, eigentlich weiß ich es immer noch nicht, aber ich versuche es dennoch.
So vie zu den Schwierigkeiten, denn ich finde, die liegen nicht darin die Missverständnisse des Beziehungslebens in Poesie zu übersetzen, sondern darin einander überhaupt zu verstehen. Eigentlich gibt es die Poesie nur, weil die Menschen einander nicht verstehen können und weil gleichzeitig die Sprache an sich immer mehr versteht, als der einzelne Mensch. Trotzdem hast du strenggenommen Recht, verstehende Buchstaben kann es nicht geben, höchstens welche die sich aneinanderreihen in der Hoffnung verstanden zu werden, was natürlich sehr schade ist für mich und diesen Satz, den ich nun wohl überarbeiten muss.

Quoth hat geschrieben:es ist unheimlich schwer, die Missverständnisse des Beziehungslebens in Poesie zu übersetzen - so schwer, dass ich es nie versuchen würde. Es kommen dann Begriffe herein wie "Bezugnehmend", "Missverhältnis", "Blauäugigkeit", "Scherbenhaufen", "Bekenntnis(se)", noch mal "Missverhältnis" - lauter Begriffe, die eher in die Paartherapie als in ein Gedicht gehören.


Du schreibst, dass die Begriffe, die ich hier benutze eher in die Paartherapie gehören als in ein Gedicht und meien Antwort klingt womöglich hochnäsig, unbelehrbar und selbstgerecht, aber genau das habe ich ja gewollt. Ich habe zwar nicht an Paartherapie gedacht, aber ich wollte schon eine sehr distanzierte Sprache, eine sehr "unpassende" (für ein Gedicht) Ausdrucksweise, die immer mehr aufbrechen sollte, bis am Ende mit der Erkenntnis so etwas wie Lyrik entsteht.
Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn sich einige Leser darauf nicht einlassen können oder wollen, was mich ärgert (geärgert hat, immer wieder ärgert) ist so ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit: So Sätze wie Lyrik braucht ein Bild, oder Ratschläge an das lyrische Ich.

Die Geschlechterproblematik spielt für mich übrigens (von der Absicht her jedenfalls) gar keine Rolle. Es kann hier in diesem Brief ebenso um die schriftliche Auseinandersetzung von zwei Frauen oder zwei Männern gehen. Ich weiß nicht genau, woran du die weibliche Larmoryanz festmachst.

Danke für Deine Geduld
Xanthi

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Beitragvon Xanthippe » 13.10.2010, 19:02

Hallo Max,

ich glaube das meiste habe ich in den vorhergehenden Antworten auf die Kommentare bereits gesagt. Also die Verteidigung des Unlyrischen und auch der fehlende Abstand. Ich glaube das ist es tatsächlich, was die Gemüter trennt, dieser Abstand, ob man sich darauf einlassen will, wenn er fehlt, oder nicht.
Du hast ja Recht mit allem was du schreibst, monologisch, die Bilder nur hingeworfen. Eine Struktur allerdings hatte ich geglaubt zu haben, wie ich ja bei meiner Antwort auf Renée erklärt habe.

Danke für deine Kritik
Xanthi

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 13.10.2010, 21:24

hallo allerleirauh,

sehr gerne würde ich aufnehmen und vor allem hören, was es bereits gibt, z.zt. fehlen mir noch die technischen voraussetzungen, d.h. die umsetzung der vorhandenen technik.
aber ich glaube, das darf ohnehin nur ein zusätzliches sein, das gedicht muss sich schon messen lassen, allein dadurch, wie es da steht.
ich freue mich, dass das rationale unbeteiligte bei dir ankommt. mit worthandschuhe anfassen, ohne sich selbst zu verletzen, schreibst du, das gefällt mir gut.
was den konjunktiv betrifft gehört er rein grammatikalisch vermutlich dorthin, aber vom gefühl her mag ich da die direkte rede lieber.

xanthi

Quoth
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Beitragvon Quoth » 13.10.2010, 22:08

Ich habe keinerlei Geduld aufwenden müssen, um mich mit Deinem Text auseinanderzusetzen, liebe Xanthippe, und ich bedaure, Dir mit meinem Kommentar überwiegend Ärger bereitet zu haben. Nach wie vor ist er für mich ein Brief, der mehr aufs Kopfkissen oder in den Briefkasten des Partners (oder der Partnerin) gehört, gerade die Distanzierung gelingt ihm auf Grund der alltäglichen, fast bürokratischen Wortwahl nicht - leider ist gerade das der Ton vieler wirklicher Auseinandersetzungen. In dieser Hinsicht kann ich auch Renée Lomris nicht folgen, so sehr ich ihre Fähigkeit, Widersrpüche zu vermitteln, bewundere. Aber vielleicht kann ich mich einfach auch mit soviel Realismus in gebrochenen Zeilen nicht anfreunden. Ich bin gespannt, ob Du diesen Weg weitergehst.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Beitragvon Xanthippe » 14.10.2010, 09:52

