Ich werd dich so vermissen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 18.07.2011, 10:50

Ich werd dich so vermissen
mir ist als würden meine Augen
schon nach innen weinen
es ist ein Unwetter in mir

sein Sturm hat alle Blüten abgerissen
und trug sie weit, weit fort zu dir
an einen dunklen Ort, wo ich dich
nicht mehr finde

und trotzdem lass ich alle wissen,
dass du warst und das so schön,
so stark und wie du sprachst:
ein Sonnenstrahl im Herbst.

Ach, hätt ich ein Foto von deiner Stimme,
ein Tonband von deinem Blick,
ein Duftöl von deiner Seele...
hätt ich das doch behalten dürfen -
was lässt du zurück?

Ich werd dich so vermissen

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Eule
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Beitragvon Eule » 19.07.2011, 16:51

Hallo Louisa, ein sehr schönes Gedicht über Abschied und Wehmut. Viele Grüße !
Ein Klang zum Sprachspiel.

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Zakkinen
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Beitragvon Zakkinen » 08.08.2011, 15:16

Hallo Luisa,

ich laufe Gefahr, Dir nicht zu gefallen mit dem, was ich dazu zu sagen habe. Vielleicht hast Du Dir auch bei allem, was ich kritisiere, etwas gedacht und es soll und muss genau so. Dann ist es auch gut.

Ich werd Dich so vermissen

Finde ich einen schwachen Eröffnungssatz. Wirkt so abgegriffen und benutzt.
Nichtsdestotrotz: diese Strophe redet von der Zukunft. Also ist das vermisste Du noch da, oder?
Das innere Unwetter finde ich ganz schön. Für die erste Strophe hast Du eine poetische Sprache gewählt.

In der zweiten Strophe hältst Du das nicht durch.
sein Sturm hat alle Blüten abgerissen

Das Perfekt und der Satzbau eindeutig dem Reim geschuldet. Perfekt passt schon. Aber die Sprache fällt ab.
und trug sie weit, weit fort zu dir

Warum nun plötzlich Präteritum? Das holpert, finde ich.
Logisch frage ich mich, warum das Du jetzt plötzlich schon (länger und) weit weg ist. Vermisst LyrIch in der ersten Strophe vielleicht schon im Präsens? Einzige mir in den Sinn kommende Interpretation ist, das LyrIch das Vermissen selber mag, daher eventuell selber schuld an der Abwesenheit und in Vorfreude befangen. Klingt abwegig? Möglich.
an einen dunklen Ort, wo ich dich
nicht mehr finde

Zeilenumbrüche dienen m.E. immer auch der Betonung. Wäre es nicht interessanter, die Trennung zwischen Ich und Dich zu betonen?


und trotzdem lass ich alle wissen,

Trotz was?
LyrIch schreit den Verlust in die Welt hinaus? Das kommt wieder meiner These des selbstmitleidigen LyrIch entgegen. Aber dann kommt nichts mehr, was da stützt. Daher bin ich fast sicher, das ist so nicht gemeint. Dabei wäre das interessant, ein wenig böse.

ein Sonnenstrahl im Herbst.

Herbst ist so ein geladenes Wort, das Bild ein wenig abgenutzt.


Ach, hätt ich ein Foto von deiner Stimme,
ein Tonband von deinem Blick,
ein Duftöl von deiner Seele...
hätt ich das doch behalten dürfen -
was lässt du zurück?

Das ist ganz schön, eine nette Idee, der Wunsch nach den kleinen Unmöglichkeiten. Ich würd vermutlich anders formulieren und insbesondere ein Paar "von" raus werfen. Aber OK. Hier hat eher das LyrDu die aktive Rolle, indem es anscheinend nichts zurückgelassen hat, woraus ich vermuten würde, dass LyrIch gegangen ist, nicht gegangen wurde.

Ich werd dich so vermissen

Schluss und Klammer mit diesem Satz. Den ich schwach finde, solange er nicht eine Umdeutung erfährt, eine Ironie beinhaltet oder Ähnliches. Doch das sehe ich nicht.

Was mich am meisten stört, ist sprachlich/technisch. Es gibt den Reim der ersten Verse der ersten drei Strophen. Wozu? Wirkt eher etwas gequält. Es gibt die Klammer mit dem "Ich werd Dich so vermissen". Was liefert sie? Spannend wär's wenn am Schluss ein ganz anderes Licht auf die Zeile fiele. Dann wechselst Du etwas beliebig die Zeiten, scheint mir. Und Du wechselst zwischen poetisch pathetischem Stil und Alltagsdeutsch, auch so, dass ich nicht sehe, warum. Halt das doch durch, passend zum "Ach", vielleicht noch ein "ein Tonband nur von Deinem Blick/ein Duftöl Deiner Seele". So vielleicht:

Ach, hätte ich ein Photo nur von Deiner Stimme,
Ein Tonband nur von Deinem Blick,
Ein Duftöl Deiner Seele, hätt
ich das behalten dürfen doch,
was lässt Du mir zurück?

Oder lass es ganz.

Nun bin ich beileibe kein großer Experte, was Sprache angeht. Nimm's daher einfach als meine Eindrücke.

Liebe Grüße
Henkki

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Eule
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Beitragvon Eule » 11.08.2011, 16:43

Kummer, Schmerz und Sehnsucht sind die "klassischen" Zutaten für die Liebesklage eines alleingelassenen Menschens.

Mir gefällt die Einfach- und Direktheit des Textes, auch das Durcheinander in den Zeitformen enspricht dem "gefühlten" Durcheinander im Kopf eines solchen. Sicher ist darin eine gehörige Portion Naivität enthalten, es wäre jedoch ungerecht, dieser die Ehrlichkeit abzusprechen. Wer erinnerte sich nicht an ähnliche Gefühle ?
Zuletzt geändert von Eule am 11.08.2011, 22:47, insgesamt 2-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.08.2011, 17:54

Ihr beiden!

