scherbentanz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 16.01.2010, 19:23

.

scherbentanz

barfuß über eisblumen
laufen was das zeug hält
ich halte nimmer aus

du bist einfach so kalt
geworden und alltag
steht dir nicht

blickst herzverschlossen
durchs gefrorene während
ich mit bloßer haut - endlich
mein leben freischmelze


"endlich" eingefügt. danke flora!



1. Version

scherbentanz

barfüßig über eisblumen
laufen was das zeug hält
du bist einfach so kalt
geworden und alltag
steht dir nicht

blickst herzverschlossen
durchs gefrorene während
ich mit bloßer haut
mein leben freischmelze
Zuletzt geändert von Elsa am 21.01.2010, 09:50, insgesamt 2-mal geändert.
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Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 16.01.2010, 22:08

Liebe Elsa,

ich mag den Dreh am Ende, überhaupt die zweite Strophe finde ich sehr gelungen.
Bei der ersten hätte ich (unverschämterweise) einen ganz subjektiven Vorschlag:



barfüßig über eisblumen
laufend was das zeug hält
bist du einfach so
kalt geworden und alltag
steht dir nicht

mit dem "dir nicht stehenden alltag" bin ich nach dieser Änderung nicht so glücklich, aber habe da im Moment auch keine Idee, weil mir der Gedanke schon gefällt, nur die Formulierung lässt mich noch ein bisschen unzufrieden zurück.
Jedenfalls bin ich gespannt, was noch geschieht, geschehen wird...

DonKju

Beitragvon DonKju » 17.01.2010, 11:23

Hallo Elsa,

auch das ist so ein Text, bei dem ich mich frage: Soll man daran rühren oder macht man ihn dann nur kaputt ? Aber einige Ideen will ich denn doch äußern :

"...
tanzen was das zeug hält
...

blickst herzverschlossen
durch eissplitter während
..."

Ich denke dadurch wird der Titel im Text etwas deutlicher wieder aufgegriffen, aber es gilt natürlich wie immer : "It's your choice ..."

Mit lieben Sonntagsgrüßen dazu vom Hannes

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.01.2010, 11:32

Liebe Xanti, danke dir, aber "laufend" ist für mich nicht so recht eingängig, ich kann
den Grund für die Änderungen nicht erkennen?

Lieber Hannes, vielleicht doch nicht dran rühren? ;-)
nachdem im Titel tanzen vorkommt, würde ich das nicht gern wiederholen. Auch der 2. Vorschlag, in dem eis von den eisblumen wiederholt würde, ist dann nicht so meins.

Aber ich danke euch herzlich für die Befassung damit,
liebe Grüße
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.01.2010, 12:36

Hallo Elsa,

ich habe hier etwas Zuordnungs- und Verständnisprobleme. Mich irritiert vor allem die zweite Zeile. Wer läuft (lief?)barfüßig (barfuß? wäre das nicht auch klanglich schöner zu den blumen)? LIch oder LDu. Das Du ist kalt geworden, nur warum läuft es dann, was das Zeug hält, wäre es ihm nicht gleichgültig und im Eisigen "betrachten" doch eigentlich in seinem Element? Oder wurde es, wie in Xanthis Vorschlag erst durch das Eisblumenlaufen so kalt? (Aber was wären dann die Eisblumen, woher kommen sie?) Und wenn es LIch ist, warum beeilt es sich dann, wenn es doch schmelzen möchte? Dafür müsste es doch stehen bleiben, aushalten, oder?

Was ich schön fände, wenn das Ende offener wäre, vielleicht auch dadurch nicht so über das LDU erhaben klingen würde, weniger anklagend und abschließend, weicher, herzwärmer. :-) Eine Möglichkeit wäre vielleicht indem du das "freischmelzen" als Titel nehmen würdest und das Scherbentanzen dafür ins Gedicht integrieren würdest.

