ein dejavu

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
pjesma

Beitragvon pjesma » 04.07.2011, 15:49

Die schwimmbadidylle/ ein dejavu
2.7.



vorneweg
das kind
in roten schwimmhöschen
löckchen wippen auf dem kopf
vom runden rumpf
abstehende ärmchen
watscheln
tänzelnd der blick
und
hinter dem kind
das muttertier
mit frisch ondulierten haaren
voller sorgfalt und stolz
mit fünfmonatsbauch
unter den zähnen
und noch schönen beinen
sie trippelt
vor dem pater familias
der schweren schrittes
den hügel besteigt
mit korb und decken
mit gummiball
um den hals ein schwimmring
mit mikimauskopf
nimmt ihm den nötigen ernst
so einsam sind sie
so einsam
zum trösten einsam
zum umarmen
jeder von beiden
mit ihren verborgenen fragen
in den stirnfalten
„was oder wen sollte man bloß wecken
was oder wen lieber im schlaf ersticken
und wie das eingeschlafene
in der seele
zu erorten?“

aber
das kind

die kinder

vorneweg

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 04.07.2011, 23:15

Hallo,

hab ein wenig Mühe mit dem Gedicht. Zunächst, weil es mir nicht gelingt, es als Gedicht zu lesen. Ist es nicht eher ein Stück Prosa? Braucht es die vielen Zeilenumbrüche wirklich? Wäre es nicht mit mehr Fluss viel lesbarer?
Dann gelingt mir das Déjà vu nicht. Wie kommst Du auf den Titel?
Das Bild geht einigermaßen auf, ich kann mir die Situation vorstellen. Doch die Einsamkeit ist mir zu sehr behauptet, dreifach unterstrichen wie sie daherkommt. Was ist es, das Du sagen willst, was ist dir wichtig? Der Teil in den Anführungszeichen?
Ich habe hier auch Probleme mit der Grammatik, mit der Mikimaus, die mir als Micky-Maus lieber wäre, und, obwohl ich weiß, dass inzwischen gang und gebe, mit der durchgehende Kleinschreibung. Weiß nicht so recht, ob das alles so gewollt, in welchem Falle mir zu gewollt, oder ob partiell Versehen und damit zu korrigieren.

Servus
Henkki

pjesma

Beitragvon pjesma » 05.07.2011, 11:43

witzig, ich habe auch probleme mit grammatik :mrgreen:

scherz bei seite, ich habe mich als nicht-mutter-sprachler "geoutet", womit ich mir keine extrabehandlungswurst sichern möchte, sondern meine leser warnen möchte, dass fehler, bei aller meiner mühe und kontrolle, leider nicht ausgeschlossen sind...da kann man vielerlei reagieren: genervt, weil es ihm stört, oder hilfeleistend, weil es ihm stört, oder, oder...jedenfalls, wenn ich die fehler entdecke, bzw. sie mir aufgezeigt werden, bin ich sicherlich die jenige die sie am stärksten stören. soviel von grammatik und ortografie...(in dem sinne ist mir der mikimaus auch als mickymous lieber, danke...er hat sich durchgeschlichen, nun lass ich es in oberer version fehlerhaft stehen, und in einer weiteren, korrigiere ich es.)

und dann kommen wir zur form, die keinesfallls zufällig gewählt ist, sondern meiner art lesens, (und ATMENS )entspricht. ob etwas prosa oder gedicht ist-oder gar lyrische prosa- diskussion, ist für mich ein ziemlich alter hut, auf den ich ehrlich gesagt, nicht viel gebe...ist mir zu beliebig (sollte es sich ganze nicht in festvorgeschriebenen formen abspielen, sonett, haiku...wasweißich).

wenn du es nicht als gedicht lesen kannst, dann darfst du es ruhig als prosa lesen, ich habe nichts dagegen. man kann dem leser nicht befehlen wie er einen text zu lesen hat, wenn der text draußen ist, ist er abschußfrei...mancher behauptet sich mancher nicht.
kritikresistent bin ich natürlich nicht, aber jedem leser zu gefallen wäre auch zu viel des guten. die meldung, wie es auf jemanden wirkt, ist schon sehr kostbar, bedeutet aber nicht zwanghaft dass ich jeden vorschlag verunsichert annehme (falls konkrete vorschläge kommen?). manche aber sicherlich :-)
in diesem fall finde ich eine schmale lange abgehackte form durchaus passend zu einem inhaltlichen gänsemarsch der anscheinden happyfamily. dejavu...naja...kann man eigentlich als titel auslassen, hast du recht...ist nicht maßgebend...danke.

