Kennst du die Frucht

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Quoth
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Beitragvon Quoth » 16.11.2010, 07:24

Kennst du die Frucht, die roh nicht essbar ist?
Sie ist so hart, es deckt sie bittrer Flaum.
Am besten wär’s, dass man sie schnell vergisst,
sie kehrt zurück als schwefelgelber Traum.
Ihr Medium ist ihr Duft, so blütenzart,
dass es unmöglich ist, ihn zu vergessen.
Drum putz ich ab den feinen Früchtebart
und koch’ und süße sie, um sie zu essen.
Sie schmeckt mir als Gelee, das aus dem Saft,
gezuckert, mit Pektin versetzt, entsteht,
doch auch als Marmelade hat sie Kraft,
und traurig ist’s, wenn mir ihr Brot entgeht.
Wie du ihr ähnelst – ungenießbar, hart;
und so berauschend süß – bist du gegart!
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 16.11.2010, 07:32

hallo quoth,

als große quittenliebhaberin schreibe ich: das ist mal eine wirklich originelle liebeserklärung.

lg
a.

scarlett

Beitragvon scarlett » 16.11.2010, 11:03

hallo quoth,

das schwingt so wunderbar von zeile zu zeile, nirgendwo schnackelt es, es ist ein genuss (!), das zu lesen!

und ja, der quittenduft hängt da drüber, dass es eine freude ist.

schön auch der verweis durch die anfangszeile.

ich schließe mich allerleirauh an: originell!

lg
scarlett

Quoth
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Beitragvon Quoth » 16.11.2010, 12:40

Vielen Dank, Allerleirauh und Scarlett. Ich dachte, ich schreib auch mal ein Herbstgedicht - und dann wurde eine herbstliche Liebeserklärung daraus.
Dank aber auch an Niko, der im Faden "Sprachliche Qualität" schrieb:
warum muss man in der lyrik um den brei herumreden. ich meine: ein gedicht ist nicht ein gedicht, wenn hinter dem gedicht nicht ein gedicht steht.
Nein, Niko, hinter dem Gedicht muss nicht ein Gedicht, sondern muss die Realität stehen - die auch ein Traum sein kann oder wie hier eine Quitte und eine Liebe. Das ist kein "um-den-heißen-Brei-Herumreden", sondern ein Beschwören in der Phantasie des Lesers.
Mit Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Klara
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Beitragvon Klara » 17.11.2010, 18:50

Das ist schön, Quoth. Auch die Verknüpfung zu dieser seltsamen Angelegenheit Liebe.

Kürzlich lag so ein Ding in der Lieferung, die ich jede Woche vom Biohof aus dem Umland bekomme.
Was ist das, fragte ich. Ein Kürbis, sagte die Tochter. Das ist doch kein Kürbis, widersprach die andere. Wir rochen. Es roch nicht nach Kürbis.
Ich schnitt die Frucht auf, doch sie war sauerbitter und nicht genießbar. Sicherheitshalber hab ich sie vor dem Kochen geschält und etwas Apfel und Kiwi dazugetan, dann aber festgestellt, dass der Gelierzucker alle war. Dann halt Mus. Mtt etwas normalem Zucker. Mit dem Kartoffelstampfer zerdrückt. Warm schmeckte es. Kalt nach ein paar Tagen auch, wenn auch immer noch säuerlich. Es schmeckte ganz speziell nach - Quitte! ;)

herzlich
klara

edit: hier noch was Hübsches dazu http://www.freitag.de/alltag/0943-kocho ... sch+quitte

Quoth
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Beitragvon Quoth » 17.11.2010, 19:41

Hallo, Klara,

vielen Dank für den Link! der Freitag ist wirklich lesenswert, ich werde ihm mal ein Lesezeichen gönnen!

Und vielen Dank auch für das "schön". Wobei ich mich wundere, dass mir die Schlusszeile keinerlei Fragen oder Rüffel seitens der Kommentatorinnen einbringt.
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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allerleirauh
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Beitragvon allerleirauh » 17.11.2010, 20:46

hallo quoth, nun, das deutet ja irgendwie daraufhin, dass die kommentatorinnen mit dem terminus "gegart" (weichgekocht? weichgeklopft? willfährig gemacht? hingebogen? gezogen? erzogen? herangezogen?) etwas anzufangen wissen.

aber wenn du sogar mit einem rüffel gerechnet hast, dann solltest du dich vielleicht doch erklären...

lg
a

@klara: ich verarbeite jeden herbst mehrere kilo quitten zu einem delikaten gelee. ich meine, dass quittengelee das exquisiteste gelee der welt ist. aber dafür schält man die früchte nicht. man zerschneidet sie halt grob. nach meiner erfahrung gelieren quitten fast von allein, man muss nichtmal gelierzucker nehmen. das fruchtmus streiche ich durch ein sieb und versetze es nochmals mit zucker, dann wird das alles eingeköchelt, auf ein blech gestrichen und getrocknet. zum schluss zerschneidet man die masse. ich kenne dies unter dem namen quittenkonfekt, quoth könnte in dem zusammenhang von quittenbrot sprechen. (könnt ihr im januar alles verkosten.)