Hier nur als Anregung zum Anschauen, wie ich es verstanden hatte. Besonders gefällt mir
du bist einfach so kalt
geworden und alltag
steht dir nicht

das ist auch von den Zeilenumbrüchen klasse gemacht.

freischmelzen

barfuß auf eisblumen
stehen bleiben, aushalten
scherbentanzen

du bist einfach so kalt
geworden und alltag
steht dir nicht

blickst (betrachtest?) herzverschlossen
durchs (das?) gefrorene während ich
mit bloßer haut
mein leben


Liebe rührige Grüße ;-)
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 17.01.2010, 16:26

Liebe Elsa,

mir gefällt der Text ingeamt sehr gut, da sind - gerade in der zweiten Strophe - viele originelle Bilder. Auch die Eingangsmetapher "Barfuß über Eisblumen" finde ich originell.

Probleme habe ich mit der 2. zeile


laufen was das zeug hält


"Was das Zeug hält" ist ja direkt aus der Umgangssprache entnommen und für mich zunächst einmal ohne Inhalt. Ich kann auch keinen Grund erkennen, warum diese Zeilen in dem ansonsten sehr fein geschliffenen Text vorkommen. Vielleicht kann man ja das noch einmal überdenken.

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.01.2010, 21:03

Liebe "rührige" Flora,

Herzlichen Dank für deine Befassung mit dem Text.

Deine Zuordnungsproleme verstehe ich nicht recht, das LI läuft vor dem Du davon, ich denke schon, das ist klar.
Barfuß klingt wahrscheinlich eleganter, ich denke darüber nach, das alltäglichere Barfüßige zu ersetzen.

Das Du ist kalt geworden, nur warum läuft es dann, was das Zeug hält, wäre es ihm nicht gleichgültig und im Eisigen "betrachten" doch eigentlich in seinem Element?
siehe oben, es ist das LI, das läuft.

Und wenn es LIch ist, warum beeilt es sich dann, wenn es doch schmelzen möchte? Dafür müsste es doch stehen bleiben, aushalten, oder?
Nein, es muss vor der Kälte davonlaufen, dann kann es sein Leben freischmelzen, ich verstehe dein Problem damit einfach nicht, tut mir leid.

freischmelzen

barfuß auf eisblumen
stehen bleiben, aushalten
scherbentanzen

du bist einfach so kalt
geworden und alltag
steht dir nicht

blickst (betrachtest?) herzverschlossen
durchs (das?) gefrorene während ich
mit bloßer haut
mein leben


Liebe Flora, das ist eine schöne Version, ich lass es mal sacken, es ist doch ganz anders als meine.

Hab vielen Dank!

Liebe Grüße
ELsa


Liebe rührige Grüße ;-)
Flora[/quote]
Zuletzt geändert von Elsa am 17.01.2010, 21:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.01.2010, 21:10

Liebe Max,

danke dir.

"Was das Zeug hält" ist ja direkt aus der Umgangssprache entnommen und für mich zunächst einmal ohne Inhalt.
Ja, Umgangssprache, stimmt. Der Inhalt ist schon klar, oder? Was das Zeug hält weist auf die Kraft der Lauferei hin :-)

Ich kann auch keinen Grund erkennen, warum diese Zeilen in dem ansonsten sehr fein geschliffenen Text vorkommen.
Der Grund ist, das ich gern Brüche veranstalte, damit es nicht gar zu feingeschliffen daherkommt. Das mache ich häufig.

Liebe Grüße
ELsa
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Max

Beitragvon Max » 17.01.2010, 22:12

Ja, Umgangssprache, stimmt. Der Inhalt ist schon klar, oder? Was das Zeug hält weist auf die Kraft der Lauferei hin

Schon klar ... :-). Mein Punkt ist eher, dass der Halbsatz an sich aber keine Aussage besitzt ... ;-). Es ist ja kein zeug da, was halten könnte.
Es erinnert mich ein bisschen an die Berliner Art ein Gespräch zu eröffnen "Wie shcon gesagt" - was auch nicht bedeutet, dass man schon was gesagt hat, sondern nur, dass man gerne einen Ton von sich geben möchte, um die Aufmerksamkeit des Gegenüber zu erhaschen :-)

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 17.01.2010, 22:36

Ah, ich verstehe, Max.

Lieben Gruß
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 18.01.2010, 10:18

Hallo Elsa,


barfüßig über eisblumen
laufen was das zeug hält


Deine Zuordnungsproleme verstehe ich nicht recht, das LI läuft vor dem Du davon, ich denke schon, das ist klar.

