Hallo Luisa,
ich laufe Gefahr, Dir nicht zu gefallen mit dem, was ich dazu zu sagen habe. Vielleicht hast Du Dir auch bei allem, was ich kritisiere, etwas gedacht und es soll und muss genau so. Dann ist es auch gut.
Ich werd Dich so vermissen
Finde ich einen schwachen Eröffnungssatz. Wirkt so abgegriffen und benutzt.
Nichtsdestotrotz: diese Strophe redet von der Zukunft. Also ist das vermisste Du noch da, oder?
Das innere Unwetter finde ich ganz schön. Für die erste Strophe hast Du eine poetische Sprache gewählt.
In der zweiten Strophe hältst Du das nicht durch.
sein Sturm hat alle Blüten abgerissen
Das Perfekt und der Satzbau eindeutig dem Reim geschuldet. Perfekt passt schon. Aber die Sprache fällt ab.
und trug sie weit, weit fort zu dir
Warum nun plötzlich Präteritum? Das holpert, finde ich.
Logisch frage ich mich, warum das Du jetzt plötzlich schon (länger und) weit weg ist. Vermisst LyrIch in der ersten Strophe vielleicht schon im Präsens? Einzige mir in den Sinn kommende Interpretation ist, das LyrIch das Vermissen selber mag, daher eventuell selber schuld an der Abwesenheit und in Vorfreude befangen. Klingt abwegig? Möglich.
an einen dunklen Ort, wo ich dich
nicht mehr finde
Zeilenumbrüche dienen m.E. immer auch der Betonung. Wäre es nicht interessanter, die Trennung zwischen Ich und Dich zu betonen?
und trotzdem lass ich alle wissen,
Trotz was?
LyrIch schreit den Verlust in die Welt hinaus? Das kommt wieder meiner These des selbstmitleidigen LyrIch entgegen. Aber dann kommt nichts mehr, was da stützt. Daher bin ich fast sicher, das ist so nicht gemeint. Dabei wäre das interessant, ein wenig böse.
ein Sonnenstrahl im Herbst.
Herbst ist so ein geladenes Wort, das Bild ein wenig abgenutzt.
Ach, hätt ich ein Foto von deiner Stimme,
ein Tonband von deinem Blick,
ein Duftöl von deiner Seele...
hätt ich das doch behalten dürfen -
was lässt du zurück?
Das ist ganz schön, eine nette Idee, der Wunsch nach den kleinen Unmöglichkeiten. Ich würd vermutlich anders formulieren und insbesondere ein Paar "von" raus werfen. Aber OK. Hier hat eher das LyrDu die aktive Rolle, indem es anscheinend nichts zurückgelassen hat, woraus ich vermuten würde, dass LyrIch gegangen ist, nicht gegangen wurde.
Ich werd dich so vermissen
Schluss und Klammer mit diesem Satz. Den ich schwach finde, solange er nicht eine Umdeutung erfährt, eine Ironie beinhaltet oder Ähnliches. Doch das sehe ich nicht.
Was mich am meisten stört, ist sprachlich/technisch. Es gibt den Reim der ersten Verse der ersten drei Strophen. Wozu? Wirkt eher etwas gequält. Es gibt die Klammer mit dem "Ich werd Dich so vermissen". Was liefert sie? Spannend wär's wenn am Schluss ein ganz anderes Licht auf die Zeile fiele. Dann wechselst Du etwas beliebig die Zeiten, scheint mir. Und Du wechselst zwischen poetisch pathetischem Stil und Alltagsdeutsch, auch so, dass ich nicht sehe, warum. Halt das doch durch, passend zum "Ach", vielleicht noch ein "ein Tonband nur von Deinem Blick/ein Duftöl Deiner Seele". So vielleicht:
Ach, hätte ich ein Photo nur von Deiner Stimme,
Ein Tonband nur von Deinem Blick,
Ein Duftöl Deiner Seele, hätt
ich das behalten dürfen doch,
was lässt Du mir zurück?
Oder lass es ganz.
Nun bin ich beileibe kein großer Experte, was Sprache angeht. Nimm's daher einfach als meine Eindrücke.
Liebe Grüße
Henkki