kein denken an herbst

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 18.09.2007, 15:57

.




.
Zuletzt geändert von Niko am 07.06.2009, 17:04, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 19.09.2007, 13:38

Lieber Niko,

so, jetzt nochmal zum Text: als erstes: den Titel finde ich einfach nur gelungen! Er hat den Klang in sich, warum alle immer wieder und wieder "Herbst" als Bild wählen, aber ist eben sprachlich keine Wiederholung - ja!

Gerda: Das "unter einer Decke stecken" referiert eben auch auf diese sprichwörtliche Phrase: ihr/die steck/t)/en doch unter einer Decke: die Liebenden, die sich abwenden, nicht um das Außen scheren und die Umstände austricksen - darum finde ich das gut und sehr leicht.

Dafür irritieren mich das zweite decken:

an beiden körpern
kein grund sie zu decken

Es erinnert mich an "aufdecken", entdecken", sogar "zudecken", das passt alles (keiner muss dem anderen seine Gründe dafür aufdecken, es ist alles mit den Körpern gesagt, die Gründe sind auch so tgrudnsätzlich, dass sie nicht zu entdecken sind und verstecken im Sinne von zudecken muss man sie auch nicht. Aber sprachlich kommt das mit den ersten beiden Zeilen seltsam daher - für mich!


kein denken an herbst

unter einer decke stecken
tausend beweggründe
an beiden körpern
kein grund sie zu decken

Dann wieder den Teil:

zwei finger breit
neben dem sternum
klopft unsterblichkeit
an meine haut

finde ich sehr gelungen, auch das "sternum", ich finde das Wort hat so einen natürlichen Klang, dass es völlig ok ist, dass der Leser sich da erst informieren muss, es hat dieses intuitive Verständnis und wenn man es dann erfährt noch mal den Effekt. ah, neben dem Herzen. Sogar die Unsterblichkeit lasse ich mir von den Zeilen verkaufen, wenn ich auch überlege, ob ein anderes Wort nicht noch feiner wirken könnte - aber ich denke, es passt zu deinem Duktus.

Der letzte Teil:

schreibt ein finger
gedichte
über abenteuer^lust
und mäntel

fügt sich rhythmisch wunderbar in das ganze ein, so stark, dass es ingesamt stimmig wirkt, obwohl der letzte Absatz einen ganz anderen Fokus hat, den ich eigentlich als plötzlich neues Thema komisch finde - die Wende zum Schreiben (wenn auch auf den Körper des anderen, für mich müsste das vorher schon anklingen) kommt etwas zu wenig hergeleitet oder zu wenig intutivi 8außer über Klang)..eins von beiden müsste aber zutreffen.

"abenteuer, lust und mäntel" - erstere beiden Wörter finde ich etwas zu unoriginell, wenn auch von ihrem Beduetungsfeld schön auf das "unter der Decke" referierend, indem du das Wort trennst und doch nicht. Mäntel wirkt allerdings zusammen mit diesen beiden dann zu konkret und kollidiert auch mit "decke"; ein mantel ist einer Decke zu ähnlich, als dass man sagen könnte, dass der Mantel das deckenbild und seinen Inhalt nochmal aufgreift - er will es nicht aufgreifen, er will es selbst sagen.
Darum würde ich den Mantel als Bild entweder von Anfang etablieren oder ihn fortlassen und einen anderen Schluss finden.

Das sind so meine ersten Ideen.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 19.09.2007, 13:43

Hallo Lisa,

Eine ganz naive Nachfrage.

Darum würde ich den Mantel als Bild entweder von Anfang etablieren oder ihn fortlassen und einen anderen Schluss finden.


Baut sich das Bild nicht durch den Herbst im Titel auf. Damit ist es doch von Anfang etabliert. Zumindest habe ich es so gelesen.