Mir war es nicht klar, sonst hätte ich ja nicht gefragt und Xanthi wohl auch nicht, weil ihr Vorschlag doch das Laufen dem Du zugeordnet hat?
Die erste Strophe führt das "du" ein, das "ich" ist noch gar nicht sichtbar, benannt für mich, warum sollte ich diese allgemeine Aussage dann auf das Ich beziehen, zumal es dann für mich auch keinen Sinnzusammenhang mit dem Schmelzen gab?
Wenn das klar sein soll, müsste da für mich stehen: laufe ich was das zeug hält

Nein, es muss vor der Kälte davonlaufen, dann kann es sein Leben freischmelzen, ich verstehe dein Problem damit einfach nicht, tut mir leid.

Auf Bildebene funktioniert das für mich nicht, weil man Eis nun mal nur dann mit der bloßen Haut (barfüßig) schmelzen kann, wenn man es berührt, sich der Kälte aussetzt, aushält, dran bleibt und nicht, wenn man vor ihr davonläuft. Und das Eis ist doch dort, wo das Du ist, (siehe 1. Strophe) oder trägt LIch das Eis mit sich? Aber wäre es dann nicht weniger das LIch, sondern die "Umgebungstemperatur", die das Eis zum Schmelzen bringt?
Weißt du, ich sah da ein starkes, herzwarmes Ich, das es in und trotz der Kälte schafft, sich wieder freizuschmelzen.
Das sind für mich dann auch auf übertragener Ebene ganz unterschiedliche Aussagen.
Mmh, ich weiß nicht, wie ich das noch anders erklären soll. :a050: Verstehst du nun meine Schwierigkeit?
Vielleicht habe ich auch einfach ein Eisbrett vor dem Kopf. .-)

Liebe Grüße
Flora
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ferdi
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Beitragvon ferdi » 18.01.2010, 10:43

Hallo Elsa!

Ich melde mich nur kurz, um mich Flora anzuschließen: Dass in den ersten beiden Zeilen das /Ich/ gemeint ist, ist aus dem Text doch wirklich nicht ersichtlich? Und eigentlich möchte ich, nach Lesen des ganzen Textes, auch lieber den /Du/-Bezug wählen, weil ich wie Flora die beiden Handlungen an Anfang und Ende nicht unter einen gemeinsamen /Ich/-Hut bekomme... Hm. Wäre es denn nicht eine Idee, nach der zweiten Zeile noch eine Leerzeile einzufügen? Dann hättest du drei Abschnitte, der erste, durch die Trennung leichter zuzuordnen, gehört dem /Ich/ allein, der zweite dem /Du/ allein, und im dritten sind die beiden über das "während" verknüpft. Das würde den Text nicht wirklich verändern, aber vielleicht für mehr Klarheit sorgen?

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.01.2010, 10:52

Liebe Flora,

Vielen Dank für deine weitere Erklärungsmühe, ich komme trotzdem nicht ganz mit. Denn wenn das LIch beschließt davonzulaufen - endgültig! - nicht immer wieder das Herz freizuschmelzen - sondern ein für allemal das DU zu verlassen, die gefrorene Beziehung an den Nagel zu hängen, will es nicht mehr aushalten/verharren. Und LIch weiß, wenn es die Eisblumen verlassen hat, erst dann kann es sein Leben freischmelzen. Nachdem das alles aber schmerzt, ist es ein Scherbentanz über das Eis. Nein?

Lieber Ferdi, ich glaube/hoffe, wenn ich Leerzeilen mache, ist es vielleicht deutlicher. Ich machs mal :-)

Liebe Dankesgrüße euch
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.01.2010, 22:40

Hallo Elsa,

dank dir auch fürs Erklären. :-) Doch, jetzt ist es für mich schon viel klarer, und durch die neue Zeile wirkt auch das Umgamgssprachliche "was das Zeug hält" für mich besser eingebunden.

In der letzten Strophe lese ich jetzt immer ein "endgültig" oder weicher ein "endlich" mit. Vielleicht wäre das noch eine Idee, um die Entwicklung mit hineinzunehmen.

Liebe Grüße
Flora
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