der wolf in mir

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.11.2009, 20:02



der wolf in mir
krallt sich den morgen
fletscht seine zähne nicht
beißt aus dem sprung fest zu
kommt erst zur ruh
wenn die nacht ihn besänftigt
ich mich wieder trage



1. Fasssung

der wolf in mir
krallt sich den morgen
fletscht seine zähne nicht
beißt aus dem sprung fest zu
bis die nacht ihn besänftigt
die haut sich glättet
ich mich wieder trage
Zuletzt geändert von Mucki am 27.11.2009, 18:20, insgesamt 2-mal geändert.

bluebird
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Beitragvon bluebird » 21.11.2009, 21:59

Liebe Gabriella,

dein gedicht hat mich spontan angesprochen, ich finde deine bilder sehr
ausdrucksstark. dieser „wolf in mir“ erscheint mir hier als (über)lebenswille, der sich instinktiv am morgen/ an der hoffnung/am leben festkrallt, oder aber auch könnte es bedeuten, jeder tag ist ein kampf ums „(über)leben“ erst wenn der tag die nacht trifft, glätten sich die wogen, kehrt ruhe ein, die nacht wirkt hier besänftigend, vielleicht weil sie den tag bzw. das reale leben hinter einem dunklen vorhang verschwinden lässt, sodass es nicht mehr greifbar wird, die nacht steht mir hier jedenfalls als ein ort der geborgenheit, stille, klarheit.

also, das wäre jetzt so meine wahrnehmung beim lesen, ich hoffe, sehr, ich hab deinen text nicht vollkommen missinterpretiert. falls ja, bitte verzeih mir.

viele liebe grüsse
bluebird

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.11.2009, 22:34

Hallo bluebird,

ich freu mich über deine Assoziationen, deine Gedanken zu den Zeilen.
Es ist immer spannend für mich, auf welche Weise etwas gelesen wird.
Danke dir!

Saludos
Gabriella

wüstenfuchs

Beitragvon wüstenfuchs » 23.11.2009, 19:30

Hallo Gabriella,

der Wolf fletscht die Zähne nicht, sondern beißt gleich zu. Mich hat diese Zeile beschäftigt, weil ich mich frage, warum er nicht die Zähne fletscht und was mir diese Aussage sagen soll.

Ist es ein besonders böser Wolf?

Die letzten drei Zeilen finde ich dann sehr gelungen, vor allem, "Ich mich wieder trage"

Den Tag über ist das lyrische Ich eine Wölfin, und nachts dann wieder es selbst.
Das interessiert mich brennend, was macht sie zur Wölfin?

Viele Grüße
Fux

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.11.2009, 19:43

Hi Ben,

dich als Fuchs spricht der Wolf an, ich wusste es *g*
Im Prinzip hast du dir deine Fragen schon selbst beantwortet. Der Wolf fletscht die Zähne gar nicht (erst), sondern beißt sofort (aus dem Sprung) zu, also ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung.
Ist es ein besonders böser Wolf?

oh ja, ein unberechenbarer, böser Wolf!
Stell dir vor, wie er sich den Morgen krallt. So richtig bildlich. Er schleudert eine Pranke und krallt sich den Morgen, sprich: das Wilde ist sofort da, gleich zu Beginn. Und er beißt wütend zu.
Den Tag über ist das lyrische Ich eine Wölfin, und nachts dann wieder es selbst.
Das interessiert mich brennend, was macht sie zur Wölfin?

Der Morgen!
Das LI verhält sich also nicht nachts wie ein Werwolf, sondern am Morgen.

Wolfsheulende Grüße ,-)
Mucki

DonKju

Beitragvon DonKju » 24.11.2009, 21:39

Hallo Gabriella,

zwar ein durchaus starker Text, allerdings für mich mit einem Bruch in den Bildern ; Bis zur Zeile "der wolf in mir ... bis die nacht ihn besänftigt" sprichst Du konsequent über die Wolfsfigur, dann folgt der für mich als zu radikal empfundene Umschwung zum LyrIch mit : "die haut sich glättet -
ich mich wieder trage"; Daher könnte ich mir folgendes denken :

"...
das gesträubte fell sich legt
das letzte knurren verebbt
und
ich wieder mich trage."

