[die nacht...]

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 03.06.2012, 11:07

.



die nacht
speit gedichte

im stern
überwintert
ein traum





(dj2012)
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 03.06.2012, 12:37

Liebe Diana,

die Gefahr bei Kurzgedichten ist immer, dass man durch die Kombination weniger typisch "poetischer" Worte eine vage Atmosphäre schafft, die eigentlich alles oder nichts bedeuten kann und so oder ähnlich schon oft gesagt wurde.

Nacht, Stern, Traum - das sind schon mal drei solcher Poesieworte. Wenn man das Wort "Stern" mal ganz unkitschig und weit ab von Kinderbuchillustrationen betrachtet, haben wir da einen total faszinierenden, Lichtjahre entfernten Himmelskörper. Da überwintert doch aber nichts. Da gibts vielleicht gar keinen Winter. Und wahrscheinlich ist der Stern selbst, wenn das Licht zu uns hinübergelangt ist, längst erloschen.

Die erste Strophe ist da schon besser. Wenn du geschrieben hättest: 'Aus dem Nachthimmel schimmern Gedichte' oder so etwas, dann wäre mir das schon wieder kitschig erschienen. Aber bei dir "speit" die Nacht. Speien tut man, wenn man etwas ekliges im Mund hat, wenn einem Übel ist. Die Nacht speit Gedichts aus, sie will sie loswerden. Die Gedichte sausen durchs All, wie Kometen. Vielleicht schlagen sie irgendwo ein, verursachen einen riesigen Krater. Das wäre doch mal ein spannender Gedanke. Wie wärs, wenn du das mal weiterführst? Etwa so:


Worte wie Kometen
ausgespien von einem
nachtschwarzen Himmel

wo sie einschlagen
klaffen Krater
duck dich weg!

;)

Viele Grüße
fenestra

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birke
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Beitragvon birke » 03.06.2012, 13:02

Liebe fenestra, hab Dank für die Beschäftigung mit meinem Textlein.

Tja – kann im Stern etwas überwintern? Genau so (wenig?) wie die Nacht Gedichte ausspucken kann, meine ich.

Deine Idee, dass die Gedichte wie Kometen einschlagen hat was, auf jeden Fall! Danke! ;)
Würde aber dann doch in eine gänzlich andere Richtung führen.

Mir ist hier der Kontrapunkt von Strophe 1 und 2 wichtig – das etwas heftigere „Gedichte-Speien“ im Gegensatz zur sanften zweiten Strophe.

Ich meine, es kommt immer darauf an, in welchem Kontext man bestimmte Dinge verwendet. Ja, stünde in der ersten Strophe so etwas „Gedichte schimmern“ oder in der Art – dann wäre auch aus meiner Sicht der gesamte Text reiner Kitsch.

Ob meine Erläuterungen Sinn für dich/ euch machen?

Herzliche Grüße
Diana
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 03.06.2012, 13:08

Liebe Diana,

du hast natürlich Recht, ein Traum kann im Stern überwintern, metaphorisch, wenn er bei der Betrachtung des Sterns nach langer Zeit wieder belebt wird. Und die Nacht kann metaphorisch Gedichte speien - wenn einem die Einfälle plötzlich nachts kommen.

Mir ging es darum, vor zu abgegriffenen Metaphern zu warnen. Den Gegensatz, den du ausdrücken möchtest, verstehe ich jetzt so: Einerseits schießen die Gedichte pfeilschnell heran, andere reifen ganz langsam.

Viele Grüße
fenestra

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.06.2012, 13:30

Hallo Diana,

gerade dieser Kontrast in deinem Gedicht gefällt mir sehr.
Was da nachts alles los sein kann. Im Kopf spulen sich Gedankenspiralen hoch, Ideen für Gedichte formen sich. Man kommt nicht zur Ruhe. (Ich habe immer einen Block mit Kuli neben dem Bett, wenn so etwas geschieht. *lach*)
Und dann da dieser andere Fokus. Der Ruhepol im Stern, in dem ein Traum überwintert. Ich mag diese Metapher. Ich stelle mir vor, wie LI in der Nacht einen Stern sieht, die Augen schließt und sich der Traum, der im Stern quasi für das LI gewartet hat, nun in die Gedanken des LI fließt, so dass LI träumt.
Schön.

Liebe Grüße
Gabi

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birke
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Beitragvon birke » 03.06.2012, 16:10

Ja, fenestra, ich gebe dir ja recht, man muss schon aufpassen, dass man keine Klischees verbrät, indem man allzu gängige Metaphern verwendet, klar.
Ist hier vielleicht tatsächlich grenzwertig.

Und ja - deine Lesart steckt hier durchaus drin, aber ja!

Danke dir für die erneute Rückmeldung.





Liebe Gabi,

daaanke, sehr schöne Worte hast du gefunden, dem kleinen Gedicht auf die Spur zu kommen, jaja!

Und, lach, jaa, mein Notizbuch & Kuli liegen auch immer auf dem Nachttisch!!




Liebe Grüße euch aus dem heute verregneten Westerwald,

Diana
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