Guten Morgen,

na ja Geduld bezog sich auf die Antwort. :blink1:

Quoth hat geschrieben:Nach wie vor ist er für mich ein Brief, der mehr aufs Kopfkissen oder in den Briefkasten des Partners (oder der Partnerin) gehört, gerade die Distanzierung gelingt ihm auf Grund der alltäglichen, fast bürokratischen Wortwahl nicht - leider ist gerade das der Ton vieler wirklicher Auseinandersetzungen. In dieser Hinsicht kann ich auch Renée Lomris nicht folgen, so sehr ich ihre Fähigkeit, Widersrpüche zu vermitteln, bewundere. Aber vielleicht kann ich mich einfach auch mit soviel Realismus in gebrochenen Zeilen nicht anfreunden. Ich bin gespannt, ob Du diesen Weg weitergehst.


das ist ja das für mich sehr schöne hier, dass so viele menschen, die das gedicht nicht mögen, denen es irgendwie unbehagen bereitet, die widerstände dagegen haben, sich hier melden und sich mit diesen widerständen auseinandersetzen, um sie mir vorzusetzen. :smile: das passiert ja nicht so oft in diesem ausmaß.
ich bin auch gespannt, wie der weg weitergeht. hauptsache er geht immer weiter :-)
einen schönen tag noch
xanthi

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Beitragvon fenestra » 14.10.2010, 21:24

es geht mir zum einen darum, dass man sich zu seinen Sünden bekennen kann, dass man Fehler als Fehler und Fehlleistungen als Fehlleistungen erkennen kann, ohne deswegen zu bereuen. Nicht das trotzige: ich würde es wieder tun, aber: ich weiß es war ein Fehler, aber es war notwendig. Ist das verständlich?


Ja, ist es, vielen Dank für die Aufklärung! In der verdichteten Version habe ich diese Bedeutung wohl deshalb nicht so erkannt, weil mir das Wort "Sünden" zu groß, zu biblisch daher kommt. Fehler oder Sünde - ich denke, das ist ein Unterschied. Natürlich kann man mit "sündigen" auch mal ironisch kleine Übertretungen eigener guter Vorsätze bezeichnen, aber danach klang es in diesem Text nicht, denn auch das Wort Bekenntnis ist eher ein bedeutungsschweres Wort.

Eine Sünde wäre für mich etwas wirklich Schlimmes, nicht wieder gut zu machendes und da hätte ich auch Probleme, zu sagen, es war notwendig. Allerdings lässt sich wahrscheinlich für fast alles sagen, ich konnte nicht anders. Wenn man die Ergebnisse heutiger Hirnforschung betrachtet, ist der Mensch nicht wirklich frei in seinem Willen und das wirft auf die Begriffe Schuld und Sünde wieder ein ganz anderes Licht. Aber das würde hier jetzt zu weit führen ...

Viele Grüße
fenestra

P.S.: Ich habe mich sehr gefreut, dass du anlässlich dieser Diskussion um Intentionslosigkeit mein Cento aus dem Publicus vorgekramt hast!

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 14.10.2010, 22:27

Liebe Xanthippe

danke für deine Rückmeldung. Sei mir nicht böse, wenn ich ein anderes Problem anspreche, das dich nur indirekt betrifft.

Lieber Quoth

du schreibst:

die Distanzierung gelingt ihm auf Grund der alltäglichen, fast bürokratischen Wortwahl nicht - leider ist gerade das der Ton vieler wirklicher Auseinandersetzungen. In dieser Hinsicht kann ich auch Renée Lomris nicht folgen, so sehr ich ihre Fähigkeit, Widersrpüche zu vermitteln, bewundere.


1. Bei wirklichen Auseinandersetzungen - Beziehungsprobleme, wohlgemerkt - höre ich selten den Begriff "Bezugnehmend auf ... FÜr mich hat das eine ähnliche Wirkung wie die Verwendung der biblischen Sprache bei Brecht.

Gerade die sieben Todsünden sind eine Collage verschiedener Sprachebenen, soweit ich mich erinnere.

2. Kannst du mir bitte erklären, was du meinst, wenn du sagst, dass ich eine FÄhigkeit habe Widersprüche zu vermitteln?

Vielen Dank für deine Antwort

Renée

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 15.10.2010, 09:27

aufgrund der diskussion zum text hier im begleitfaden, habe ich mir gedanken gemacht, wie denn die berechtigte frage von Max:
Max hat geschrieben: Leider steht ja bei den Lobeshymnen recht wenig darüber, was an dem Text so toll empfunden wird,


am besten zu beantworten wäre.