Klara
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Beitragvon Klara » 18.11.2010, 08:31

Wobei ich mich wundere, dass mir die Schlusszeile keinerlei Fragen oder Rüffel seitens der Kommentatorinnen einbringt.

Gerade die Schlusszeile ist doch der Clou - den man ja mit Fug und Recht (hach - immer schon wollte ich diese Wendung auch mal verwenden: mit Fug und Recht -) ebensogut auf den scheinbar ungenießbaren Quitterich anwenden könnte wie auf die erst nach dem Garen Holde.

Obwohl... manches Mal mag jener denn doch arg viel Mühe machen, bevor er endlich süß würde, so dass man wünschte, der Besagte und Besungene wäre ein klein wenig mehr Apfel, oder wenigstens Apfelsine - und ein bisschen weniger Quitterich ...
;)
Nee, stimmt schon, es ist ja DIE Quitte. Eindeutig. Auch wenn sie einen Bart hat.
Dann käme es - bevor ich auf die frauenrechtlerichterliche Barrikade stiege - mir zumindest im Einzelfall drauf an, was derjenige, der sie garen möchte, unter GAREN versteht... Und solange ich das nur ahne - und zu Gunsten halte, denn ich ahne nichts Übles außer Hitze und Zucker und freundliche, zeitaufwändige Zuwendung -, bleibe ich unten, die Barrikade interessiert mich dann weniger als der Genuss einer Quitte, wenn sie, naja, genossen wird. Oder so. Überlassen wir die Politik der Politik und das andere dem anderen, Zwischenmenschlichen. Auch wenn das weiter oben in der Politik gerne anders gesehen wird, weil dort der zwischenmenschliche Bereich quasi notgedrungen zu kurz kommt und die amtierende Jungenministerin aus unerfindlichen Gründen die alte Unterwerfungs-Maschine als Themenfeld wieder aus der Mottenkiste gekramt hat, um es den altbackenen Feministinnen noch mal so richtig, auweia, zu zeigen, als hätte sie da noch ein Hühnchen mit irgendjemandem zu rupfen - und überdies noch nie Quitten gekocht! Eigentlich empörend - für eine Kleinfamilienministerin)

(Und bevor es jetzt unanständig wird, überlasse ich die Quitte den Phantasien der Kochkünstler -

allerleihrauh: Danke für den Tipp! Ich glaube, ich traue mich mal, das zu versuchen! Woran erkenne ich denn aber, ob die Quitte gut ist, und vor allem reif, am Markt stand? Ich kann sie ja nicht probieren! Sind sie alle reif, die man kaufen kann? Muss sie fest sein? Schmeckt bio besser? Sie muss sicherlich duften, oder? Ich mag nur kochen, was gut riecht. Pardon Quoth, das ist nur scheinbar off topic... Und noch schöner: Ein Grund mehr, mich auf Dresden zu freuen, auf die Dresdner Quitten!

Quoth
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Beitragvon Quoth » 19.11.2010, 07:53

Hallo, Allerleirauh,
Du hast das ja schon alles sehr schön auseinandergelegt, und mehr, als Du darin findest, hab ich auch nicht hineingestopft!

Hallo, Klara,
vielen Dank, dass Du nicht auf die "frauenrechtlerische Barrikade" gestiegen bist. Aber Du hast wohl recht, gendermäßig ist das auch gut umkehrbar; wenn ein Quitterich gegart wird, nennt frau das auch wohl "schmoren lassen". :-)
Deine Hinweise auf die Ministerin und die "Unterwerfungsmaschine" klingen nach einem Artikel im "Freitag" - magst Du den Link angeben?
Ich will Allerleirauh nicht vorgreifen, kann Dir aber auch ein paar Tips zum Quittenkauf geben: Sie werden geerntet, wenn sie noch ein wenig grün sind (wie Bananen), werden dann gelb, sollten beim Kauf noch keine braunen Stellen haben und ja, sie müssen fest sein. Schwarze Verfärbungen auf der Schale ruft ein Pilz hervor, der ungefährlich ist, er verdirbt nur das Aussehen der Frucht. Bei der Verarbeitung fällt das sehr hart, fast holzige Kernhaus auf, Quitten Vierteln ist harte Arbeit, man möchte manchmal das Beil holen. Man kann sie übrigens auch roh entsaften, aus dem Saft dann Gelee kochen und die Reste nach Entfernung der Schalen zu Quittenbrot verarbeiten (mit dem Schaum vom Geleekochen und Gelierzucker). Der Trocknungsprozess kann im Backofen vorsichtig beschleunigt werden.
Bei Marmeladen ist ja oft (bei Erdbeeren, Himbeeren usw.) Säuremangel ein Problem, man muss dann Ztrone oder Rharbarber hinzufügen. Dies Problem taucht bei der Quitte nie auf - sie hat eine unglaublich fruchtige starke Säure, weshalb sie auch vorzügliche Marmelade ergibt. Das Wort "Marmelade" kommt übrigens vom portugiesischen Wort für Quitte "o marmelo".
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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Beitragvon Klara » 19.11.2010, 09:29