Fragende Grüße

Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 19.09.2007, 14:06

Interessant deine Überlegung, lieber Jürgen,
aber der Titel implziert m. M. n. den Mantel nicht, weil er heißt ja "kein denken an herbst"

Liebe Grüße
Gerda ... meine Überlegung

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 19.09.2007, 14:28

Hi Gerda,

Ich hatte es so verstanden, dass der Mantel symbolisiert, dass der Herbst die, die nicht an ihn denken, einholt.

Habe ich so falsch gelesen? :a050:

Schönen Gruß

Jürgen

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 19.09.2007, 14:29

Gurke hat geschrieben:Ich hatte es so verstanden, dass der Mantel symbolisiert, dass der Herbst die, die nicht an ihn denken, einholt.
Jürgen


So habe ich es auch gelesen.

LG
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 19.09.2007, 16:05

Lieber Jürgen, (und liebe Elsa)

so kann man es tatsächlich auch lesen. Zu meiner weiter oben angeführten abweichenden Textinterpretation, würde das zwar so nicht passen, was aber nichts heißen muss.

Ich bin gespannt, was Niko zu all dem schreiben wird

Liebe Grüße
Gerda

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 19.09.2007, 16:28

Hallo Jürgen,

ich denke, du hast Recht - der Mantel wirkt zusammen mit dem Titel und ist in diesem Sinne vorbereitet, das ist mir absolut entgangen! (Trotzdem beißt er sich noch mit der Decke? beide Bilder wollen dominieren?). Ich lese es so, dass das gemeinsame unter der Decke einen Mantel für den Herbst schafft, also der Herbstzeit (der Kälte etc.) etwas entgegensetzt.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 19.09.2007, 19:12

erstaunt und natürlich hocherfreut nehme ich zur kenntnis, dass dieses bescheidene textlerin soviel denkstoff gibt.
ich danke allen zunächst mal ganz herzlich dafür.
bitte lasst mir noch ein bischen luft bis morgen. ich hab bis jetzt einen 12 stunden arbeitstag hinter mir und muss gleich nochmal los für 3 stunden.

morgen werd ich mich etwas dezidierter äußern. versprochen.

lieben gruß: Niko

Niko

Beitragvon Niko » 20.09.2007, 21:58

so.......jetzt aber:

zunächst mal die frage an klara, ob denn mittlerweile so manches klarer geworden ist?

die zeilen hier sorgen für diskussionen:

unter einer decke stecken
tausend beweggründe
an beiden körpern
kein grund sie zu decken

vor allem die letzte. ich hätte zu decken auch mit einem ^setzen können. kein grund sie zu^decken. habe ich nicht gemacht, weil ein "zu" verlustig wäre. aber die assoziation zum zudecken sollte schon so sein. bezogen auf die beweggründe. kein grund diese beweggründe zu decken, sie auszubremsen, sie nicht zuzulassen, zu deckeln, sie zuzudecken. dieses dingsda^dach ist sicherlich nicht jedermanns geschmack. ich wollte einfach mal was neues ausprobieren. und mal ehrlich gesagt: mir gefällts irgendwie.
kurz zum mantel:
ich glaube nicht, lisa, dass decke und mantel ein widerspruch ist. ein mantel ist aus stoff. wie eine decke auch. es ist hier nicht automatisch von einem daunenbett die rede. ergo ist eine decke erstmal aus stoff. wie ein mantel. und es gibt modelle - poncho(?) - die sind nicht wirklich sehr unterscheidbar von einer decke. bis auf die nähte unterm arm. aber der mantel soll mehr das wohlfühlen, den schutz, geborgenheit darstellen. decken sind da ja auch fast geeignet.

ich weiß, dass unsterblichkeit ein großes wort ist. aber es gibt momente im leben, wo man sich genau so fühlt. auch physisch. und diese momente bleiben dann auch. und für die dauer eines lebens sind sie unsterblich. - daran ist dann auch zu erkennen, das "unsterblichkeit" ein sehr relativer begriff ist.

ich danke euch allen ganz sehr viel herzlich ;-)

lieben gruß: Niko
PS: sollte ich was ausgelassen, übersehen oder schlicht verschwiegen haben, dann bitte nachhaken!

