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Weisser Schal
Verfasst: 15.01.2011, 11:45
von wüstenfuchs
Weisser Schal
Du stehst auf
Wickelst den weissen Schal um deine Schultern
Mein Blick folgt dir wie du zum Rand der steilen Brücke gehst
Deine Zehen biegen sich auf dem Asphalt
Du wendest dich um
Unsere Augen begegnen sich
Bei jedem Schritt heben sich deine Fersen und
Ich kann die Fusssohlen sehen
Du streichst mit gebeugtem Fuss leicht über den Rand der Brücke
Du stehst still
Ich sehe keine Bewegung mehr
Immer noch sehe ich keine Bewegung
Dann zieht deine rechte Hand den Schal langsam herunter
Über die Brust bis er fällt
Er gleitet tiefer und tiefer
Und versinkt im Fluss.
Verfasst: 16.01.2011, 20:10
von Amanita
Gute Idee!
Nur finde ich in Deiner Sprache das Weiße, Leichte des Schals nirgends wieder, und das ist schade.
Verfasst: 17.01.2011, 00:32
von Gerda
Hallo und guten Abend,
Amaritas kommentar verstehe ich nicht .
Der Schal kann nicht leicht sein, denn er versinkt doch im Fluss, das macht sicher eher ein dicker Wollschal, als einer aus Seidenchiffon.
Mir gefällt die gespannte Zurückhaltung des Beobachtenden, der wohl glaubte, dass die Person möglichweise springen würde, auch die genaue Beschreibung der Bewegungen. Die Szene hat etwas Schwebendes.
Die Formulierung in der letzten Zeile : sinkt ein in den fluss,
finde ich nicht stimmig, versinkt wäre m. M. die bessere Wahl. Beim Wasser trifft "Einsinken" eher nicht zu. Entweder schwimmt ein Gegenstand oder er versinkt.
LGG
Verfasst: 17.01.2011, 11:19
von wüstenfuchs
Hallo Gerda, ich freue mich, dass du meinen Text kommentierst.
Ich konnte auch mit Amanitas Kommentar nix wirklich anfangen, weil ja nirgends steht, dass der Schal leicht ist.
Ich gebe dir recht, versinken ist passender.
Viele Grüße
Fux
Verfasst: 17.01.2011, 14:30
von Amanita
Für mich kann ein weißer Schal nicht schwer sein. Die Farbe Weiß ist einfach leicht und licht.
Wenn sich ein Widerspruch auftut - der ja in Euren Kommentaren anklingt - müsste er m. E. näher erklärt werden.
Vielleicht ging das "Einsinken" da schon in die richtige Richtung? Dass es nicht zum Wasser passt, sehe ich allerdings auch so.
Verfasst: 17.01.2011, 14:51
von ferdi
Hallo!
Gerda, was macht denn ein "dicker Wollschal" für einen Sinn, wenn seine Trägerin doch barfuß unterwegs ist?
Für mich passt hier vieles nicht zusammen. Wie wickelt man sich zum Beispiel einen Schal um die Schultern? Eine seltsame Vorstellung - um die Schultern legen klänge da vertrauter.
Und wenn er denn gewickelt ist: wie kann man etwas gewickeltes herunterziehen?! Da geht für mich nicht, Wickeln hat für mich etwas wiederholendes und vor allem befestigendes.
Auch dass die Brücke "steil" ist...
Außerdem schaffe ich es nicht, mir die beiden Menschen und die Brücke in ihrer räumlichen Beziehung zueinander vorzustellen.
Insegsamt ist mir das Gedicht zu sehr zusammengestückelt aus verschiedenen, nicht wirklich zueinander passenden Teilen - außer dass sie natürlich zusammen etwas aussagen sollen - als dass es mich wirklich erreichen könnte.
Ferdigruß!
Verfasst: 17.01.2011, 15:13
von Amanita
Die steile Brücke hat mich auch erst gestört, aber es gibt ja Bogenbrücken, die wirklich steil sein können.
Aber ja, die Füße ... genau das passte für mich auch nicht. Zum Wollschal, den ich aber nie weiß darstellen würde, gehören Schuhe.
Verfasst: 17.01.2011, 17:40
von fabuln
.
Verfasst: 17.01.2011, 18:12
von Gerda
Ferdi, was den Wollschal angeht so hätte ich schon einige Erklärungen parat, die Dame könnte beispielsweise eine Traum(Schlaf)wandlerin sein, was insgesamt zur erzählten Szene passen würde ...
Zur "steilen Brücke", tja, das fiel mir nicht so sehr auf, ich habe mir wohl automatisch eine Brücke über einem Gebirgsfluss, in einem steilen Felstal vorgestellt.
So unterschiedlich sind halt die Assoziationen beim Lesen. Es ließe sich von Fux sicher klären, wie er es gemeint hat...
fabuln, deiner Idee, daraus eine Geschichte zu machen könnte ich etwas abgewinnen, allerdings würde die Geschichte sicher ganz anders klingen, als d. o. Form.
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 17.01.2011, 20:01
von wüstenfuchs
Hallo,
also ich dachte auch an eine Staumauer und unten ein ziemlich reissender Fluss. Der Schal des l.I. ist breiter, es gibt ja diese breiteren Formen, den sie sich umgewickelt hat und der dann unten gleich vom reissenden Wasser mitgerissen wird und davon strudelt.
Sie ist schon ein wenig als Traumwandlerin angelegt, die ihn im Bann hält.
Eine Geschichte fände ich auch interessant.
Es würde mich interessieren, Gerda, ob man eine Geschichte ähnlich schreiben könnte oder nur ganz anders, was ich auch spontan dachte.
VIele Grüße
Fux
Verfasst: 18.01.2011, 18:19
von fenestra
Lieber Fux,
eine spannende Szene, in die ich mich gern hineinziehen lassen habe!
Das Wickeln und Versinken hat mich allerdings auch gestört. Wickeln hat etwas Festes, nicht so leicht Lösbares an sich.
'
Legst oder
wirfst den weißen Schal um deine Schultern' würde meiner Meinung nach wesentlich besser passen, auch metrisch, weil es durch die eine Silbe mehr Schwung hat.
Die Schlussstrophe:
Bei "er gleitet tiefer und tiefer" dachte ich erst, jetzt müsste kommen: an deinem Körper herab, bis du entblößt da stehst.
Dann kommt aber eine unerwartete Wendung mit "und versinkt im Fluss". Du könntest auch einfach schreiben: und schwebt (oder segelt) in den Fluss.
Sehr schön finde ich die Beschreibung der Füße und ihrer Bewegungen, weil auch das unerwartet kommt. Nach
Du wendest dich um
Unsere Augen begegnen sich
erwartet man eine Art kitschigen Kino-Abspann, aber dann wird alles doch anders. Raffiniert!
Viele Grüße
fenestra
Verfasst: 19.01.2011, 12:54
von wüstenfuchs
Liebe fenestra, vielen Dank fürs Lesen.
Ich sehe auch die beiden Stellen als problematisch an und denke ich werde sie noch einaml verändern. Deine Anregungen gefallen mir gut.
Ich denke, ich werde viel davon übernehmen,
viele Grüße
Fux