Vielleicht ja eine Überlegung wert, mit lieben Grüßen dazu von
Hannes

Mucki
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Beitragvon Mucki » 24.11.2009, 22:32

Hallo Hannes,

in "die haut sich glättet" ist m.E.
das gesträubte fell sich legt
das letzte knurren verebbt

enthalten. Ich wollte das hier nicht so ausführlich schreiben, da es m.E. nicht notwendig ist. Klar ist hier ein Bruch oder besser gesagt die "Verwandlung" enthalten. Das ist ja der "Kern" der Zeilen. Und diese Verwandlung erfolgt eben abrupt und nicht gemächlich.

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 24.11.2009, 23:45

Liebe Mucki,

Das ist wohl eine interessante Umkehr. Soweit ich weiß, jagt der Wolf in der Nacht?

Dieser hier nicht, er wird verrückt und bissig, sobald der Tag anbricht, sanft wie ein Lamm, wenn die Nacht ihn umfängt.

Meine Idee dazu ist, der Tag ist gefährlich, die Dunkelheit Trost.

Gefällt mir gut!

Lieben Gruß
ELsie
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 24.11.2009, 23:57

Liebe Elsie,

genau, "dieser" Wolf wird verrückt und bissig, dreht am Rad, sobald der Tag anbricht. ,-)
Danke dir!

Saludos
Mucki, das Lämmchen :engel2:

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Beitragvon Elsa » 25.11.2009, 08:35

Mucki, das Lämmchen? ;-)

Liebe nachtaktive Grüße,
ELsie
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.11.2009, 09:27

Liebe Mucki,

das ist ein sehr interessantes Wolfsbild, das du hier zeichnest.
Ein Tier, das sich den Tag krallt, sich ohne Vorwrnung nimmt oder festhält, an dem, was überlebenswichtig ist.
Erst die Nacht bringt Entspannung oder findet der Wolf erst in ihr seine eigentliche Bestimmung?
Spannende Umkehrung der gängigen Vorstellungen!

LG

scarlett

Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.11.2009, 12:39

Liebe Elsie,
Mucki, das Lämmchen? ;-)

klar, guck mal auf die Uhrzeit, wann ich das geschrieben habe. *lach*

Liebe Monika,

Ein Tier, das sich den Tag krallt, sich ohne Vorwrnung nimmt oder festhält, an dem, was überlebenswichtig ist.

das von mir unterstrichene ist deine Lesart, jedoch so nicht von mir intendiert. Der Wolf im LI nimmt sich nichts oder hält sich nicht fest an etwas Überlebenswichtigen. Er tut genau das Gegenteil. Er (zer)fetzt den Morgen sinnbildlich gesehen.
Erst die Nacht bringt Entspannung

genau, erst dann kommt der Wolf im LI zur Ruhe, wird das LI zum LI selbst, verschwindet der Wolf im LI.
Danke für deine Auseinandersetzung mit den Zeilen.

Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 25.11.2009, 21:00

Liebe Mucki,

ja, genau, spannend das Wolfbild!

Wie Bilbo bleibe ich ein wenig an der Zeile hängen:

die haut sich glättet


Sicher, hier wird der Umschwung eingeleitet, die Schwierigkeit, die ich dabei habe, ist allerdings, dass ich auch Mensch selten von mir sagen müsste, dass die Haut sich glättet. Natürlich soll es so bleiben, wenn Du es für richtig hältst.

Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.11.2009, 21:26

Hallo Max,

ja, es soll den Umschwung einleiten. Ich finde es eigentlich recht passend.
Die Frage ist, wie könnte ich es anders ausdrücken. Ich kann ja schlecht schreiben "das Fell verschwindet" oder ähnliches, da ja kein Fell vorhanden ist. Zudem möchte ich in den letzten beiden Fällen nichts Wolfsartiges mehr drin haben, sondern ganz beim Menschen bleiben bzw. zum Menschen zurückkehren.
Hast du eine Idee?

Saludos
Mucki


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