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 20.09.2007, 23:24

Hallo Niko,

ich beginne zu begreifen...

(bilde ich mir zumindest ein)

Das Dach leuchtet mir ein bisschen ein.

Aber die Unsterblichkeit nicht.
daran ist dann auch zu erkennen, das "unsterblichkeit" ein sehr relativer begriff ist.
Unsterblichkeit ist eben kein relativer Begriff. Es sei denn, du relativierst den Tod, und das wäre eine Lüge.

Lieber Gruß, und dank dir für die Erleuchtungsversuche ,-)

Klara

Niko

Beitragvon Niko » 21.09.2007, 05:27

hey klara!
ich habe nicht versucht zu erleuchten. vielmehr waren es ja elsa & co die dir den weg der erkenntnis wiesen :pfeifen: ommmmmmmmmmmmmmm.

Aber die Unsterblichkeit nicht.
Zitat:
daran ist dann auch zu erkennen, das "unsterblichkeit" ein sehr relativer begriff ist.
Unsterblichkeit ist eben kein relativer Begriff. Es sei denn, du relativierst den Tod, und das wäre eine Lüge.
jau..........der tod ist eh ne relative sache. noch mehr, als es die unsterblichkeit je sein könnte. zu bachs zeiten galt der tod als die höchste stufe des lebens oder daseins, wenn du willst.


lieben gruß: Niko

erkenntnis des tages: alles im leben ist relativ...

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 21.09.2007, 10:48

erkenntnis des tages: alles im leben ist relativ...

aber nichts im tod. der tod ist absolut (das ist das gegenteil von relativ, ein anderes Gegenteil wäre "beziehungslos").

Tot ist tot, da hilf auch kein Meditieren.

Lasset uns also leben, solange es uns vergönnt ist.

Omm, Hugh, Amen und Basta
Klara

Niko

Beitragvon Niko » 21.09.2007, 12:59

ich glaube, klara, das ist eine philosophische frage. tod ist doch eigentlich erst der anfang ich glaube nicht an die entgültigkeit des todes. danach geht es heiter weiter. in welcher form auch immer. vielleicht als kamel (weil ich es verpasst habe, im letzten leben eindeutige texte zu schreiben) oder als glücklicher besitzer eines ausgiebigen mars-grundstücks, zu dem ich dann an den wochenenden mal immer hinfliege (dauert dann nur knapp vier stunden. haltestelle mars-süd, planquadrat 7"DEM -DL03771". - mare nikodemus ;-) )
tod hat für mich nichts absolutes.
lieben gruß: Niko

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 21.09.2007, 13:33

ich glaube, klara, das ist eine philosophische frage.

wohl eher eine religiöse frage, nicht wahr? glaube ich.

sei es, wie es sei: wenn du als kamel nach dem tod lebst, bist du als niko dennoch tot, und zwar nicht relativ tot, sondern absolut tot. auch wenn seelenteilchen des "niko" in dem kamel sein mögen: ein bisschen ist alles in allem enthalten, das ist materi-psychoell (auch wenn es das wort nicht gibt) notwendig. asche in erde, staub im leben. so gesehen - klar: ohne tod kein leben. das ist aber eine andere frage. es geht um die präzise verwendung der ach so beliebten begriffe "relativ" und "absolut". und da - ich bestehe drauf - ist der tod absolut. wenn es nichts absolutes mehr gäbe, als begrifflichkeit, wenn "alles relativ" wäre, wie man so gerne sagt, dann gäbe es nicht mehr nichts absolutes mehr, sondern auch nichts relatives.

in other words: entweder nikos herz schlägt oder nicht. und wenn es nicht schlägt, ist niko absolut tot.

careful with words wishings
clara


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 44 Gäste