Ich danke euch für eure Kommentare! Zur Zeit fällt es mir ein bisschen schwer dazu etwas zu sagen, es zu erklären oder daran zu feilen... Das sage ich ja sonst nie, aber der Text ist für mich wirklich stimmig - Wahrscheinlich berührt mich die Thematik gefühlsmäßig aber auch zu sehr, als das ich korrekt dazu Stellung nehmen kann.

Für mich geht es darin um den Verlust eines geliebten Menschen - der in Vergangenheit war, in Gegenwart fehlt und dessen Gedenken ich gerne in die Zukunft tragen möchte um "alle wissen zu lassen", dass es da mal jemanden gab und wie dieser jemand war.

Am Tag als dieser Mensch starb sah ich einen Oleanderbusch im Sturm alle Blüten verlieren und ich träumte auch immerzu von großen Stürmen, die mich vom Boden wegrissen - deshalb habe ich das eingebaut -- Es hat wahrscheinlich gar keinen großen metaphorischen und künstlerischen Gehalt, das Gedicht - ich wollte meiner Traurigkeit nur Ausdruck verleihen und es -wieso auch immer- irgendwo ausstellen.

Ich lese gerne eure Meinungen dazu und freue mich auch über jede Kritik, die ich ja dann auch auf andere Gedichte übertragen kann.

Ich hoffe das kann man nachvollziehen.

Liebe Grüße!!!
l

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Eule
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Beitragvon Eule » 11.08.2011, 22:56

Hallo Louisa, Du hast Deine Gefühle klar und verständlich beschrieben. Menschen, denen wir in Liebe verbunden waren, wohnen in einem Winkel unseres Selbsts, aus dem sie nicht verloren gehen. Herzliche Grüße !
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.08.2011, 01:06

Hallo Louisa,
Louisa hat geschrieben:Es hat wahrscheinlich gar keinen großen metaphorischen und künstlerischen Gehalt, das Gedicht - ich wollte meiner Traurigkeit nur Ausdruck verleihen und es -wieso auch immer- irgendwo ausstellen.

Louisa hat geschrieben:Ich hoffe das kann man nachvollziehen.

ja, das kann man sehr nachvollziehen. Ich mag es, wie du in diesem Gedicht ganz schnörkellos und auch nicht verspielt schreibst, sondern ganz offen und klar.

Saludos
Gabriella

Sam

Beitragvon Sam » 12.08.2011, 08:25

Die Kunst besteht ja darin, solch vermeidlich abgegriffenen und benutzen Begriffe zu gebrauchen, ohne dass es eben abgegriffen klingt. Und das gelingt Louisa in diesem Gedicht schon. Man muss den Schmerz ja nicht unbedingt verschleiern, nur um dem Leser nicht zu nahe zu treten. Die Wehmut ist zwar in jeder Zeile spürbar, aber es ist nicht so, als hätte sie ganz allein das Gedicht geschrieben. Da ist auch der Wunsch sie mitzuteilen, was der gefühlsduseligen Unmittelbarkeit einen Riegel vorschiebt und eben doch ein Gedicht entsteht, was besonders in der letzten Strophe zum Ausdruck kommt.

Für mich funktionierts, trotz dieser Direktheit.

Gruß

Sam

Niko

Beitragvon Niko » 12.08.2011, 12:58

hallo louisa!

als ich den titel las, ohne den autor schon zu wissen, wollt ich das gedicht nicht lesen. da du ihn schriebst, macht es neugierig. will heißen: der titel ist nur im kontext gut zu nennen von menschen, die dich kennen. üblicherweise muss man ja der gerechtigkeit zu liebe schon sagen, dass solch ein titel derbe verrissen würde. auch die nach innen weinenden augen sind ein bild, das sehr geläufig ist und mir darum keine verdichtung ist. foto von der stimme und ein tonband von deinem blick klingt mir auch wieder zu konstruiert.

es ist für meinen geschmack nicht viel drin im text, was mich wirklich anspricht und mich mitreißt. und dennoch schaffst du es immer, dass man dich gern liest. weil deine texte, egal wie gut oder wie schlecht sie sind (nach meinung irgendwelcher leser) immer irgendwie anrühren. diese leichtigkeit und ein schuss naivität, das durchdringt, nicht ohne einen ganz dezenten schuss von melancholie manchmal - das fasziniert schon. auch wenn´s mir manchmal schon zu verspielt ist.
und trotz aller "kritikpunkte" meinerseits, die ja sonst niemand teilen muss, ist es wahrhaftig dennoch genuss gewesen, dich zu lesen!

lieben gruß: niko

Louisa

Beitragvon Louisa » 12.08.2011, 15:09

ich freue mich sehr über diese meinungen von euch!

:blumen:

Max

Beitragvon Max » 15.08.2011, 00:10

Liebe Louisa,

ich kann schon verstehen, was Henkki schreibt. Ich denke aber - ganz im Sinne Sams, dass Du häufig gebrauchten Bildern hier neues Leben einhauchst. Ich habe den Eindruck auf der technischen Seite liegt das daran, dass Du eine Form gefunden hast, Reimgedicjhte zu schreiben, die mir neu und unverbraucht vorkomtm - in diesen oft überrraschenden Rhythmus fügen sich auch die Bilder. Ich habe gerade eine Lesung einer Autorin des Leipziger Literarturinstituts gehört - da hält dieser Text locker mit.

Liebe Grüße
max


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