mich hat dieser text nämlich auch schwerst begeistert und ich habe angesichts dieser frage bemerkt: das "warum" und "wie" zu erklären ist gar nicht so einfach, ohne dabei eben genau das zu tun, was man nicht möchte: etwas zerreden, dessen man ohnehin mit worten kaum habhaft wird.
daher auch - vermute ich - meist diese kommentare wie "ich kann gar nicht genau sagen, was..., aber...einfach toll!" oder ähnliche.

man kann es nämlich nicht genau sagen oder "festnageln", ohne dabei an dem vorbeizuschrammen, was da eigentlich "passiert" ist beim lesen eines solchen textes.
ich möchte dazu den vergleich des erlebens eines naturschauspiels bemühen... ein besonders schöner sonnenuntergang in besonders toller landschaft, ein wasserfall in einem verzauberten eckchen natur, oder ähnliches , das sicher jeder von uns schon einmal so empfunden und erlebt hat.

da sitze ich ja dann auch nicht und analysiere mit jeder sekunde, die die sonne tiefer sinkt und die farben ringsum sich und somit die umgebende natur (und mich mittendrin) mit-verändern, warum das jetzt so und so aussieht und was dann genau in welcher licht-wellenlänge auf meine optik wirkt und durch welche körper-chemischen prozesse das warme gefühl dabei in meinem bauch kommt und dieses beraubt-seins des eigenen atems.... ohne es dabei eben zu "verpassen" oder etwas daraus zu machen, das mit dem eigentlichen nichts mehr zu tun hat.

die analyse, die erklärung, das erfassen mit der ratio sind das eine - das pure erleben oder spüren ist das andere.
und bei manchen texten verhält es sich m.E. genauso.

die sind für mich "naturschauspiel", das mich hineinzieht und fühlen lässt.
entfalten mit jeder zeile neue farbspiele, die aus den vorigen erwachsen und so eine einheit bilden, die mich völlig gefangen nimmt.

sowas kann ich dann nicht erklären. und will ich auch gar nicht.

mir genügt zu wissen, dass es da schon etwas geben muss, dass "das" mit mir macht. aber dem auf den grund zu gehen würde "entzaubern". und das ist nicht immer das beste, denn was einmal entzaubert wurde, kann nie mehr in diesen verzauberten zustand rückgeführt werden. und dann hat man etwas unwiderbringlich verloren.

"abgehakt" sozusagen. toterklärt.

vielleicht hilft ja dieser erklärungsversuch. auch als begründung dafür, dass auch ich zu jenen autoren gehöre, die ihre texte nicht (allzu oft und genau) erklären möchten - auch, wenn sie wahrnehmen, dass sie bei jemandem nicht so ankommen, wie gedacht. dann war das eben der sonnenaufgang zur falschen zeit, am falschen ort für die falsche person sozusagen.... (klar, kann und wird immer wieder auch mal etwas dabei sein, das tatsächlich nicht gut genug gemacht war, um als sonnenaufgang wirken zu können. aber das nicht-wirken allein sagt jedenfalls noch nicht automatisch aus, dass das immer der grund dafür ist).

und das ist dann auch nicht überheblich oder arrogant gemeint, wie es vermutlich bei manchen ankommt. man würde nur etwas zerstören im eigenen empfinden, das man selbst zu zaubern versucht hat.... und wenn der zauber nur bei einem oder wenigen wirkt - dann genügt mir das schon, um zu wissen: der/die hat den zauber sehen können oder wollen. für ihn/sie hat er gewirkt..... mehr brauch ich gar nicht.

dass dabei klar ist, dass man wohl eher für ein kleines, verzauberungswilligeres publikum schreibt, macht die sache ja nicht weniger "gültig" oder "erfüllend". zumindest bei mir ist das so. für mich ist es das, was essentiell ist am schreiben.
(übringes auch aus meiner sicht des lesers. ich lasse mich gerne "führen" und verzaubern. auf mir fremde, neue gedanken-pfade mitnehmen. meine eigenen gedankengänge kenn ich ja schon zur genüge... )

"in a world full of people, only some want to fly. isn´t that crazy?". (zitat: seal, "crazy")
ich gehöre wohl hier zu den wenigen, die sich wundern. die mehrheit derer, die fest am boden bleiben möchte, hat zwar die mehrheit - aber was besagt das schon? außer, dass diese sich wiederum über die minderheit wundert, die sich wundert, wie man eben nicht fliegen wollen kann...

wäre die gesamte menschheit immer am boden geblieben, hätte sie sich nicht soweit bewegt, wie sie heute gekommen ist (auch auf der geistigen ebene gemeint natürlich).... wäre die gesamte menschheit dem traum vom fliegen nachgelaufen, auch nicht...

es muss diese UND jene geben. einzig das recht auf ihre jeweile "art des daseins" sollten sie einander nicht gegenseitig absprechen (indem sie fordern, die jeweils "anderen" sollen sich doch ihrer art und weise anpassen, damit doch endlich und unmissverständlich von allen vom selben gesprochen würde).



lieber gruß,

keinsilbig


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