was die behauptung angeht...? ja, das ist eine behauptung, das mit der einsamkeit . warum auch nicht? ich sehe ein bild, und behaupte -es wirkt auf mich so. beschneidet dich das zu sehr in deiner art es zu sehen, schließt das zu sehr deine widerspruchsfreiheit aus?

lg,
pj

faltige stirne schmeiß ich raus...g'fällt mir nicht mehr.

scarlett

Beitragvon scarlett » 05.07.2011, 17:04

hallo,

mir gefällt dein gedicht sehr gut, erinnert mich ein wenig an die schreibe von marica bodrozic.
obwohl es scheinbar staccato gesetzt ist, entfaltet es sich bei mir durchs lesen eher zu etwas fließendem.

und ja, ich kann dieses bild, das du beschreibst, sehr gut sehen, ich kann da mitgehen mit vater, mutter, kind ... kann mir die fragen hinter der stirn vor-stellen und für mich auch gut beantworten.
es ist ein déjà vu, ohne frage.

hier erscheint mir der zusammenhang etwas seltsam:


vom runden rumpf
abstehende ärmchen
watscheln
tänzelnd der blick

ich glaube, das hast du nicht wirklich so haben wollen, dass die abstehenden ärmchen watscheln ... zumindest finde ich keinen anderen bezug zu diesem verb.

und seltsam, dass ich die verborgenen fragen in den stirnfalten immer als "verbogene fragen" lesen möchte ...

ein feiner text!

grüße,
scarlett

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 05.07.2011, 19:22

Hallo,

Einerseits interessieren mich bei deinem Text zwei Dinge besonders: die von dir im Kommentar erwähnte Zweisprachigkeit und deine Art dein Gedicht zu verteidigen. Man merkt, dass du einen starken Bezug zu Sprache hast, das ist immer bereichernd für andre Schreiber. Da ich selbst nach 40 Jahren Frankreich mit der Zweisprachigkeit sowohl beschenkt als auch beladen bin, kenne ich einige Facetten dessen, was die Sprache tut, wenn sie zwei Zungen hat. Man musss sich am Riemen reißen, in beiden Sprachen, um nicht die typischen Verformungen durch die andre Sprache durchklingen zu lassen.
Aber man merkt es bei deiner Ausdrucksweise gar nicht, dass du nicht Muttersprachlerin bist. Kompliment! Vielleicht bist du erst am Anfang deiner Gedichtproduktion in deutscher Sprache ... dann gilt es, eine gewisse Genauigkeit zu entwickeln.

Um diese Genauigkeit geht es mir beim Titel. Ich könnte mich an der eigenen Nase packen, aber Titel sind eben wichtig. Das Déjà-vu Erlebnis spielt in der Psychoanalyse eine ganz besondere Rolle und hat etwas Faszinierendes, Hypnose-Artiges. Das finde ich bei deiner Muttertier Beschreibung eher nicht.

Abgesehen vom Titel, geht es mir dann wie Scarlett. Vom Titel befreit wird das Ganze zu einer pseudo-idyllischen Familienszene. Und ab da ist man dann in deinem Film, und nicht etwa in einem, den man sich mit Mühe und Not zusammengebastelt hat ...

sehr liebe Grüße
Renée



pjesma hat geschrieben:Die schwimmbadidylle/ ein dejavu
2.7.



vorneweg
das kind
in roten schwimmhöschen
löckchen wippen auf dem kopf
vom runden rumpf
abstehende ärmchen
watscheln
tänzelnd der blick
und
hinter dem kind
das muttertier
mit frisch ondulierten haaren
voller sorgfalt und stolz
mit fünfmonatsbauch
unter den zähnen
und noch schönen beinen
sie trippelt
vor dem pater familias
der schweren schrittes
den hügel besteigt
mit korb und decken
mit gummiball
um den hals ein schwimmring
mit mikimauskopf
nimmt ihm den nötigen ernst
so einsam sind sie
so einsam
zum trösten einsam
zum umarmen
jeder von beiden
mit ihren verborgenen fragen
in den stirnfalten
„was oder wen sollte man bloß wecken
was oder wen lieber im schlaf ersticken
und wie das eingeschlafene
in der seele
zu erorten?“