Danke für die Tipps!
Auch diese hab ich mir in ein Word-Dokument geholt und gesichert :)

Nein, ich hab keinen Artikel dazu geschrieben. Es wurde irgendwie schon so viel gesgt, und all die Mühe, die man sich mit Blogs macht, ist ja kostenlos, im Moment kann ich es mir eigentlich gar nicht leisten, energie- und geldhaushalterisch betrachtet - weder kostenlos zu arbeiten noch Perlen vor die Säue zu werfen. Klingt blöd? Ist aber so. Aber interessant find ich schon, also im Sinne von bemerkenswert, mit offenbar wie wenig Grips eine Frau Ministerin werden kann, nur weil sie bei der CDU ist. (Also: Bei Männern ist man das ja mitunter gewohnt, nicht nur in den Vereinigten Staaten ante Obama...) Beängstigend ist es natürlich auch. (Wer regiert uns da eigentlich?) Aber ich lass das jetzt lieber, die Meinungen divergieren, und hier ist ja kein Politikforum, sondern ein literarisches Portal, in dem es glücklicherweise manchmal auch ganz nochchalant zur Rezeptweitergabe kommt :)

herzlich
klara

Quoth
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Beitragvon Quoth » 19.11.2010, 16:35

Ihr glaubt gar nicht, allerleirauh, scarlett und Klara, wieviel Spaß mir so ein Faden zwischen Schreibtisch und Küche macht!

Was die Intelligenz von Politikern betrifft, Klara: Ein Politiker braucht weder viel Bildung noch viel Intelligenz. Was er braucht, ist Willenskraft, und die wird (vgl. Hamlet) durch Intelligenz und Bildung eher behindert. Das ist auch der Grund, aus dem nach dem Zusammenbruch der DDR vorwiegend nicht die Bürgerrechtler (intelligent und gebildet), sondern die alten Kader die Dinge (wieder) in die Hand nahmen.

Hallo, scarlett,
Du lobst die erste Zeile, wahrscheinlich kommt sie Dir "merkwürdig vertraut" vor - nun, es gibt ein Gedicht von Goethe, das auch gelbe Früchte erwähnt, es beginnt ganz ähnlich, weshalb ich mir erlaubt habe, mein "quince sonnet" daran anklingend beginnen zu lassen.

Gruß
Quoth
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Beitragvon Elsa » 20.11.2010, 13:28

Hallo Quoth,

so, so, die Geliebte muss gar werden, um nicht die Bitternis der rohen Quitte bei ihr schmecken zu müssen.
Eigentlich stimmt das ja auch, obwohl es feministisch gesehen, natürlich ... ;-)

Aber das ist wurscht, mir gefällt das ausgesprochen gut!

Liebe Grüße
ELsa
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 21.11.2010, 17:07

"Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?" ;)

Lieber Quoth, dass das Wort Marmelade von der Quitte herrührt, war mir gänzlich unbekannt und ich finde das sehr interessant!

Auch reihe ich mich gern ein in die Quittenliebhaberinnen dieses Fadens - leider ist meine Quittenquelle (auch ein schönes Wort!) vor einigen Jahren versiegt und zwei sogleich im Garten angepflanzte junge Bäumchen (eine Apfel- und eine Birnenquitte) gedeihen weniger als mäßig und tragen so gut wie keine Früchte.

Der kleine Seitenhieb auf das lyrische Du am Ende deines hübschen Textes ist recht keck, aber die Angesprochene wirds verzeihen, denn immerhin steht der Text ja unter "Liebeslyrik".

Quittengedichte gehören sicher nicht zu den häufigen. Daher hat es mich erstaunt, dass ich gerade in dieser Woche durch Zufall ein weiteres gefunden habe:

http://lyrikline.org/index.php?id=162&L ... d199f981fc

Viele Grüße
fenestra

Quoth
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Beitragvon Quoth » 22.11.2010, 22:08

Vielen Dank, Elsa, ja, das mit dem Garen ist halt beidseitig, ich bin auch schon ganz schön gegart worden, freilich "berauschend süß", wie der Dichter hier schreibt, bin ich dadurch nicht geworden.

Liebe fenestra: Ein Tipp - wenn Du gerne Quitten hättest, die vom Türken Dir aber zu teuer sind - dann hilft Umhören. Es gibt viele, denen die Verarbeitung zu schwierig oder einfach unbekannt ist, die Quitten haben und sie gerne loswerden möchten. So bekommen wir unsere immer - und tun dabei noch so, als ob die Schenker sich bei uns bedanken müssten, dass wir ihnen diese "Last" abnehmen! :-) Vielen Dank für den Link zu Jan Wagner - er unterschlägt das Abputzen des bitteren Flaums ... Das "latein des gartens" gefällt mir.

Wir sollten hier ein Unterforum Küchenpoesie einrichten!

Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.


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