aber
das kind

die kinder

vorneweg

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.07.2011, 21:08

Hallo Pjesma,

ja, das ist eine behauptung, das mit der einsamkeit . warum auch nicht? ich sehe ein bild, und behaupte -es wirkt auf mich so.
Dazu muss der Leser aber den Blick vom gezeigten Bild zum erzählenden LIch richten, was bei mir auch geschieht. Ich frage mich, wie LIch dazu kommt, diese Szene so zu beurteilen, warum sie der "Idylle" nicht vertraut, oder die Szene nicht ganz neutral beobachtet. Dieser Aspekt wird für mich schon durch den Titel "Déjà-vu" vorbereitet. LIch erkennt sich wieder, oder zumindest eine Familie, die ihr so vertraut ist, dass sie hinter die Kulissen schauen konnte. Sie hat das schon einmal "gesehen" und miterlebt, und dort hat es sich eben so gezeigt, dort war es nur Schein. Ob es bei dieser gerade betrachteten Familie auch so ist, bleibt für mich völlig offen, denn sie sind ja nur eine Projektions- und Erinnerungsfläche für LIch. Das finde ich gut und glaubwürdig gezeigt, auch durch die Stakkatobeobachtungen des LIch, die sich so süffisant aneinanderreihen, um den eigenen Schmerz von sich wegzuschieben.
in der seele
zu erorten?
Warum "zu"?

Hallo Renée,

Renée hat geschrieben:Vom Titel befreit wird das Ganze zu einer pseudo-idyllischen Familienszene. Und ab da ist man dann in deinem Film, und nicht etwa in einem, den man sich mit Mühe und Not zusammengebastelt hat ...
Mich erstaunt, dass du die Haltung und Sichtweise, Einschätzung des LIch scheinbar sofort als "Wahrheit" annimmst?

Liebe Grüße euch beiden
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 05.07.2011, 22:52

Liebe Flora,

warum Wahrheit des lyrischen Ich? Ich spreche von Pseudo-Idylle - und bin eher skeptisch. Es ist nur, meiner Ansicht nach, wohlgemerkt, dem Sichtpfad des lIch zu folgen. Allerdings bleibt dem Leser nicht viel Platz, um einen Abstand zu finden, noch genauer, der Abstand, der meinetwegen auch das Déjà-vu Erlebnis beinhalten mag, wird vorgegeben. Der Leser wird mMn eingeladen, den Blick des Lyr.Ich einzunehmen, denselben Winkel ...

Hier setzt meine Kritik ein, denn bei aller Feinheit der Beobachtungen ist das Ganze doch von EINER Sicht geprägt. Das Déjà vu erlebe ich nicht so deutlich wie du...

lG
Renée

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Beitragvon Zakkinen » 08.07.2011, 11:32

Hallo Pjesma,
pardon, den Nicht-Muttersprachler-Teil hatte ich mir nicht gemerkt. Ich denke auch nicht, dass der wirklich zur Entschuldigung taugt, denn der Text muss ja als Text bestehen können. Aber: wass sprachliche Korrekturen angeht, kannst Du Dir hier immer helfen lassen. Konkreter: ich korrigiere Fehler gern, wenn ich Zeit dazu habe. Allerdings nicht automatisch, weil ich das Überarbeiten fremder Texte ohne Auftrag als übergriffig empfinde.
Gestaltung und Inhalt sind natürlich Deine Sache. Auch wenn dir die Gattungen wie alte abgelegte Hüte erscheinen, so muss doch die Frage nach dem Warum einer Entscheidung gestattet sein. Und Du hast sie ja auch schon beantwortet. Muss mir ja nicht gefallen. Für mich ist der Text halt nichts. Ich sehe das Bild der Familie, die eine Hälfte des Titels weist klar auf die Idylle. So weit so gut. Die Einsamkeit ist eine Information, deren Notwendigkeit sich mir nicht erschließt. Mir wirkt sie halt zu sehr behauptet. Zumal der Kontrast zu den Gedanken ind den Gänsefüßchen absolut reicht, die die Idylle zerstören. Das Déjà vu bleibt mir auch verschlossen, da ich dergleichen so noch nicht gesehen oder erlebt. Ist es denn notweniger Bestandteil? Ich denke nicht.
Grüße
Henkki


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